Steht Deutschland vor einer Non-Performing-Loan-Welle?
Erscheinungstermin: März 2024
Herausgeber: PWC
Multiple Krisen belasten die Immobilienmärkte. Allen voran der Zinsschock aber auch Inflation, die Wirtschaftsflaute, die Nachhaltigkeitsregulatorik und gestiegende Baukosten führen zu Zurückhaltung am Transaktionsmarkt und belasten die Immobilienwertentwicklung. Damit steigt auch das Risiko für einen Anstieg der Anzahl notleidender Kredite, sog. Non-Performing-Loans. Kredite werden als notleidend eingestuft, sobald es als unwahrscheinlich gilt, dass der Kreditnehmer seine Kreditverbindlichkeiten vollständig erfüllen kann oder mit seinen Zins- und Tilgungsverpflichtungen mehr als 90 Tage im Rückstand ist. Wird es angesichts der Trüben wirtschaftlichen Aussichten und der Flaute am Immobilientransaktionsmarkt vermehrt zu Non-Performing-Loans kommen? Dieser Frage geht PWC im aktuellen Whitepaper "Gewerbliche Immobilienkredite in der Krise: Steht Deutschland vor einer Non-Performing-Loan Welle?" nach.
Non-Performing-Loans: Kein Tsunami, aber stürmische Entwicklung zu erwarten
Das Volumen notleidender gewerblicher Immobilien-Kredite ist bereits 2023 um 56 Prozent gestiegen. Makroökonomische Einflussfaktoren führen zu Wertabschlägen bei Immobilien und somit auch zu erhöhten loan-to-values bzw. erhöhten Kreditrisiken – eine weitere Zunahme ist deshalb zu erwarten. Besonders gefährdet sind Projektfinanzierungen, aber auch nicht ESG-konforme Büro- und Einzelhandelsimmobilien in sekundären Lagen. Eine NPL-Verkaufswelle in den Ausmaßen der großen Finanzkrise ist allerdings nicht zu erwarten. Es herrschen wesentliche Unterschiede zur damaligen Ausgangslage.
Wesentliche Einflussfaktoren auf das NPL-Volumen
Die Zinswende der Europäischen Zentralbank (EZB), sinkende Realeinkommen und erhöhte Kosten für die Bewirtschaftung, Mieten und Finanzierung von Immobilien belasten Haushalte, Unternehmen, Mieter und Vermieter gleichermaßen. Die Nachfrage von Investoren nach gewerblichen Immobilien ist deutlich gesunken, wodurch die Preise von Immobilien fallen. Einige Assetklassen sind stärker betroffen als andere: Büroimmobilien beispielsweise leiden sehr stark unter strukturellen Veränderungen durch hohe Homeoffice-Quoten. Die Folge: Ausstehende Forderungen werden nicht mehr adäquat durch Immobilienvermögen besichert.
Inflation und Zinswende sorgen für Liquiditätsengpässe
Das rasch und signifikant gestiegene Zinsniveau verteuert Finanzierungskosten erheblich. Insbesondere bei variabel verzinslichen Krediten und auslaufenden Zinsbindungen nimmt deshalb das Kredit-Ausfallrisiko zu. Zudem verteuert die Inflation Mieten, Bewirtschaftungskosten und Baukosten. Dies schmälert die Kapitalpolster und erhöht das Risiko, dass Kredite nicht mehr refinanziert oder zurückgezahlt werden können.
Außerdem lassen steigende Zinsen andere Anlageklassen wie Staatsanleihen im Vergleich zu Immobilien wieder attraktiver werden. Insgesamt sind die Nachfrage und Preise für Immobilien, insbesondere im Gewerbebereich, spürbar gesunken.
Fallende Immobilienwerte sorgen für höhere Loan-to-values (LTV)
In den vergangenen zehn Jahren schnellten die Immobilienpreise in Deutschland auf ein Rekordniveau. Die seit der Zinswende eintretende Abwertung von Immobilien stellt die Akteure vor wachsende Herausforderungen.
In den Top-Lagen stagnierten die Preise zunächst und zeigen nun eine deutlich rückläufige Tendenz. In den B- und C-Lagen findet diese Entwicklung in beschleunigtem Tempo statt.
Projektentwickler und Mezzanine-Finanzierer
In der Vergangenheit konnten in Deutschland Projektentwicklungen mit wenig oder (fast) keinem Eigenkapital realisiert werden. Teils komplexe Finanzierungsstrukturen mit Nachrang- oder Mezzanine-Darlehen auf Ebene der Projektgesellschaften waren die Regel. Das Marktumfeld war zudem von stetig steigenden Immobilienpreisen und fast konstanten Baukosten geprägt: Nun jedoch sehen sich die Projektentwickler erhöhten Baukosten, verlängerten Bauzeiten und mangelnden Exit-Möglichkeiten gegenüber. Vermehrt sind Insolvenzen einzelner Projektgesellschaften, aber auch gesamter Unternehmen die Folge.
Vor allem Mezzanine-Finanzierer werden in solchen Situationen ihre Forderungen abschreiben müssen. Die Werthaltigkeit der Senior-Finanzierungen ist teilweise auch schon im Risiko.
Aufsichtsrecht und Regulatorik
Die regulatorischen Vorgaben für Banken in der Immobilienfinanzierung verschärfen sich: Die EBA (European Banking Authority) Guidelines zu NPLs geben Richtlinien und Empfehlungen für die Behandlung von notleidenden Krediten durch Banken in der Europäischen Union. Hinzu kommt noch die ordnungsgemäße Umsetzung von Rechnungslegungsstandards im Kreditbereich (IFRS 9).
Die Aufsichtsbehörden legten den Fokus in jüngster Vergangenheit vermehrt auf die Immobilienkreditbücher der Finanzinstitute. Das Vorgehen der Aufsicht ist somit ein treibender Faktor, der zur vermehrten Einordung von Krediten in den Status „Problem-/Intensivkredit“ und „non-performing“ führt. Die erwartbare Zunahme an NPLs wird perspektivisch zu einer Belebung der Transaktionsmärkte führen.
Home Office und Online-Shopping
Während die Nachfrage nach Büroimmobilien in Toplagen hoch bleibt, geraten diese in B- und C-Lagen zunehmend unter Druck. Hohe Qualitätsstandards, Nachhaltigkeit und Energieeffizienz werden zu Must-haves. Gut 80 Prozent der Arbeitgeber planen, ihre Büroflächen in den nächsten Jahren um über 20 Prozent zu reduzieren und den geänderten Bedürfnissen ihrer Mitarbeiter anzupassen.