Akute Herausforderungen und Chancen in Deutschland und Europa
Erscheinungstermin: Oktober 2022
Herausgeber: bulwiengesa
Auf dem Markt für Logistikimmobilien hält die hohe Bautätigkeit weiter an. Sie lässt für das laufende Jahr mit rund 5,8 Mio. qm und einer Steigerung um 9,4 % im Vergleich zum Rekord-Vorjahr (5,3 Mio. qm) einen neuen Höchstwert für neu fertiggestellte Logistikflächen erwarten. Die Spitzenmieten an den größten deutschen Logistikstandorten sind um 3,8 % bis 8,6 % auf 6,50 bis 8,20 Euro/qm gestiegen. Die gegenwärtigen Entwicklungen auf dem Investment- und Finanzierungsmarkt haben dazu geführt, dass die Renditekompression der Logistikimmobilien zum Erliegen gekommen ist. Und nicht nur das: In den wichtigsten Logistikregionen wurde bereits ein leichter Anstieg der Renditen um 20 bis 30 Basispunkte erkennbar.
Dies sind die wichtigsten Ergebnisse der neuen Studie „Logistik und Immobilien 2022“, die bulwiengesa bereits zum achten Mal in Folge in Partnerschaft mit der Berlin Hyp AG, BREMER AG, GARBE Industrial Real Estate GmbH (GARBE) und der Savills Immobilien-Beratungs GmbH (Savills) veröffentlicht hat. Für die Untersuchung wurden die Daten von über 2.900 bestehenden, im Bau befindlichen und geplanten Logistikobjekten ausgewertet.
Jedoch dürfen die Zahlen nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um eine Momentaufnahme handelt. Das Marktumfeld ist unsicher und von Zurückhaltung geprägt. Die Finanzierungs- und Baukosten steigen dynamisch, der Fachkräftemangel bleibt akut, die gestiegenen Energiekosten belasten die Unternehmen in Industrie und Logistik immens und geopolitische Verwerfungen lassen die Konjunktur schwächeln. Das Risiko von kurz- bis mittelfristigen Preiskorrekturen steigt.
Neubau
Nach der pandemiebedingten Zäsur im Jahr 2020, als das Logistikflächen-Fertigstellungsvolumen von über 4,8 auf gut 3,7 Mio. qm einbrach, kam 2021 mit 5,3 Mio. qm so viel neue Fläche auf den deutschen Markt wie nie zuvor. Die aktuelle Projektpipeline ist gefüllt, sodass 2022 mit 5,8 Mio. qm ein erneuter Rekordwert erwartet wird, trotz der gegenwärtigen Unsicherheiten bei den Projektentwicklungen. Die drei in den Jahren 2022/2023 aktivsten Logistikflächen-Projektentwickler sind Panattoni (über 1,8 Mio. qm), gefolgt von GARBE (über 1 Mio. qm) und der Dietz AG (rund 0,88 Mio. qm). Auffällig ist, dass sich die in den Jahren zuvor äußerst aktive Goodman Group beim Neubau zuletzt relativ stark zurückgehalten hat, ebenso wie die Amazon Group, die 2022 keine neuen Flächen fertiggestellt hat.
Bei Betrachtung der Fertigstellungen im Zeitraum 2017 bis 2022 bleibt der Großraum Berlin (2 Mio. qm) Spitzenreiter unter den großen deutschen Logistik-Standorten. Die Region Rhein-Ruhr verteidigt mit 1,7 Mio. qm Platz zwei. Der Region Hannover/Braunschweig (ca. 1,5 Mio. qm) gelang durch große Entwicklungen, wie dem Panattoni Park Niedersachsen oder dem VGP Park Laatzen, der Sprung vorbei an der Region Rhein-Main/Frankfurt auf Platz drei. Eine Verbesserung der Platzierung um zwei Stufen, auf Rang sechs, gelang der Region Halle/Leipzig, die nun ein Entwicklungsvolumen von fast 1,3 Mio. qm verbucht.
