Erzeugung und Vermarktung elektrischer Energie
Erscheinungstermin: Dezember 2015
Herausgeber: Institut Wohnen und Umwelt GmbH (IWU)
Die Anforderungen der Energiewende (Effizienzsteigerung bei der Wärme‐ und Stromerzeugung, Ausbau
der regenerativen Energien) und der Wunsch, der Mieterschaft verlässliche Nebenkosten inklusive Haushaltsstrom
anbieten zu können, führt dazu, dass sich Wohnungsunternehmen mit der Versorgung der eigenen
Mieterschaft mit dem selbsterzeugten Strom beschäftigen. Sie beginnen somit ihr Kerngeschäft, die
Errichtung und Vermietung von Wohnraum zu erweitern, wenn sie für Wärme‐ und Stromerzeugung Blockheizkraftwerke
oder Photovoltaik‐Anlagen einsetzen. Die kontinuierliche Verringerung der Einspeisevergütung
für PV‐Strom und die reduzierte Gesamtvergütung aus Kraft‐Wärme‐Kopplung durch den abgesunkenen
Börsenstrompreis macht die Volleinspeisung jedoch zunehmend unattraktiv. Ein Ausweg kann Mieterstrom
sein, bei dem die im Gebäude erzeugte elektrische Energie ohne Nutzung des Netzes der allgemeinen
Versorgung innerhalb des Hauses an die Mieter geliefert wird. Dadurch kann das Wohnungsunternehmen
oder ein Kooperationspartner den Strom günstiger anbieten und gleichzeitig steigert sich die Wirtschaftlichkeit
für den Investor – Mieterstrom bietet somit die Chance auf eine Win‐Win‐Situation für Vermieter
und Mieter.
Allerdings steigen durch Mieterstrom die Anforderungen an das Wohnungsunternehmen, da die Belieferung
von Letztverbrauchern zu einer Einstufung als Energieversorgungsunternehmen führt. Außerdem kann
der Stromverkauf auch steuerliche Konsequenzen für das Wohnungsunternehmen haben. Die Frage der
Wirtschaftlichkeit sowie die energiewirtschaftlichen und steuerlichen Anforderungen haben bisher dazu
geführt, dass Anlagen, die elektrische Energie aus regenerativen Energien oder in effizienter Kraft‐Wärme‐
Kopplung erzeugen, werden nur vereinzelt realisiert wurden. Bislang sind die Rahmenbedingungen, d. h.
die energie‐ und betriebswirtschaftlichen, die steuerlichen bis hin zu den organisatorischen und juristischen
Rahmenbedingungen für die Stromversorgung von Mietern durch Wohnungsunternehmen schwierig und
nicht auf das Modell Mieterstrom angepasst. Außerdem erhöht sich der Aufwand gegenüber der reinen
Wärmeversorgung von Gebäuden.
Die vorliegende Untersuchung beschäftigt sich mit der Umsetzung von Mieterstrom durch die institutionelle
Wohnungswirtschaft. Dazu werden zu Beginn die energiewirtschaftlichen und unternehmenssteuerlichen
Aspekte, aber auch die Vorteile durch die Nutzung der Kundenanlage zur Belieferung der Mieter dargestellt.
Es schließt sich eine Erläuterung der unterschiedlicher Betriebs‐ und Vertriebsmodelle für elektrische Energieerzeugungsanlagen
bzw. des erzeugten Stroms mit den jeweiligen Vor‐ und Nachteilen an. Die Bandbreite
reicht von der Volleinspeisung, über den begrenzten Eigenverbrauch für Hilfs‐ und Betriebsstrom bis zum
Stromverkauf an die Mieter. Bei letzterem können die Wohnungsunternehmen zwischen verschiedenen
gesellschaftsrechtlichen Formen wählen. Die Vermarktung unmittelbar durch das Wohnungsunternehmen
ist noch die Ausnahme, regelmäßig wird eine Tochter gegründet oder mit einem Energiedienstleister kooperiert.
Eine weitere technische Herausforderung stellen die Zählerkonzepte dar, mit denen vor allem
dem Anspruch auf die freie Wahl des Stromanbieters Rechnung getragen werden muss.
