Schlechte Rahmenbedingungen lähmen den Wohnungsbau und führen zu Rekordeinbruch bei den Fertigstellungen
Erscheinungstermin: Februar 2024
Herausgeber: ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V.
Quo vadis Immobilienmarkt? Auch in diesem Jahr analysierten die Immobilienweisen im vom ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V. vorgelegten Frühjahrsgutachten das gesamtwirtschaftliche Umfeld und die einzelnen Nutzungsarten in der deutschen Immobilienwirtschaft. Das Frühjahrsgutachten belegt, dass trotz geopolitischer Risiken und wirtschaftspolitischer Unsicherheit eine gesamtwirtschaftliche Aufhellung möglich ist und die Immobilienwirtschaft daran teilhaben kann. Beherztere Schritte sind erforderlich, um einen stärkeren Anreiz für Investitionen durch geringere Regulierungskosten zu schaffen, insbesondere bei energetischen Sanierungen.
Die wichigsten Ergebnisse im Überblick:
Gesamtwirtschaftliche Entwicklung
Bei einer weiterhin restriktiv ausgelegten Geldpolitik der EZB dürfte es im laufenden Jahr nur allmählich zu einer gesamtwirtschaftlichen Aufhellung kommen. Aufgrund erhöhter Baukosten und Finanzierungsschwierigkeiten durch das gestiegene Zinsniveau sind viele Bauvorhaben nicht mehr rentabel; viele werden zurückgezogen. Die Entwicklung der Auftragseingänge beim Wohnungsbau ist besorgniserregend. Hierin spiegelt sich die Investitionszurückhaltung der privaten Haushalte und Unternehmen wider, die wegen gestiegener Baukosten und ungünstigerer Finanzierungsbedingungen im Jahr 2023 weniger Bauaufträge erteilten.
Die weiteren Aussichten? Die Analysen der wirtschaftlichen Lage, der voraussichtlichen wirtschaftlichen Entwicklung und der dadurch vorgezeichneten Rahmenbedingungen für die Immobilienwirtschaft deuten auf ein weiteres schwieriges Jahr für die Branche hin. ,Survive ‘til 25′ gilt vielerorts als Schlagwort für die im Jahr 2024 bevorstehende Entwicklung. Das Augenmerk der Wirtschaftspolitik sollte deshalb auf einer Verbesserung der strukturellen Rahmenbedingungen für die Immobilienwirtschaft liegen, um Investitionen anzuregen. Dabei geht es vor allem um angebotspolitische Maßnahmen, die zugleich bei knappen öffentlichen Mitteln umsetzbar sein müssen. Zwei Ansatzpunkte bieten sich für politische Korrekturen an: die Steuerbelastung sowie Belastungen durch Regulierungen. Dabei sind die Länder das „steuerpolitische Sorgenkind”. Der Bund sollte deshalb seine Beschleunigungsmöglichkeiten, etwa die Reform des Baugesetzbuchs und der Baunutzungsverordnung, optimal nutzen. Um den Strukturwandel hin zur Klimaneutralität voranzubringen, spielt zudem die energetische Sanierung von Wohnungen eine entscheidende Rolle.
Wohnimmobilien
Das Wachstum der Wohnungsnachfrage hat sich mit Ende der Flucht-Zuwanderung aus der Ukraine stark abgeschwächt. Dennoch befindet sich der Wohnungsneubau in einer tiefen Krise – tiefer als die Zahlen zu Baufertigstellungen und Baugenehmigungen bisher zeigen. Mit dem Anstieg der Zinsen im zweiten Quartal 2022 sind fast schlagartig alle Wohnungsbauprojekte unwirtschaftlich geworden. Die Folge: praktisch ein Stopp des Wohnungsbaus, dessen Dramatik sich aktuell nur ansatzweise in den amtlichen Statistiken widerspiegelt. Die heutigen Parameter von Baukosten, Baulandpreisen, Mieten und Zinsen passen nicht zueinander. Bei den aktuellen Zinsen bedeute dies, dass entweder die Mieten steigen oder die Bau- und Bodenkosten sinken müssen. Auch eine Subventionierung des Wohnungsbaus könne zur Senkung der Kostenmiete beitragen. Weitere Chance, die Lage zu verbessern bietet das serielle und modulare Bauen.
