15.03.2023

Residential Report

Wohneigentum zunehmend unerschwinglich; frei finazierter Wohnwohnungsbau kaum mehr rentabel

Erscheinungstermin: März 2023

Herausgeber: BNP Paribas Real Estate

2022 war ein Jahr der Umbrüche, die sich auch auf die Entwicklung des deutschen Wohnimmobilienmarkt niedergeschlagen hat. BNP Paribas analysiert im "Residential Report Germany 2023" die konkreten Auswirkungen auf den Miet- und Eigentumswohnungsmarkt,achaut auf den aktuellen den Stand bei den Bauaktivitäten in Deutschland und nimmt die Wohnungsmärkte Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, Köln, München, Stuttgart, Dortmund, Dresden, Essen und Leipzig gesondert in den Fokus.

Die Rahmenbedingungen auf den Wirtschafts- und Kapitalmärkten haben sich im vergangenen Jahr fundamental geändert. Auch das Umfeld für die Wohnungsmärkte hat sich stark gewandelt. Der russische Angriffskrieg, Lieferkettenengpässe und Nachholeffekte nach der Corona-Krise führten zu einem starken Anstieg der Inflation. Um dem entgegenzuwirken, hat die EZB die Zinsen 2022 viermal kräftig um jeweils 50 bzw. 75 Basispunkte angehoben. Infolgedessen sind die Finanzierungskosten für Immobilieninvestments erheblich gestiegen. So verteuerten sich die von Banken neu begebenen Hypothekendarlehen an Privathaushalte (Zinsbindung über 10 Jahre) im Durchschnitt von Januar (1,3 %) bis Dezember (4,3 %) um 310 Basispunkte. Dies spiegelt sich auch in der Nachfrage nach Hypothekendarlehen eindrucksvoll wider: Bewegten sich die Neugeschäftsvolumina für Hypothekendarlehen mit Zinsbindung über 10 Jahre zwischen Januar und März noch zwischen 12,2 und 15,8 Mrd. € pro Monat, sank das Neugeschäft im Dezember deutlich auf nur noch rund 4,8 Mrd. € ab.

Finanzielle Belastung durch Eigentumserwerb oder Miete differiert stark
Die stark gestiegenen Finanzierungskosten bekamen nicht nur institutionelle Investoren zu spüren. Ein durchschnittlicher Privathaushalt kann in A-Städten die finanzielle Belastung durch den Erwerb einer Neubauwohnung (80 m²) praktisch nicht mehr stemmen. Bei einer Finanzierung über Fremdkapital (Vollfinanzierung inkl. Erwerbsnebenkosten, 2 % Tilgung) betrug die durchschnittliche monatliche Belastung im Jahr 2022 35,10 €/m². Für gewöhnlich werden 30 % des Haushaltseinkommens für Wohnen als finanziell tragbare Grenze angesehen. Dies entspricht bei 80 m² rechnerisch rund 16,20 €/m².

Zwischen 2015 und 2021 war die finanzielle Belastung für Eigentumserwerb zwischen 3,00 und 6,10 €/m² höher als die Mietbelastung. 2022 ist die Differenz zwischen Kaufen und Mieten (mit 17,80 €/m²) deutlich größer geworden. Damit ist im Neubausegment das Wohnen zur Miete (gut 17 €/m²) für Haushalte mit durchschnittlicher Kaufkraft quasi alternativlos.

Stark gestiegene Grundstücks- und Herstellungskosten zusätzliche Kostentreiber
Die in den letzten Jahren stark gestiegenen Grundstückskosten sind ein erheblicher Kostentreiber für den Neubau. Während die Grundstückskosten in Großstädten zwischen 2015 und 2022 rund 62 % zulegten, ist in den A-Städten mehr als eine Verdoppelung (+147 %) ggü. 2015 zu verzeichnen.

Auch die Herstellungskosten, die den größten Kostenblock im Neubau ausmachen, sind ggü. 2015 um rund 57 % angestiegen. Insbesondere gegenüber 2021 haben die durchschnittlichen Herstellungskosten für eine Standardwohnung mit +16 % auf aktuell 4.070 € je m² Wohnfläche besonders deutlich zugelegt. Zusammen mit den ebenfalls stark gestiegenen Grundstückskosten, gerade in den A-Städten, haben die Gesamtkosten im Neubau einen erheblichen Preisauftrieb erfahren. Die neuen, geänderten Vorzeichen (anhaltend hohe Material- und Energiepreise sowie steigende Lohnkosten) lassen einen (deutlichen) Rückgang der Herstellungskosten in den kommenden Jahren sehr unwahrscheinlich erscheinen.

Wirtschaftliche Miete übersteigt Angebotsmiete erstmals deutlich
Vor dem Hintergrund der bereits skizzierten veränderten Situation für den Erwerb von Eigentumswohnungen durch die deutlich gestiegene finanzielle Belastung und infolgedessen einer Angebotsverschiebung von Kaufinteressenten hin zum Mietwohnungsmarkt stellt sich einmal mehr die Frage nach der ökonomischen Rentabilität für Neubau im Mietwohnungsmarkt. Die wirtschaftliche Miete, die für Projektentwickler ökonomisch realisierbar ist, setzt sich aus Grundstücks- und Herstellungskosten (inkl. Risk & Profit) zusammen. Diese lag in A-Städten in den letzten Jahren rechnerisch im Durchschnitt zwischen 14,70 €/m² (2016) und 16,10 €/m² (2021).

