Städten droht Abwanderung von Unternehmen
Erscheinungstermin: Februar 2019
Herausgeber: ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V.
Die anhaltend hohe Nachfrage nach Wohnraum, günstige Finanzierungsbedingungen, demografische Faktoren und die insgesamt gute Wirtschaftslage lässt die Immobilienwirtschaft in Deutschland ungebrochen dynamisch wachsen. Auf dem Markt für Wirtschaftsimmobilien Deutschlands wurden nach vorläufigen Ergebnissen im vergangenen Jahr 61,1 Milliarden Euro (Berechnungsstand: Dezember 2018) umgesetzt – ein Anstieg um 5,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der größte Teil des investierten Kapitals floss mit 47,1 Prozent auch in diesem Jahr in das Segment der Büroimmobilien. Im vergangenen Jahr hat sich auch der Anstieg der Neuvertragsmieten für Wohnungen in Deutschland weiter fortgesetzt. Dieser fiel zum dritten Quartal 2018 mit 3,9 Prozent etwas stärker aus als der Anstieg im entsprechenden Vorjahreszeitraum (3,6 Prozent). Die Kaufpreise für Eigentumswohnungen sind in Deutschland im vergangenen Jahr ebenfalls weiter gestiegen (plus 8,2 Prozent). Diese Ergebnisse aus dem Frühjahrsgutachten 2019 des Rats der Immobilienweisen, hat der ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss, Spitzenverband der Immobilienwirtschaft, heute an Marco Wanderwitz, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat, übergeben.
Neubau wird in Deutschland völlig vernachlässigt
„Diese Zahlen sind Ausdruck dafür, dass sich die Lage auf vielen deutschen Wohnungsmärkten weiter anspannt“, sagt Dr. Andreas Mattner, Präsident des ZIA. „Die Anstiege sind das Ergebnis eines weiterhin zu knappen Wohnungsangebots. Die Politik setzt die falschen Signale statt die richtigen Anreize. Sie verschärft das Mietrecht, sie droht sogar vereinzelt mit Enteignungen beziehungsweise zieht willkürlich Vorkaufsrechte bei Wohn- und Wirtschaftsimmobilien – ohne die negativen Auswirkungen zu bedenken. Der Neubau wird in unserem Land völlig vernachlässigt. Dringend erforderlich wären stattdessen: die Erhöhung der linearen AfA, die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung, die Senkung der Grunderwerbsteuer, die Beschleunigung von Planungs- und Baugenehmigungszahlen. Das wären die geeigneten Instrumente für eine wirkliche Bauoffensive 2019. Keine dieser Maßnahmen findet aktuell Anwendung. Das verschlimmert die Situation für das bezahlbare Wohnen und Bauen in Deutschland“, so Mattner.
Mietpreisbremse führt nicht zu Entspannung der Märkte
Prof. Dr. Dr. Lars P. Feld von der Universität Freiburg hat im Rahmen des Frühjahrs-gutachtens 2019 die gesamtwirtschaftliche Entwicklung analysiert. Eine der Hauptursachen für die steigenden Preise und Mieten im Wohnungssegment liegt demnach in der kräftigen Nachfrage nach Wohnraum. Angebotsseitige Kapazitätseinschränkungen und fehlendes Bauland würden den Nachfrageüberhang zusehends vergrößern. Vor allem in Ballungsräumen werde die Nachfrage weiterhin nicht vom Angebot gedeckt. Maßnahmen wie die Mietpreisbremse dürften hingegen kaum nachhaltig zu einer Entspannung der Lage führen. „Als Symptombehandlung stört sie die Funktion des Preises als Signal der Knappheit und vergrößert die Unsicherheit von Mietern, Vermietern und Investoren“, so Feld.
