Jenseits von Bilbao
Erscheinungstermin: Februar 2018
Herausgeber: Technische Universität München; Lehrstuhl für Raumentwicklung
In der spanischen Stadt Bilbao führte das Guggenheim-Museum des Star-Architekten Frank Gehry zu einem wirtschaftlichen Boom. Auf diesen „Bilbao-Effekt“ hoffen viele Stadtplaner und Politiker. Durch attraktive Bauten wollen sie ihre Stadt ökonomisch und sozial besser positionieren. Forscherinnen und Forscher untersuchten anhand von drei Gebäuden, ob die erhofften Effekte auch eintreten.
Ein Team des Lehrstuhls, der HafenCity Universität Hamburg und der Technischen Universität Berlin hat daher drei Fallbeispiele untersucht: das Kunsthaus Graz, das Kultur- und Kongresszentrum Luzern (KKL) und das Wissenschaftszentrum phaeno in Wolfsburg. Da diese Bauwerke bereits seit über 15 Jahren bestehen, können auch Langzeitauswirkungen beobachtet werden.
Positive Effekte, aber keine Neupositionierung
Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen analysierten das Zusammenspiel von wirtschaftlichen Faktoren, der Gestaltung der Gebäude und der gesellschaftlichen Effekte. Sie fanden heraus, dass die Projekte zwar positive ökonomische Effekte haben, wie zum Beispiel die Erweiterung der touristischen und kulturellen Angebote, diese aber nicht zu einer deutlichen Neupositionierung führen.
Einen kausalen Zusammenhang zwischen den ökonomischen Effekten der Projekte und den sozioökonomischen Veränderungen, etwa auf dem Arbeitsmarkt oder im Tourismus konnten sie nicht feststellen. Auch seien nicht alle wirtschaftlichen Effekte sofort sichtbar, erklärt Dr. Nadia Alaily-Mattar, Projektleiterin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Raumentwicklung. „In Wolfsburg ist mit der Realisierung von phaeno das Selbstbewusstsein der Politiker und der lokalen Verwaltung gestiegen.“ Dieser soziale Effekt könne langfristig auch positive ökonomische Effekte auf die Stadt haben.
Die Architektur nicht vernachlässigen
In allen drei Fällen beobachteten die Forscherinnen und Forscher eine Verschiebung der räumlichen Relationen der Stadt. In Graz bildet das Kunsthaus eine Brücke, die zuvor getrennt wahrgenommene und sozial unterschiedlich bewertete Stadtteile verbindet. In Luzern verstärkt das KKL die Verschmelzung von Landschaft und Stadt. In Wolfsburg hatte das phaeno einen ähnlichen Effekt: Das Areal gegenüber vom Hauptbahnhof hatte zwar eine große Bedeutung für die Stadt, war aber eher unbelebt und unausgelastet. Durch das phaeno wurde es in die restliche Stadt integriert.
Diese strukturellen Veränderungen sind die nachhaltigsten Effekte der Projekte, betont Alaily-Mattar. Wirtschaftliche und sozio-kulturelle Wirkungen könnten oft temporär und vergänglich sein. „Morphologische Effekte sind eher stabil und weniger vom ‚Star-Faktor‘ abhängig. Das Bestreben von Stadtplanern und Politikern nach dem Erzielen einer Wirkung durch Star-Architektur darf den Beitrag der Architektur nicht vernachlässigen. Neben ökonomischen und soziokulturellen Effekten ist der Einfluss von Star Architektur auf die Stadt auch räumlich.”
Das Projekt wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG gefördert.
Alle Präsentationen und Audiopodcasts der Vorträge sind hier verfügbar.