Experteninterviews aus der Wohnungs‐ und Energiewirtschaft illustrieren deren konkrete Herangehensweise
an die Mieterstrommodelle. Alle begründen ihr Interesse am Mieterstrom mit der Erwartung ein neues
Geschäftsfeld zu entwickeln, welches sowohl den Klimazielen als auch den Mieterinteressen an stabilen
Wärme‐ und Strompreisen dient. Alle bestätigen die Herausforderungen bei der Umsetzung, die sich aus
den beschriebenen Rahmenbedingungen ergeben. Gemeinsam mit den Experten sind Schlussfolgerungen
für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen erarbeitet worden sowie Empfehlungen zur stärkeren Verbreitung
des Mieterstroms.
Die Einschätzung der Experten wurde durch eine Online‐Umfrage, an der sich über 100 Unternehmen beteiligt
hatten, auf eine breitere Basis gestellt. Etwa die Hälfte der teilnehmenden Unternehmen hat bereits
Stromerzeugungsanlagen installiert, 20 Unternehmen bieten bereits Mieterstrom an. Häufig geschieht dies
in Kooperation mit Partnern, die Bandbreite der Modelle ist jedoch groß. Die meisten sind mit der Teilnahmequote
zufrieden und möchten weiterhin Mieterstrom anbieten. Als wesentliche Hemmnisse wurden,
ähnlich wie bei den Experteninterviews, die häufig sich ändernden rechtlichen Regelungen genannt.
Berechnungen zu den Auswirkungen der Stromerzeugung im Gebäude auf die Energiebilanz nach Energieeinsparverordnung
(EnEV) und dem Erneuerbare Energien Wärmegesetz (EEWärmeG) sowie für die Anforderungen
an die Gebäudehülle zeigen, dass stromerzeugende Anlagen einen nennenswerten Einfluss auf
die Energiebilanz besitzen. Dies führt einerseits zu einer Verschlechterung bei der Gebäudehülle führt.
Gleichzeitig zeigen die Berechnungen aber auch, dass die Heizkosten der Mieter wesentlich durch den
Wärmeschutz des Hauses bestimmt werden.
Mieterstrom wird sich nur durchsetzen, wenn dessen Wirtschaftlichkeit gewährleistet ist. Um die Frage der
Wirtschaftlichkeit exemplarisch zu beantworten, wurden unterschiedliche Versorgungsvarianten ökonomisch
bewertet. Es zeigt sich, dass die gebündelte Lieferung von Wärme und Strom den Mietern eine finanzielle
Entlastung ermöglicht und gleichzeitig auch der Wärme‐ und Stromlieferant eine attraktive Marge
erzielen kann. Contractoren können bei gleichzeitiger Strom‐ und Wärmelieferung höhere Deckungsbeiträge
als Wohnungsunternehmen realisieren. Geben Contractoren den Vorteil teilweise an die Mieter weiter,
können die ortsüblichen Preise z. T. deutlich unterboten werden. Für Wohnungsunternehmen kann die
Beauftragung eines Contractors deshalb eine interessante Option sein. Die Berechnungen zeigen auch, dass
eine Teilnahmequote von 70 % beim Summenzählermodell mit virtuellen Zählpunkten optimale Deckungsbeiträge
für den Lieferanten ermöglicht.
Wichtigste Empfehlung an die Politik zur Unterstützung von Mieterstrom und damit der regenerativen oder
hocheffizienten Energieerzeugung ist, dass gesetzliche Rahmenbedingungen und Förderung über mehrere
Jahre planbar sein sollten. Dies ergab sich sowohl aus den Expertenbefragungen als auch aus der Online‐
Umfrage. Auch sollten Messkonzepte mit Summenzähler und virtuellen Zählpunkten vereinfacht werden,
bisher müssen diese oft noch mit dem Netzbetreiber ausgehandelt werden.
Abschließend werden eine Reihe von Vorschlägen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen formuliert,
die z. B. Wohnungsunternehmen mit Mieterstromangeboten aus dem Anwendungsbereich des Energiewirtschaftsgesetzes
ausklammern, Mieterstrom als Eigenversorgung einstufen, Verbesserungen beim Steuerrechte
für Wohnungsunternehmen ermöglichen würden oder Mieterstrom als Bestandteil der Betriebskosten
einordnet.