Die Baugenehmigungen sind 2023 das zweite Jahr in Folge auf vermutlich knapp 270.000 Wohnungen gefallen. Im Vergleich zum Jahr 2021, dem Höhepunkt des vorigen Bauzyklus, entspricht dies einem Rückgang um 30 Prozent. Das Neugeschäftsvolumen für Wohnungsbaukredite hat sich sogar halbiert. 2024 ist mit einem weiteren Rückgang der Genehmigungen zu rechnen.
Büro und weitere Wirtschaftsimmobilien
Das Investmentjahr 2023 lässt die Zäsur auf den Immobilienmärkten deutlich erkennen. Zum Jahresende liegt das Transaktionsvolumen bei den Wirtschaftsimmobilien bei nur knapp 23 Milliarden Euro und damit in etwa auf dem Niveau von 2011. Im Vergleich zum Vorjahr (51,8 Milliarden Euro) ist ein Rückgang von etwa 56 Prozent zu verbuchen.
2024 ist jedoch mit einer Belebung an den Investmentmärkten zu rechnen, denn die notwendigen Preisanpassungen aufgrund des veränderten Kapitalmarktumfeldes waren zum Jahresende 2023 weitestgehend abgeschlossen. Für 2024 erwarten sind deshalb nur noch geringe Renditeanstiege zu erwarten. Aufgrund der Stabilisierung der Marktrahmenparameter ist in diesem Jahr mit einer, wenn auch langsamen, Belebung an den Investmentmärkten zu rechnen.
Büro
Die deutschen Büromärkte bewegen sich weiterhin in einem schwierigen Marktumfeld. Mit einem Rückgang von rund 74 Prozent ist das Transaktionsvolumen bei Büros am deutlichsten eingebrochen. Die Verbreitung von Remote Work hat in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen, wodurch die Notwendigkeit traditioneller Büroflächen in gewohntem Umfang in Frage gestellt wird. Die Auswirkungen der Flexibilisierung der Arbeitsorganisation auf die künftige Büroflächen-Nachfrage sind jedoch komplex und regional von der Branchenstruktur abhängig. Der Trend zu nachhaltigen und modernen Büroflächen sowie eine zunehmend team- und kollaborationsfreundlichere Raumgestaltung deuten auf eine stabile bis steigende Büroflächennachfrage.
Ausgehend von den konkreten Projektpipelines der A- und B-Städte sind kurzfristig erneut sehr hohe Fertigstellungszahlen zu erwarten. Bauträger und Projektentwickler befinden sich aber weiter im „Krisenmodus“. Mittelfristig ist von einem spürbaren Rückgang der Neubauleistung auszugehen, was sich stabilisierend auf die Leerstands-Situation auswirken wird.
Die Erwartungen für die künftige Entwicklung? Der Trend zu gut positionierten Lagen und Objekten in Verbindung mit den weiterhin hohen Baukosten und zunehmenden ESG-Anforderungen wird das Mietpreiswachstum im Spitzensegment weiter antreiben. Für Lagen und Objekte ohne entsprechende Qualitäten wird die Vermarktung deutlich schwieriger, was erhöhte Leerstands-Risiken und deutliche Abschläge auf das erzielbare Mietniveau mit sich bringt.
Unternehmensimmobilien
Geht es um die Nachfrage, dann ist die Entwicklung der Unternehmensimmobilien weiterhin vergleichsweise gut. Moderne Bestandsflächen bleiben aber knapp und Neubauflächen werden aufgrund steigender Baukosten und höherer Ausstattungsqualität teurer. Die Performance der Unternehmensimmobilien hängt vergleichsweise stark von der gesamtkonjunkturellen Lage ab.
Logistikimmobilien
Eine bevorzugte Strategie zur Erhöhung der Resilienz der Lieferketten ist die Aufstockung von Lagerbeständen, davon profitieren Logistikimmobilien.