Grundsteuer: Umlagefähigkeit sollte erhalten bleiben
Nach Ansicht von Feld sollte die Umlagefähigkeit der Grundsteuer aus finanzwissenschaftlicher Sicht jedenfalls erhalten bleiben, da ansonsten höhere Kosten für Vermieter die Investitionen in neue Wohnungen ausbremsen würden. Eine Abschaffung der Umlagefähigkeit führe dazu, dass die Grundsteuer zu einer reinen Vermögensteuer degeneriert. Zum künftigen Modell der Grundsteuer schreibt Feld: „Für die Reform der Grundsteuer bietet sich ausgehend von einem flächenorientierten Modell ein hybrides Modell durch Hinzunahme einer Lagekomponente an. Selbst pauschaliert ist die Hinzuziehung von Mieten problematisch.“
Grunderwerbsteuer: Restrukturierung des Länderfinanzausgleichs notwendig
„Vom gegenwärtigen Finanzausgleichsmechanismus gehen erhebliche Fehlanreize aus, die zu einer steten Erhöhung der Grunderwerbsteuer in den Bundesländern führen“, so Feld. Eine Restrukturierung des Länderfinanzausgleichs sollte seiner Ansicht nach diese Fehlanreize beseitigen. Darüber hinaus rufe die Grunderwerbsteuer als indirekte Steuer auf Grundvermögen bei Veräußerungen erhebliche Verzerrungen hervor. „Aus wirtschaftspolitischer Sicht sind solche verzerrenden Steuern zu vermeiden, da sie starke Nebenwirkungen haben. Bei wiederholtem Verkauf einer Immobilie wird als Bemessungsgrundlage stets der gesamte Kaufbetrag veranschlagt, wodurch es zu einer Doppelbelastung und zu Schneeballeffekten kommt. Substitutionseffekte bei der Grunderwerbsteuer sorgen für verzerrte Entscheidungen auf den Immobilienmärkten und verursachen neben der Steuerlast ökonomische Zusatzlasten.“
Baukindergeld und Sonder-AfA wirken preistreibend
Zur Förderung des Wohneigentums habe sich die Bundesregierung mit dem Baukindergeld laut Feld zu einer „relativ unsystematischen steuerlichen Förderung“ entschlossen, die zu einer problematischen Verteilungswirkung führe. Da die Prämie vom Verkäufer in vielen Fällen auf den Verkaufspreis umgelegt werde, seien höhere Immobilien-, Bau- und Grundstückspreise die Folge. „Auswertungen des sozio-ökonomischen Panels zeigen, dass viele Familien Baukindergeld erhalten, die darauf nicht angewiesen wären, während die eigentlichen Probleme – geringes Kapital gepaart mit hohen Erwerbsnebenkosten – für Haushalte mit geringeren Einkommen fortbestehen“, so Feld im Frühjahrsgutachten. Auch die von der Bundesregierung eingeführte Sonderabschreibung für den Mietwohnungsbau führe durch die stimulierte Nachfrage, die entsteht, wenn Immobilieninvestitionen in den zeitlich befristeten Förderzeitraum vorgezogen werden, zu weiteren Preissteigerungen. „Aufgrund der stark ausgelasteten Bau- und Planungskapazitäten, der fehlenden Bereitstellung von Bauland und den nach wie vor günstigen Finanzierungsbedingungen darf bezweifelt werden, ob die Maßnahme zum gewünschten Ergebnis führt“, so Feld.
Vollvermietung in 35 Büromärkten: Unternehmensabwanderungen drohen
Auch 2018 wurde im Bereich der Wirtschaftsimmobilien am stärksten in Büroimmobilien investiert. Im Vergleich zum Vorjahr stieg das in Büroobjekte investierte Kapital um 18 Prozent auf rund 28,8 Milliarden Euro (2017: 24,4 Milliarden Euro). Die Leerstandsquote ist dagegen weiter gesunken. Allein in den A-Standorten reduzierte sich das Büroflächenangebot 2018 um fast 570.000 Quadratmeter Mietfläche auf eine Leerstandsrate von 3,4 Prozent. Mittlerweile herrscht in 35 Büromärkten in Deutschland mit einer Leerstandsrate von 3,0 Prozent quasi Vollvermietung. Besonders drastisch stellt sich die Situation mit nur noch 1,5 Prozent (210.000 Quadratmeter) Leerstand in München und 1,7 Prozent (320.000 Quadratmeter) in Berlin dar. Auch in Stuttgart (2,2 Prozent; 170.000 Quadratmeter) und in Köln (2,8 Prozent, 210.000 Quadratmeter) herrscht Vollvermietung. Hamburg liegt mit 3,6 Prozent (460.000 Quadratmeter) noch knapp darüber, während einzig Frankfurt (7,6 Prozent, 770.000 Quadratmeter) sowie Düsseldorf (6,8 Prozent, 520.000 Quadratmeter) noch ein Stück weit entfernt sind.
