18.11.2024

Wohnungsmarkt Deutschland

Mietbelastung bleibt weitestgehend stabil, ist aber ungleich verteilt

Erscheinungstermin: Oktober 2024

Herausgeber: DIW Berlin

Die aktuell angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt hat zu weitreichenden Diskussionen und Forderungen nach regulierenden Eingriffen geführt. Tatsächlich sind die Angebotsmieten vor allem in Großstädten gestiegen: Während sie von 2010 bis 2022 im Durchschnitt um rund 55 Prozent geklettert sind, betrug der Anstieg in Städten mit mehr als 500 000 Einwohnern circa 70 Prozent, in Landkreisen sowie mittleren und kleinen kreisfreien Städten rund 46 Prozent. Mit einer deutlich geringeren Dynamik haben sich die Mieten für bestehende Mietverhältnisse entwickelt. Gegenüber 2010 haben sich die Nettokaltmieten um rund 19 Prozent erhöht. Welche Auswirkungen hatten die Mietpreissteigerungen der vergangenen Jahre auf die Leistbarkeit für die Haushalte in Deutschland? Dieser Frage geht eine aktuelle Analyse des DIW Berlin nach. Der Bericht untersucht die Entwicklungen mit Blick auf verschiedene sozioökonomische Charakteristika der Haushalte wie Einkommen, Haushaltsgröße und Wohnort. Für eine bessere Einordnung der Lage werden die Jahre 1990 bis 2021 betrachtet. Grundlage sind Haushaltsbefragungen, die im Rahmen des Sozio-ökonomischen Panels am DIW Berlin durchgeführt wurden.

Mietbelastung seit Anfang der 2000er Jahre annähernd konstant

Um die Auswirkungen gestiegener Mieten auf die betroffenen Haushalte zu beurteilen, müssen neben den Mieten die Haushaltsnettoeinkommen betrachtet werden. Beide Größen haben sich in den vergangenen 30 Jahren sehr unterschiedlich entwickelt. Zu Beginn der 1990er Jahre stiegen sie stark an, wobei die Mieten höhere Zuwachsraten als die Einkommen zeigten. Danach folgte eine zehnjährige Periode mit einer relativen Stagnation beider Größen. Zwischen 2013 und 2016 gingen die Mieten wieder stärker hoch, seit 2017 allerdings wächst das Einkommen schneller. Diese Tendenz wurde im Jahr 2020 unterbrochen, als infolge der Coronakrise die Einkommen deutlich gefallen sind. Allerdings haben die Einkommen im Jahr 2021 wieder zugenommen, aber nicht ausreichend, um den Rückgang zu kompensieren. Die Mieten setzten ihren Anstieg trotz der Krise fort.

Im Ergebnis dieser Entwicklungen ist die Mietbelastung, gemessen als Verhältnis zwischen der monatlichen Bruttokaltmiete und dem monatlichen Nettohaushaltseinkommen, seit etwa 2005 annähernd konstant geblieben, wenn nicht leicht gefallen. Zu Beginn der 1990er Jahre war die Veränderung in Ostdeutschland dramatisch, was mit der Liberalisierung der seit 1936 eingefrorenen Mieten verbunden war. Zwischen 1990 und 2001 sprang die Mietbelastung dort von lediglich vier auf rund 25 Prozent. Danach hat sich die Mietbelastung in Ost- und Westdeutschland annähernd parallel entwickelt, wobei sie in Ostdeutschland durchgängig geringer war. In welchem Umfang die Mietpreisbremse, die 2015 für Neu- und Wiedervermietungen in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt eingeführt und 2019 verschärft wurde, die leicht rückläufige Entwicklung seit 2015 beeinflusst hat, kann auf Grundlage der verwendeten Daten nicht beantwortet werden.

Vor allem einkommensschwache Haushalte durch Mieten stark belastet

Unterscheidet man die Haushalte nach der Höhe ihrer Einkommen, zeigt sich bei der Mietbelastung der verschiedenen Einkommensgruppen ein ähnlicher Verlauf der Mietbelastung. Dazu wurden die Haushalte in fünf gleich große Gruppen, geordnet nach dem monatlichen Haushaltsnettoeinkommen, eingeteilt. Am stabilsten war die Mietbelastung für Mieter in der zweitniedrigsten und mittleren Einkommensgruppe: Zwischen 1990 und 2021 ist die Belastung für diese Gruppen um rund sieben beziehungsweise neun Prozentpunkte gestiegen. In der untersten Einkommensgruppe kam es zu den größten Schwankungen, mit dem stärksten Anstieg bis 2008. Insgesamt wuchs die Mietbelastung in dieser Gruppe von rund 24 Prozent im Jahr 1990 auf knapp 36 Prozent im Jahr 2021. Die einkommensschwächsten Haushalte gaben im Jahr 2021 im Durchschnitt 14 Prozentpunkte mehr von ihrem Einkommen für Miete aus als die einkommensstärksten.