Die wirtschaftliche Miete lag 2016 nahe der Angebotsmiete und zwischen 2017 und 2021 jeweils knapp darunter. Der Bau von Mietwohnungen war somit in diesen Jahren rentabel. 2022 haben sich jedoch die Vorzeichen fundamental geändert. Damit Neubau in den A-Städten weiterhin rentabel ist, müssten im Durchschnitt 21,70 €/m² Miete angepeilt werden. Die Angebotsmiete lag im vergangenen Jahr mit rund 17,90 €/m² (arithm. Mittel) allerdings deutlich darunter.

Auch wenn diese Berechnung recht modellhaft bleibt, da sie auf den durchschnittlichen Grundstückskosten, Herstellungskosten und Angebotsmieten basiert, verdeutlicht sie dennoch die Notwendigkeit weiter steigender Mieten für den frei finanzierten Wohnungsneubau. Die hohe wirtschaftliche Miete macht es aktuell für Projektentwickler schwer, rentabel zu arbeiten.

Rückläufige Baugenehmigungen und Wohnungsbauaufträge
Das Dilemma aus erhöhten Finanzierungskosten auf der einen und erheblich gestiegenen Grundstücks- und Baukosten auf der anderen Seite sorgte sowohl bei institutionellen als auch bei privaten Investoren für eine deutliche Abschwächung der Nachfrage. Die gesunkene Nachfrage zeigt sich in der Anzahl der genehmigten Wohneinheiten. Für das Gesamtjahr 2022 lagen die Baugenehmigungen sehr wahrscheinlich in der Nähe des Durchschnitts der letzten Jahre (rund 336.000). Spätestens jedoch seit September 2022 ist Monat für Monat ein stetiger Rückgang der Baugenehmigungen zu verzeichnen.

Auch die Baufertigstellungen verzeichnen einen Rückgang auf deutlich unter 300.000 fertiggestellte Wohneinheiten.

Der beschriebene Rückgang der Baugenehmigungen hat sich bei der Auftragsentwicklung im Baugewerbe schon deutlich früher im Jahresverlauf gezeigt. So war bereits seit April 2022 jeden Monat ein Rückgang der Aufträge für den Wohnungsbau zu verzeichnen.

Nachfrageüberhang im Mietwohnungsmarkt weiter steiend

Auch 2022 wird somit das von der Bundesregierung avisierte Ziel der Baufertigstellung von 400.000 Wohneinheiten wieder deutlich verfehlt.

Der Rückgang der Baugenehmigungen und der Aufträge im Wohnungsbau im Verlauf des vergangen Jahres sowie der Rückstellung bzw. Stornierung einiger Bauprojekte (insbesondere in frühen Bauphasen) führten zu einem weiteren Anstieg des Bauüberhangs (genehmigte, jedoch nicht fertiggestellte Bauprojekte).

Eine Verbesserung der Angebotsseite ist somit kurzfristig (unter gleichbleibenden Rahmenbedingungen) nicht absehbar.

Neben den skizzierten Bewegungen weg vom Eigentum hin zur Miete wirken insbesondere ein prognostiziertes Bevölkerungswachstum in den besonders begehrten deutschen Groß- und Studentenstädten bis 2035 sowie ein erheblicher Nachfrageschub durch Kriegsflüchtlinge nachfragebelebend. Daneben dürfte sich auch der Trend zu kleineren Haushalten weiter fortsetzen. Insgesamt ist also mit einem weiteren Anstieg der Haushalte zu rechnen.

Weiter robustes Mietpreiswachstum erwartet

Weiter rückläufige Baufertigstellungen, zusätzliche Nachfrage durch Geflüchtete und eine gewisse Verschiebung der Nachfrage vom Eigentumswohnungsmarkt hin zu den Mietwohnungsmärkten sprechen mittelfristig für einen anhaltenden Anstieg der Mietpreise.

Kurzfristig dürften zwar die hohe Inflation und die stark gestiegenen Energiekosten das weitere Mietpreiswachstum dämpfen. Aktuell zeichnen sich jedoch auch schon erste Zweitrundeneffekte, insbesondere getrieben durch deutlich höhere nominale Lohnforderungen und -zuwächse, ab. Das bedeutet, dass die Erschwinglichkeit von Wohnraum sich nicht verschlechtern dürfte, sofern die Mieten den Lohnzuwächsen nicht enteilen.

Voraussichtlich wird in den kommenden Jahren jedoch stärker als bislang eine Differenzierung bei der Mietpreisentwicklung zwischen den unterschiedlichen Standorten und Marktsegmenten stattfinden. Auf der einen Seite werden sich insbesondere in den besonders begehrten Groß- und Schwarmstädten Angebotsengpässe weiter verfestigen, sodass auch mittelfristig von steigenden Mieten ausgegangen werden kann. Auf der anderen Seite waren 2022 die höchsten Mietpreiszuwächse sowohl im Bestand (+4,9 %) und insbesondere im Neubau (+8,1 %) in den Mittelstädten zu beobachten. Ob sich diese Anzeichen von Nachholeffekten in Zukunft verstetigen, dürfte allerdings abzuwarten bleiben.

Wohnimmobilien bleiben attraktive Assetklasse

Nicht auszuschließen bleibt, dass sich in absehbarer Zukunft der Trend zu einem höheren Wohnflächenverbrauch aufgrund deutlich steigender Mieten wieder umkehren wird und die Bezahlbarkeit von Wohnraum über einen geringeren Flächenverbrauch verbessert wird. Nach wie vor ist die Preisfindungsphase im Wohnimmobilienmarkt noch nicht abgeschlossen. Festzuhalten bleibt, dass Wohnungen für private wie für institutionelle Investoren eine attraktive Anlage bleiben. Dafür sprechen der persistente Nachfrageüberhang, die stärker als bislang erkennbaren Mietsteigerungspotenziale und eine gewisse Inflationsabsicherung.

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