Andreas Schulten, Generalbevollmächtigter der bulwiengesa AG, der im Frühjahrsgutachten die Entwicklung der Büro-, Unternehmens-, Logistik- und Hotelimmobilien analysiert hat, geht von einem anhaltenden Trend aus: „Im kommenden Jahr wird sich die Flächenverknappung vor allem bei Büros über fast alle Standorte fortsetzen. Trotz leicht steigender Fertigstellungsvolumina wird die hohe Nachfrage kaum zu bewältigen sein. Besonders die stark nachgefragten, kurzfristig bezugsfähigen Neubauflächen stehen nicht ansatzweise in dem Maße zur Verfügung, wie sie benötigt werden. Die Situation in den Städten mit sehr geringen Angebotsvolumen dürfte sich 2019 noch stärker zuspitzen und es müssen an einigen Standorten Unternehmensabwanderungen in Kauf genommen werden.“
Wohnimmobilien: Marktanspannung weitet sich aus
Der deutsche Wohnungsmarkt ist weiter von steigenden Miet- und Kaufpreisen gekennzeichnet. Deutschlandweit hat sich die mittlere Neuvertragsmiete innerhalb eines Jahres um 3,9 Prozent auf 7,06 Euro pro Quadratmeter erhöht (III 2018 gegenüber III 2017), besonders starke Preissteigerungen gab es in den A-Städten. Auch die Angebotskaufpreise haben an diesen Standorten weiter angezogen – bei Ein- und Zweifamilienhäuser um 7,6 Prozent auf rund 2.455 Euro pro Quadratmeter, bei Eigentumswohnungen um 8,2 Prozent auf 1.875 Euro pro Quadratmeter. In allen A-Städten sind die Kaufpreise für Eigentumswohnungen wiederum stärker gestiegen als bundesweit. Den größten Preiszuwachs verzeichnete im vergangenen Jahr Berlin mit 15,2 Prozent.
„Das steigende Preisniveau ist Ausdruck des weiter bestehenden Missverhältnisses zwischen Wohnungsangebot und Wohnungsnachfrage – insbesondere in den Wachstumsregionen“, erklärt Carolin Wandzik, Geschäftsführerin der GEWOS, die die Wohnungsmärkte der A-Städte untersucht hat. „Die A-Städte verzeichneten weiter steigende Einwohnerzahlen – Binnenwanderungsverluste wurden über den Zuzug aus dem Ausland mehr als ausgeglichen.“ Weiterhin gebe es diverse Hemmnisse, die eine nachfragegerechte Ausweitung der Bautätigkeit verhindern. „Neben der seit Jahren bestehenden Flächenknappheit fehlen vielerorts Planungs- und Genehmigungskapazitäten.“ Die beobachtete Marktanspannung weite sich zunehmend auf das Umland der Metropolen und stark nachgefragten Städte aus. Aufgrund des vielfach geringeren Miet- und Kaufpreisniveaus ziehen immer mehr Menschen in das mit der Kernstadt funktionell verflochtene Umland, wo es häufig noch ein größeres Angebot an Wohnungen und Bauflächen gibt.
Der Aufwärtstrend bei Wohnungsmieten würde sich auch 2019 weiter fortsetzen. Daran werde die Verschärfung der Mietpreisbremse zum 1.Januar 2019 nichts ändern können. „Gefragt sind stattdessen gezielte, nachhaltig wirkende Anreize für den Bau von Wohnungen, die über Strohfeuereffekte hinausgehen, wie sie durch das im vergangenen Jahr eingeführte Baukindergeld oder die geplante Sonderabschreibung für den Bau von Mietwohnungen zu erwarten sind“, so Wandzik. Der Weg zu einer spürbaren Verbesserung der Angebotssituation und einer damit verbundenen Entspannung am deutschen Wohnungsmarkt führe nur über die Ausweisung von mehr Bauland – in Verbindung mit Verdichtungsmaßnahmen. Zusätzlich seien weitere Hemmnisse und Preistreiber zu beseitigen, etwa komplexe Bauvorschriften und verzögerte Genehmigungsverfahren.