Einpersonenhaushalte und Alleinerziehende haben deutlich höhere Mietbelastungen

Ähnliche Unterschiede ergeben sich, wenn Haushalte nicht nach ihren Einkommen, sondern nach der Zahl ihrer Mitglieder und Kinder unterschieden werden. Für Einpersonenhaushalte liegt die Mietbelastung deutlich über dem Durchschnitt. Im Jahr 2021 betrug die Mietbelastung für diese Haushalte rund 30 Prozent. Zum Vergleich: Die durchschnittliche Mietbelastung für alle Haushalte betrug rund 27 Prozent. Spürbar niedriger ist die Belastung für Haushalte mit zwei Erwachsenen, also Paaren ohne Kinder, und Familien mit Kindern. Diese Haushalte gaben im Jahr 2021 rund 21 beziehungsweise 23 Prozent ihrer Einkommen für die Miete aus.

Anteil der Haushalte mit besonders hoher Belastung im Gegensatz zum Sozialwohnungsanteil gestiegen

Ein zusätzlicher Indikator für die Verteilung der Mietbelastung ist der Anteil der Miethaushalte mit einer Mietbelastung von mehr als 40 Prozent (Überbelastung) an der Gesamtzahl der Miethaushalte. Der Vergleich mit dem Anteil der Haushalte, die in Sozialwohnungen leben, zeigt, dass die staatliche Unterstützung gerade in diesem Bereich abgenommen hat. Im Gegensatz zu der Sozialmieterquote steigt die Überbelastungsquote über die Zeit und liegt seit 2002 über der Sozialmieterquote. Im Jahr 2021 war sie annähernd doppelt so hoch. Gründe hierfür liegen nicht nur in steigenden Mieten, sondern vor allem auch im Rückgang der Sozialwohnungen. Während es Ende der 1980er Jahre noch rund vier Millionen Sozialwohnungen gab, belief sich ihre Zahl Ende 2022 auf rund eine Million.

Regionale Unterschiede: Im Osten geringere Belastung, Städte stärker betroffen

Mit Blick auf die regionale Verteilung der Mietbelastung ergibt sich das folgende Bild: In Ostdeutschland sind die Belastungen tendenziell geringer als in Westdeutschland, in den Metropolen sind sie besonders hoch.

Beim Vergleich von statistischen Regionen und Regierungsbezirken beträgt der maximale Unterschied rund neun Prozentpunkte (Regierungsbezirk Köln 30,7 Prozent und statistische Region Chemnitz 21,6 Prozent). Unter den Großstädten stechen München und Berlin mit Mietbelastungsquoten für Dreizimmerwohnungen im Stadtzentrum von jeweils rund 37 und 36,7 Prozent heraus. Für kleinere Wohnungen und Wohnungen außerhalb des Stadtzentrums fallen die Belastungen geringer aus. In Berlin etwa beträgt die Belastung für eine Dreizimmerwohnung außerhalb des Stadtzentrums nur rund 26 Prozent.

Fazit: Sozial besser justierte Instrumente notwendig

Zu Beginn der 1990er Jahren war die Mietbelastung sowohl in West- als auch in Ostdeutschland deutlich niedriger als heute. Sie wuchs in den 1990er Jahren in den ostdeutschen Bundesländern besonders stark, da die Mieten dort unmittelbar nach der Wiedervereinigung noch sehr niedrig waren. Seit etwa 2005 stagniert die Mietbelastung weitgehend und ist seit 2015 sogar leicht rückläufig. Steigende Einkommen und die Wirkung der Mietpreisbremse sind mögliche Erklärungen für diesen Rückgang. Auch verringerte Umzugsquoten aufgrund stark steigender Angebotsmieten können hier einen Einfluss haben.

Niedrige Einkommensgruppen werden durch die Miete deutlich stärker belastet als hohe Einkommensgruppen. Die einkommensschwächsten 20 Prozent in Deutschland zahlten im Jahr 2021 im Durchschnitt rund 36 Prozent ihres Einkommens für Miete, die einkommensstärksten nur rund 22 Prozent. Auch Einpersonenhaushalte weisen in Deutschland überdurchschnittliche Mietbelastungen auf.

Stark belastete Gruppen – vor allem solche mit einer Mietbelastungsquote von mehr als 40 Prozent – sollten bei politischen oder regulativen Eingriffen besonders berücksichtigt werden. Die Stärkung des sozialen Wohnungsbaus und Erhöhungen des Wohngeldes können zielgerecht wirken. Ersteres kann allerdings nur mittel- bis langfristig eine Verbesserung bringen. Erhöhungen des Wohngelds können hingegen die betroffenen Haushalte schnell entlasten.

Die Einschränkung bestehender Ausnahmen bei der Mietpreisbremse, etwa bei der Vermietung möblierter Wohnungen oder bei Vermietungen auf Zeit, oder zusätzliche Mietpreiskontrollen können weitere Mietsteigerungen eventuell begrenzen, eine gezielte Unterstützung besonders belasteter Haushalte stellen sie allerdings nicht dar. Zudem können diese Instrumente auch zu einer Reihe von Nebeneffekten führen. Hier sollten alle relevanten Auswirkungen möglicher Maßnahmen abgeschätzt werden. Aufgrund der räumlichen Disparitäten in der allgemeinen Entwicklung der Wohnungsmärkte und der Miet- und Wohnkostenbelastung wäre es empfehlenswert, lokalen Entscheidungsträgern mehr Handlungsspielraum für geeignete Maßnahmen zu eröffnen.

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