Ein bedeutender Einfluss aus dem Bereich der Automobilindustrie wird durch die bevorstehenden Umstrukturierungen durch die Umstellung auf Elektromobilität erwartet. Die Werke der Automobilhersteller in Deutschland werden größtenteils bestehen bleiben, allerdings werden sich die Zulieferunternehmen aufgrund der deutlich unterschiedlichen Komponentenanforderungen neu ausrichten müssen. Die Lagerung von Batterien für Elektrofahrzeuge wird hier zu einer der großen Herausforderungen für die Logistikbranche. Trotzdem besteht Anlass zu Optimisus: Ein anziehendes Transaktionsgeschäft zum Jahresende sowie die Aussicht auf das Erreichen des Zinsgipfels lassen ein positives Stimmungsbild für das kommende Jahr erwarten.
Hotelimmobilien
Die touristische Nachfrage steigt wieder, die Betriebskosten steigen aber ebenso, und die Personalnot hält an. Der Hotelimmobilienmarkt verändert sein Profil zu Lasten der unprofilierten Mitte und kapitalschwacher, meist familiengeführter Unternehmen und zu Gunsten profilscharfer, nachhaltiger Konzepte. Der Hotelimmobilienmarkt wird zunehmend von Serviced Apartments geprägt, die stark wohnwirtschaftlichen Konzepten ähneln. Kennzeichnend sind größere, zur Selbstversorgung ausgestattete Apartments, die sich unter anderem an Personen wenden, die in der Regel von Sharing-Anbietern umworben werden und die für mehrere Tage und Wochen eine Unterkunft suchen.
Einzelhandelsimmobilien
Während der Blick auf die Umsätze ein eher positives Bild von der Lage des Einzelhandels gibt, offenbaren sich dramatische Veränderungen bei den Margen und Kosten. Deutliche Veränderungen der Nachfrage zeigen sich in einem zunehmenden Verkauf von preiswerteren Eigenmarken und in einem starken Zuwachs des Aktionsgeschäftes.
Dennoch gibt es auch beim Blick in das Jahr 2024 Anlass zu verhaltenem Optimismus in der Handelsbranche. Der Rückgang der Inflation wird sich wohl fortsetzen und in Kombination mit deutlich gestiegenen Löhnen werden sich die Reallöhne deutlich positiv entwickeln. Das dürfte am Ende auch die Konsumstimmung und die Umsätze im Einzelhandel begünstigen.
Nach jahrelangem Rückgang nahmen die Insolvenzen aber auch im Handel, mit einem Plus von 26 Prozent, im Vergleich zum Vorjahr zu. Die Schließung eines innerstädtischen Warenhauses war für viele Städte lange eine eher theoretische Möglichkeit, in den letzten Jahren wurde sie vielerorts Realität. Es stellt sich die komplexe Frage der Nachnutzung dieser zentral gelegenen, großflächigen Handelsimmobilien. Wenngleich Mixed-Use-Konzepte für die Städte anspruchsvoll in der Planung und Umsetzung sind, sind genau diese Konzepte oft im Hinblick auf langfristige positive Impulse für lebendige Innenstädte als besonders erfolgversprechend anzusehen.
Gesundheits- und Sozialimmobilien
Für die weiterhin angespannte Versorgungslage auf dem Pflegemarkt ist wegen der fortschreitenden Alterung der Gesellschaft offenbar auch künftig keine Entlastung zu erwarten. So besteht gleich an mehreren Punkten Handlungsbedarf. Neben der bundesweit erforderlichen energetischen Modernisierung und qualitativen Anpassung der Bestandspflegeheime ist vielerorts auch der Neubau klassischer Pflegeheime unabdingbar, um den Bedarf zu decken. Besonders stark betroffen sind die westdeutschen Flächenländer sowie die Stadtstaaten. Zudem ist bundesweit ein starker Ausbau barrierefreier Wohneinheiten und der ambulanten Pflege erforderlich.
Nur: Der Bau neuer Pflegeheime in Deutschland stagniert seit Jahren und wird mit diesem „Tempo“ nicht genug Angebote liefern, um die rasant steigende Zahl an Pflegebedürftigen in den kommenden Jahrzehnten aufnehmen zu können. Die Versorgungslücke im Pflegebereich wird sich auch im Segment der barrierereduzierten Wohnungen weiter vergrößern.