Mehr Aufmerksamkeit für Wohnungsmärkte der kleineren Großstädte gefordert
In 64 der 68 untersuchten Großstädte über 100.000 Einwohner in Deutschland ist die Zahl der Wohnungen insgesamt angestiegen. Nur in Cottbus, Chemnitz, Magdeburg und Halle sank aufgrund des forcierten Abrisses von Wohnungen auch im Rahmen des jeweiligen Stadtumbaus der Wohnungsbestand. Nur schwache Anstiege des Wohnungsangebots finden sich vor allem in den altindustriellen Städten Nordrhein-Westfalens, in denen auch die Bevölkerung nicht oder nur wenig wuchs. Die prozentual höchsten Zuwächse im Wohnungsangebot mit Wachstumsraten von über zehn Prozent zwischen 2005 und 2017 finden sich dabei nicht in den sieben größten Städten, sondern in kleineren Großstädten wie Ingolstadt, Regensburg, Potsdam, Oldenburg und Münster.
Der Wohnungsleerstand unterscheidet sich zwischen den kreisfreien Großstädten ganz erheblich. In einigen Städten wie etwa in Münster (0,5 Prozent in 2017) ist praktisch kein Leerstand mehr vorhanden. Dagegen erreicht dieser in der Spitze über acht Prozent des marktaktiven Geschosswohnungsbestands in Städten wie Salzgitter und Chemnitz. „Ab einem Leerstand von unterhalb drei bis 3,5 Prozent stellen sich höhere Mieten ein“, so Prof. Harald Simons, Vorstand der empirica AG, der für das Frühjahrsgutachten unter anderem die Wohnungsmärkte in den kreisfreien 68 Großstädten über 100.000 Einwohner in Deutschland analysiert hat. „Bei sehr niedrigen Leerstandsquoten explodiert das Mietniveau dann geradezu. Wird ein Wert von drei Prozent als nichtpreistreibende Leerstandsquote angestrebt, so liegt in 48 von 68 kreisfreien Großstädten die Leerstandsquote heute darunter.“
Das Mietniveau ist in allen Großstädten zwischen 2005 und 2018 (Quartal I bis III) zumindest nominal zwischen elf Prozent in Chemnitz und 65 Prozent in Ingolstadt gestiegen. Um mehr als 50 Prozent erhöhten sich die Mieten für die Neuanmietung einer Wohnung in neun Städten – unter anderem in Ingolstadt, Würzburg, Augsburg, Nürnberg, Osnabrück und Heilbronn. Am unteren Ende finden sich wieder altindustrielle Städte in Nordrhein-Westfalen (Mülheim, Solingen, Remscheid, Oberhausen, Wuppertal, Duisburg, Bottrop, Hagen, Mönchengladbach, Essen) sowie Chemnitz und Halle. In all diesen Städten ist das Mietniveau heute real niedriger als noch 2005. Im Mittel aller kreisfreien Großstädte über 100.000 Einwohner betrug der Mietanstieg zwischen 2005 und 2018 rund 35 Prozent, was real einem leichten Anstieg von rund 15 Prozent innerhalb von 13 Jahren entspricht. Die teuersten Großstädte außerhalb der größten sieben sind Ingolstadt und Freiburg mit rund 10,80 Euro pro Quadratmeter.
Bei den Kaufpreisen gibt es in der Regel deutliche Anstiege. Durchschnittlich stiegen die Preise in allen Städten über 100.000 Einwohner im Zeitraum zwischen 2005 und 2018 (Quartal I bis III) nominal um 69 Prozent – real um 49 Prozent. Die höchsten Kaufpreise werden heute, nach München und Frankfurt, in Freiburg (4.000 Euro pro Quadratmeter), Ingolstadt (4.000 Euro pro Quadratmeter) und Regensburg (3.700 Euro pro Quadratmeter) gefordert. In insgesamt 17 Großstädten über 100.000 Einwohnern liegen die Kaufpreise nun über 3.000 Euro pro Quadratmeter und in 23 Städten zwischen 2.000 und 3.000 Euro pro Quadratmeter.
