Ambulantisierung sorgt für steigende Nachfrage nach ambulanten Gesundheitsimmobilien
Erscheinungstermin: Februar 2024
Herausgeber: Hauck Aufhäuser Lampe, CBRE
Deutschland hat die höchsten Gesundheitsausgaben in der Europäischen Union und gleichzeitig sind unsere Krankhäuser zum Teil überlastet. Durch den Grundsatz "ambulant vor stationär" verfolgt die Politik das Ziel, Leistungen aus Krankenhäusern in ambulante Einrichtungen zu verlagern. Damit wird man künftig schätzungsweise rund 300.000 vollstationäre Fälle pro Jahr vermeiden können, weil die betreffenden Behandlungen stattdessen ambulant durchgeführt werden. Aufgrund anderer Kostenstrukturen können so Ausgaben reduziert werden bei gleicher (oder sogar besserer) Versorgungsqualität. Insgesamt wird dies den Bedarf an modernen Gesundheitsimmobilien für ambulante Angebote erhöhen und somit rückt diese Nutzungsart auch in den Fokus institutioneller Investoren. Im aktuellen "Marktreport ambulante Gesundheitsimmobilien", den Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank in Zusammenarbeit mit CBRE herausgebracht hat, werfen die Autoren einen detaillierten Blick auf die Nutzungsart und beschäftigen sich unter anderem mit Kennzahlen zur ambulanten ärztlichen Versorgung in Deutschland, den Arten ambulanter Gesundheitsimmobilien, Standortkriterien für Ärzte- und Gesundheitszentren, dem Investmentmarkt für Gesundheitsimmobilien und den Verkehrswerten ambulanter Gesundheitsimmobilien.
Für das steigende Investoreninteresse an ambulanten Gesundheitsimmobilien sind zwei Faktoren wesentlich: Gut prognostizierbare Fundamentaldaten dieser Immobilien in einer alternden Gesellschaft sowie eine relative Unabhängigkeit von konjunkturellen Schwankungen. Jedoch gibt es innerhalb des Segments unterschiedliche Entwicklungen. Während Pflegeheime durch Kostensteigerungen, Fachkräftemangel und Betreiberinsolvenzen unter Druck geraten, ist das Marktumfeld für Ärztehäuser und Gesundheitszentren stabil und relativ konjunkturunabhängig. Die Gründe für deren hohe Wertstabilität sind u. a. hohe Indexierungen in den Mietverträgen und eine diversifizierte Mieterstruktur.
Investmentmarkt Gesundheitsimmobilien
Insgesamt flossen seit 2011 rund 26 Mrd. Euro in die Assetklasse Gesundheitsimmobilien. In den einzelnen Jahren wurde – mit wenigen Ausnahmen und bedingt durch Sondereffekte – der größte Teil dieses Investitionskapitals im Bereich Pflegeheime und im Segment des Betreuten Wohnens allokiert. Insgesamt hängt das Transaktionsvolumen am deutschen Gesundheitsimmobilieninvestmentmarkt maßgeblich von Großtransaktionen ab. Bleiben diese aus, bleibt auch das Transaktionsgeschehen überschaubar. So wurde im zurückliegenden Jahr 2023 keine Transaktion im dreistelligen Millionenbereich registriert. Insgesamt erreichte das Transaktionsvolumen 2023 mit insgesamt 931 Mio. Euro knapp die Eine-Milliarde-Euro-Marke.
Mit 578 Mio. Euro entfielen fast zwei Drittel des Transaktionsvolumens 2023 (62 %) auf Pflegeheime. Auf Platz zwei lag Betreutes Wohnen mit 262 Mio. Euro (28 %). Im Vergleich zum Vorjahr wurden somit 55 % beziehungsweise 50 % weniger investiert. In Kliniken und Reha-Kliniken wurden insgesamt 170 Mio. Euro (anteilig 6 %) investiert; 31 % weniger als im Jahr zuvor.