Investmentmarkt
Auf dem Investmentmarkt für deutsche Logistik-, Unternehmens- und Industrieimmobilien erreichte das Investmentvolumen 2021 mit 11,6 Mrd. Euro ein neues Allzeithoch. Investments in Logistikimmobilien erreichten dabei mit rund 7 Mrd. Euro bzw. 60 % den größten Anteil; im ersten Halbjahr 2022 waren es 2,7 Mrd. Euro. Allerdings sorgten gestiegene Finanzierungskosten und zunehmende wirtschaftliche Unsicherheiten bereits im zweiten Quartal 2022 für eine leichte Zurückhaltung auf dem Transaktionsmarkt. In den Top-Logistikregionen war dieses am Anstieg der Spitzenrenditen um rund 20 bis 30 Basispunkte ablesbar. Das betrifft vor allem das absolute Core-Segment, in dem die bisherigen Kaufpreise zu Jahresmietenfaktoren von über 30 zu den derzeitigen Konditionen nicht mehr finanzierbar sind.
Auch im diesjährigen Ranking bleibt GARBE mit fast 2,9 Mrd. Euro Spitzenreiter unter den aktivsten Logistik-Investoren, Frasers Property folgt mit einigem Abstand auf Platz zwei mit 1,7 Mrd. Euro, danach die jüngst deutlich aktivere LIP Invest mit etwas über 1,5 Mrd. Euro (Betrachtungszeitraum von 2017 – 2022). Mit einem Anteil von rund 60 % engagieren sich mehrheitlich deutsche Investoren im deutschen Logistikimmobilienmarkt. Bezogen auch hier auf den Fünfjahreszeitraum konnte Berlin unter den beliebtesten Investmentzielen die Logistikregion Rhein-Main/Frankfurt vom ersten Platz verdrängen. 2,5 Mrd. Euro wurden dort in den vergangenen fünf Jahren investiert, vor allem im Jahr 2021. Für 2022 ist das Transaktionsvolumen in Berlin aufgrund weniger Angebote bislang gering. Die Region Rhein-Main/Frankfurt liegt nun mit rund 2,2 Mrd. Euro auf Platz zwei. An dritter Stelle folgt mit knapp 2,2 Mrd. Euro Dortmund. Besonders aktiv waren die Investoren zuletzt im ersten Halbjahr 2022 in den Regionen Rhein-Main/Frankfurt, Rhein-Neckar und Düsseldorf.
Top-Themen Krisenresilienz und Nachhaltigkeit
Neben der aktuellen Marktsituation ist auch die Reaktion des Logistikimmobilienmarktes auf die durch Covid-Pandemie und Ukraine-Krieg gestörten Lieferketten Thema der Studie. Aktuell erhöhen die Unternehmen ihre Krisenresilienz, indem sie ihre Lieferketten diversifizieren und sich eine Rückfallebene schaffen durch die Anmietung zusätzlicher Flächenreserven. Das mit steigenden politischen Konflikten krisenanfälligere Offshoring wird zunehmend durch Re- und Nearshoring ersetzt. Dafür eignen sich Märkte mit im europäischen Vergleich geringen Lohn- und Energiekosten oder eher unregulierten Arbeitsmärkten. Diese Vorteile wurden ursprünglich in Asien gesucht. Süd- und Osteuropa, aber auch die Türkei oder der Norden Afrikas können von einer Neuordnung der Logistik profitieren.
Sollte es zu einem Anstieg des Nearshoring kommen, könnten jene Märkte, die am meisten davon profitieren, ein überdurchschnittliches Mietwachstum erwarten. Vorausgesetzt ihre Leerstandsraten und Entwicklungspipelines bleiben niedrig.
Neben der höheren Krisenresilienz bleibt Nachhaltigkeit im Markt für Logistikimmobilien weiter ein bestimmendes Thema. Neue technische Lösungen, zum Beispiel bei der Energieversorgung, sind hierbei zunächst oft deutlich teurer als der Standardbau. Explodierende Energiepreise und ungewollte Versorgungsabhängigkeiten relativieren das Kostenargument jedoch.
Immobilien, die die laufend steigenden Anforderungen an Nachhaltigkeit verfehlen, müssen mit einer sinkenden Marktfähigkeit rechnen. Hinsichtlich der CO2-Emissionen lässt sich das bereits recht exakt voraussehen. Hier wird es wichtig sein, die entsprechenden Objekte genau zu analysieren und ggf. Ertüchtigungsprogramme anzustoßen.