In der Kombination aus stark steigenden Kaufpreisen und schwächer steigenden Mieten sind die Bruttoanfangsrenditen in fast allen Städten in den letzten Jahren deutlich gesunken. Lag die Bruttoanfangsrendite beim Kauf vermieteter Wohnungen im Jahr 2012 im Mittel der kreisfreien Großstädte noch bei 6,1 Prozent so waren es im Jahr 2018 (Januar bis November) nur noch 4,7 Prozent.
Es gibt allerdings auch eine Reihe von Großstädten, in denen die Kaufpreise trotz gesunkener Zinsen kaum gestiegen oder sogar gesunken sind. „Diesen Städten sollte insgesamt mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden – nicht nur von Investoren, sondern auch von Politik und Bürgern“, fordert Simons. „Diese Städte haben in den letzten Jahren kaum Einwohner hinzugewonnen oder sogar verloren. Es handelt sich dabei überwiegend um altindustrielle Städte, vor allem, aber nicht nur in Nordrhein-Westfalen. Für Investoren könnten diese aufgrund der hohen Bruttoanfangsrenditen, die dort mit der Vermietung von Wohnungen erzielt werden können, interessant sein. Bürger könnten von den niedrigen Wohnkosten und der guten infrastrukturellen Lage profitieren und die Politik sollte sich stärker mit diesen Städten befassen, um hierdurch die angespannten Märkte anderswo zu entlasten.“
Pflegeimmobilien: Bedarf steigt in den nächsten zehn Jahren rasant
2017 waren in Deutschland insgesamt rund 3,41 Millionen Menschen pflegebedürftig. In der Zukunft wird die Zahl der Pflegebedürftigen weiter steigen. Geht man von deutschlandweit identischen und konstanten Pflegequoten im Alter aus, werden im Jahr 2030 etwa 675.000 mehr Menschen auf Pflege angewiesen sein. Das entspricht einem Anstieg um 20 Prozent auf knapp 4,1 Millionen Personen. Zwar werden die meisten Menschen zuhause versorgt, doch wird auch die Zahl der Personen steigen, die dauerhaft in der vollstationären Pflege leben. Aktuell sind dies rund 792.000 Personen. Je nach Projektionsvariante kann ihre Zahl bis zum Jahr 2030 um bis zu 293.000 Personen auf dann 1,1 Millionen Personen bundesweit steigen.
Das Angebot jedoch hinkt der steigenden Nachfrage hinterher. „Bleiben die Fertigstellungen weiterhin auf dem niedrigen Niveau der letzten Jahre, so reicht der Angebotszuwachs bis 2030 bei weitem nicht aus, um den zusätzlichen Bedarf zu decken“, so Professor Simons, der im Frühjahrsgutachten auch den Pflegeimmobilienmarkt analysiert hat. „Insgesamt braucht es intensive Bemühungen für zukunftsfähige Strategien. Unabhängig davon ist eine weitere Ambulantisierung in der Pflege zu erwarten. Entsprechende Quartierskonzepte werden mit großem Engagement weiterentwickelt. Sie werden einen Teil der Nachfrage aufnehmen können.“
Der Markt für vollstationäre Pflege zeige darüber hinaus gravierende regionale Unterschiede auf. Folgt die bundesweite Verteilung der Älteren naturgemäß noch einem siedlungsstrukturellen Muster, variieren Pflegequoten, Heimquoten, Versorgungsquoten und die Inanspruchnahmen in den Kreisen und kreisfreien Städten um ein Vielfaches. „Die sehr offensichtlichen regionalen Abweichungen, oftmals entlang von Administrationsgrenzen, spiegeln die hohe Abhängigkeit des Marktes von politischen und institutionellen Rahmenbedingungen wider“, sagt Simons. Gleichzeitig mangele es im Pflegemarkt an frei zugänglichen und aktuellen Datengrundlagen. „Eine Transparenz, analog zum Beispiel zu amtlichen Daten auf dem Wohnungsmarkt, wäre dringend wünschenswert.“
Einzelhandel: Professionalisierungsprozess in allen Bereichen
Der Einzelhandelsinvestmentmarkt blickt in Bezug auf das Transaktionsvolumen auf ein insgesamt nur durchschnittliches Jahr 2018 zurück. Mit einem Volumen von etwa 10,5 Milliarden Euro lag das Ergebnis zwar noch leicht über dem langjährigen Mittel, aber mehr als ein Viertel unter dem Vorjahreswert. Die Summe der Verkaufsflächen stieg wie in den Jahren zuvor erneut leicht an und belief sich zum Jahresende 2018 auf rund 119,8 Millionen Quadratmeter. Im Vorjahresvergleich entspricht dies einem geringen Zuwachs von 0,6 Prozent. Der Gesamtumsatz des deutschen Einzelhandels 2018 summierte sich kanalübergreifend auf 480,7 Milliarden Euro, was einem Zuwachs von 1,9 Prozent entspricht. Für das Jahr 2019 zeichnet sich eine etwa gleichbleibende Marktentwicklung ab. Der Prognose zufolge wird der deutsche Einzelhandel im Jahr 2019 einen Gesamtumsatz (stationär und Distanzhandel) von rund 489,4 Milliarden Euro erzielen und damit nominal 1,8 Prozent über dem Vorjahreswert liegen. Das prognostizierte Zuwachsniveau für den stationären Handel liegt bei 0,8 Prozent.