Am stärksten fiel der Rückgang bei Ärztehäusern und Gesundheitszentren aus. Mit 39 Mio. Euro lag das Transaktionsvolumen um 93 % unter dem Ergebnis des Vorjahres, in dem allerdings mit rund 541 Mio. Euro auch ein historisches Rekordvolumen erreicht worden war. Hier zeigt sich, dass das im Markt vorhandene Angebot an modernen und qualitativ hochwertigen Ärztehäusern nicht die große Nachfrage auf Seiten der Investoren decken kann. Seit 2011 wurden insgesamt knapp 2,2 Mrd. Euro in Ärztehäuser und Gesundheitszentren investiert. Der deutsche Investmentmarkt für Ärztehäuser und Gesundheitszentren wird dabei von inländischen Käufern, meist institutionellen Investoren aus dem Bereich der offenen Immobilienspezialfonds, dominiert. Diese sind für 80 % des seit 2011 in dieser Assetklasse allokierten Transaktionsvolumens verantwortlich.
Vor allem institutionelle Investoren zeigen seit Ausbruch der Corona-Pandemie ein verstärktes Interesse, dieses Anlagesegment aufgrund höherer Renditen zur Beimischung in ihren Bestandsportfolios zu nutzen oder auch eigene assetklassenspezifische Vehikel aufzulegen. Dank der damit verbundenen sozialen Aspekte unterstützt dies die Investoren auch in ihrem Bestreben, die gesteckten ESG-Ziele zu erreichen.
Die Erwartungen gehen dahin, dass sich durch das hohe Investoreninteresse im Jahresverlauf 2024 eine größere Dynamik auf dem Investmentmarkt ergibt. So könnte die geplante Krankenhausreform dazu führen, dass kleinere und unprofitablere Krankenhäuser in eher ländlichen Regionen schließen müssen. Hiervon könnten Ärztehäuser und Gesundheitszentren profitieren, da sie künftig einen Großteil der primären, ambulanten Gesundheitsversorgung übernehmen werden. Für langfristig orientierte Immobilieninvestoren ergeben sich somit entsprechend attraktive Investmentchancen. Unterstützend wirkt, dass der Preisfindungsprozess am Gesundheitsimmobilienmarkt größtenteils abgeschlossen sein dürfte. Zum Jahresende 2023 lag die Spitzenrendite (Nettoanfangsrendite) für Ärztehäuser und Gesundheitszentren mit 4,8 % um 0,7 Prozentpunkte höher als im Vorjahr.
Arten von ambulanten Gesundheitsimmobilien
Die ambulante Versorgung findet in Deutschland in den verschiedensten Immobilien statt, weshalb sich unterschiedliche Begriffe etabliert haben. Eine ambulante Gesundheitsimmobilie kann einen (Single-Tenant) oder mehrere Nutzer (Multi-Tenant) haben. Die Nutzflächen solcher Objekte können je nach Lage und Nutzung der Mieteinheiten variieren. Die Spanne reicht grob von ca. 1.000 qm bis über 10.000 qm. Der geläufigste Begriff ist das Ärztehaus. Diese Immobilie beherbergt sinngemäß verschiedenste Arztpraxen (Allgemeinmediziner und sonstige Fachärzte), wobei diese als Einzelpraxis, Praxisgemeinschaft, Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) oder Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) organisiert sein können. Der kooperative Gedanke einer fachübergreifenden, patientenorientierten ärztlichen Versorgung steht im Vordergrund.
Bei einer mieterseitigen Erweiterung des Ärztehauses oder Fachärztezentrums um weitere Gesundheitsberufe wie beispielsweise Zahnmedizin, Physiotherapie, Ergotherapie oder Logopädie spricht man von einem ambulanten Gesundheitszentrum. Dort sind in der Regel auch weitere gesundheitsaffine Dienstleister wie Apotheke, Sanitätshaus, Hörakustiker oder Optiker vertreten.
Die Grenze zwischen ambulanten und (teil)stationären Einrichtungen ist nicht immer eindeutig, weshalb auch Mischformen von Gesundheitsimmobilien existieren. Für Investoren ist es daher wichtig, den Gesundheitsmarkt und seine Facetten zu kennen, um Chancen und Risiken der einzelnen Nutzungsarten richtig einschätzen zu können. Der Bedarf an Investitionen in ambulanter immobiliarer Infrastruktur ist hoch und wird sich durch den Trend zur Ambulantisierung weiter verfestigen.