Sebastian Müller, der im Frühjahrsgutachten 2019 den Einzelhandelsmarkt analysiert hat und bei GfK im Bereich Geo-marketing für die Einzelhandels- und Immobilienberatung verantwortlich ist, warnt jedoch vor insgesamt zu großer Euphorie: „Rückläufige Spitzenmieten in den meisten deutschen Einkaufslagen lassen bereits erahnen, dass sich hier ein Wandel ankündigt beziehungsweise sich längst vollzieht, der es in sich haben dürfte. Das im Zuge der fortlaufenden Digitalisierung erheblich veränderte und sich weiterhin schnell wandelnde Konsumverhalten stellt den stationären Einzelhandel vor immense Herausforderungen, um den zunehmenden Wünschen sowie der wachsenden Erwartungshaltung der Kundschaft gerecht zu werden.
Die momentane Strategie der stationären Anbieter, sich – wie es aktuell die Nonfood-Discounter unternehmen – über den sehr günstigen Preis gegenüber dem Online-Handel zu positionieren und in die Fläche und somit in die Kundennähe zu investieren, gehe momentan auf. Die andere Strategie, auf die Stärken des stationären Geschäfts zu setzen und in Warenpräsentation, Beratung, Erlebnis, Gastronomie und Freizeitelemente zu investieren, funktioniere momentan ebenfalls. „Beiden Strategien ist gemein, dass erhebliche Investitionen in das für den Kunden Offensichtliche notwendig sind und zudem, quasi im Hintergrund, in digitale Abläufe bei IT, Datenanalysen, Marketing und Personal investiert werden muss“, so Müller. „Mittelfristig wird es dadurch zu einem weiteren Konzentrations- und Professionalisierungsprozess in allen Bereichen des Handels kommen, auch im Lebensmittel- und Drogeriemarkt.“
Logistikimmobilien: Flächen werden knapp
Logistikimmobilien entwickeln sich auf dem Immobilienmarkt weiter als starke Assetklasse und verändern zentrale Autobahnstandorte sowie den Rand unserer Städte. Nach den Rekordergebnissen im Jahr 2017 hinsichtlich Fertigstellungen und Investmentvolumen machte sich in diesem Jahr allerdings ein Mangel an verfügbaren Objekten auf dem Markt bemerkbar. Ebenso fehlen Grundstücke für weitere Bautätigkeit. Zusätzlich bremsen langwierige Genehmigungsverfahren die Fertigstellungsaktivitäten. „Mit diesen wachsenden Engpässen lässt sich der Rückgang sowohl von Investitionen in Logistikimmobilien als auch des Fertigstellungsvolumens gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 erklären“, so Andreas Schulten.
Für das Jahr 2018 wurde erstmals seit 2015 wieder ein Rückgang des Flächenneuzugangs auf 3,9 Millionen Quadratmeter verzeichnet – nach 4,6 Millionen Quadratmeter im Vorjahr. Auch das Investmentvolumen war seit langem erstmals rückläufig und lag 2018 bei 3,9 Milliarden Euro (2017: 5,9 Milliarden Euro). Ursächlich hierfür ist für Schulten jedoch weniger eine fehlende Nachfrage als ein zunehmender Angebotsengpass auf dem Markt. Ähnlich wie auf den meisten Wohnungsmärkten.
„Die ungebrochen hohe Nachfrage nach Logistikflächen wird aber dafür sorgen, dass sich die Neubautätigkeit im Jahr 2019 wohl weiterhin auf einem hohen Niveau bewegen wird“, meint Schulten. Im starken Maße mache sich die Knappheit an Grundstücken auch für die immer stärker wachsende urbane Logistik bemerkbar, da die Situation hier mit der Flächenkonkurrenz zu Wohnungen und Büros ohnehin bereits angespannt ist. Als Folge steigt zusätzlich der Druck auf die peripheren Lagen im weiteren Umkreis der Metropolen.
Hotelmarkt: Bis 2021 brauchen A-Städte knapp 80.000 zusätzliche Hotelbetten
Einen Immobilienmarkt mit bislang nur geringen Grundstücksproblemen befeuert der positive deutsche Fremdenverkehr. Nach vorläufigen Hochrechnungen stieg die Anzahl der Ankünfte im deutschen Beherbergungsgewerbe 2018 um 3,8 Prozent auf etwa 185,1 Millionen und die Anzahl der Übernachtungen um 3,9 Prozent auf rund 477,6 Millionen an. Diese Zuwachsraten stellen einen neuen Rekordwert dar und dokumentieren die Attraktivität Deutschlands als Urlaubs- und Geschäftsreiseziel. Mit 32,6 Millionen Übernachtungen beweist insbesondere Berlin seine hohe touristische Anziehungskraft. Die wirtschaftlichen Rahmendaten sprechen dafür, dass auch 2019 die touristische Nachfrage in Deutschland steigt, was dadurch untermauert wird, dass Deutschland zu den stärksten Messestandorten weltweit zählt.
Entsprechend schreitet der Bau neuer Hotels kräftig voran – allein in den sieben deutschen A-Städten beträgt das Projetentwicklungsvolumen rund 1,2 Millionen Quadratmeter. Der Bedarf an zusätzlichen Betten bis 2021 wird hier auf insgesamt knapp 80.000 Betten prognostiziert. Demnach liegt allein für Berlin der Bedarf bei fast 30.000 zusätzlichen Betten. Dahinter folgen München und Hamburg mit jeweils über 14.000. In Einzelfällen liegt die Zahl der projektierten Zimmer allerdings über dem rechnerischen Bedarf. Dies ist etwa in Düsseldorf der Fall, wo das Hotelentwicklungsvolumen bis zum Jahr 2021 rund 7.000 Zimmer umfasst. Zur Gewährleistung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung wird deshalb mancherorts bereits versucht, Hotelansiedlungen besser zu steuern, indem „Hotelbedarfspläne“ und „Fremdenbeherbergungskonzepte“ erstellt oder Einzelvorhaben auf Marktverträglichkeit – vergleichbar der Verträglichkeitsprüfung von Einzelhandelsvorhaben – geprüft werden. Das Investoreninteresse nach Hotels ist aber weiterhin sehr hoch. Und da das Angebot knapp ist, lag das Transaktionsvolumen auf dem Hotelinvestmentmarkt im Jahr 2018 mit rund vier Milliarden Euro leicht unter dem Vorjahreswert von 4,2 Milliarden Euro.
„Das Tourismusaufkommen in Deutschland wird weiter steigen, weshalb auch weitere Hotels benötigt werden. Die Marktaussichten für den Hotelmarkt in Deutschland sind grundsätzlich positiv“, sagt Schulten. „Grund zur Sorge bereiten der Branche aber auch hier steigende Baukosten und damit Immobilienpreise, die ertragsseitig bisweilen nicht aufgefangen werden können. Hohe Pachten erfordern hohe Zimmerraten, die in Deutschland aber nur an ausgewählten Standorten und zu ausgewählten Zeiten durchsetzbar sind. Zudem verlangt der Strukturwandel in der Hotelbranche von den Betreibern Innovationen und Investitionen, für die ebenfalls entsprechende finanzielle Mittel vorhanden sein müssen. Erschwerend kommt der seit Jahren anhaltende Mangel an Fachkräften hinzu.“