Wachstum von Wohn- und Pflegeangeboten oft durch Fachkräftemangel limitiert
Deutschland braucht dringend mehr private Investitionen in Senioren-Wohn- und Pflegeimmobilien sowie gezielte Anreize, damit mehr in- und ausländische Fachkräfte für den Pflegeberuf gewonnen werden können Das sind zwei Ergebnisse einer Online-Pressekonferenz vom 16.09.2024, an der Prof. Dr. Felix Schindler, Head of Research und Strategy bei der HIH Invest Real Estate, Prof. Dr. Henric Hahr, Head of Asset Management bei Real Blue, Alexander Fröse, Managing Partner bei DLE Living und Thomas Schulz, Geschäftsführer der zum Immobilienleasinganbieter CoRE Solutions gehörenden CHC Immobilien, teilnahmen.
Felix Schindler sieht bei stationärer Pflege, Seniorenwohnen und ambulanten WGs aktuell eine Versorgungslücke von 350.000 Betten, die durch den geringen Neubau und die demographische Entwicklung weiter verstärkt werde. Gestiegene Zinsen und Baukosten beeinträchtigten zusätzlich die Angebotsseite und damit die Entwicklung von Gesundheitsimmobilien. Mit Ausnahme von Hamburg und Brandenburg gebe es derzeit in allen Bundesländern eine Unterdeckung, die in den beiden Ausnahmeländern von regionalen Sondereffekten überlagert werde. „In Hamburg werden die Plätze in Seniorenwohn- und Pflegereinrichtungen vielfach von Menschen aus den beiden benachbarten Flächenländern Schleswig-Holstein und Niedersachsen belegt. Das nahegelegene brandenburgische Umland zieht viele Berliner Seniorinnen und Senioren an“, sagt Felix Schindler. Aber auch innerhalb der Bundesländer gebe es angebotsseitig starke regionale Unterschiede.
„Die meisten Senioren wohnen derzeit in den Ballungszentren, konkurrieren dort jedoch mit den jüngeren Generationen in den oft angespannten Märkten um Wohnraum. In den ländlichen und vor allem in den strukturschwachen Regionen schreitet dagegen die Überalterung stark voran und der Mangel an qualitativ adäquatem Wohnraum nimmt auch hier zu. Zudem fehlen insbesondere in den ländlichen Regionen verstärkt examinierte Pflegefachkräfte. Verstärkt wird diese Entwicklung zusätzlich durch den gesellschaftlichen Wandel einer stärkeren Berufstätigkeit von Frauen und somit des Wegfalls der „pflegenden Töchtergeneration“ sowie die größere räumliche Distanz zwischen älterer und Kindergeneration, die die Pflege der Angehörigen übernehmen könnte“, fasst Schindler zusammen. Hinzu komme der Wegfall von regionalen Kliniken. Dieser führe zu einem vermehrten Bedarf an alternativen medizinischen Angeboten.
Im Ergebnis gebe es einen intensiven Wettbewerb um Pflegekräfte, der alle Anbieter vor große Herausforderungen stelle. Auswege aus dem Dilemma wären eine erleichterte Zuwanderung beziehungsweise die gezielte Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland sowie eine höhere Wertschätzung von Pflegeberufen, waren sich die Teilnehmer der Veranstaltung einig.
Aufgrund personeller Engpässe ließen sich viele Einrichtungen nur noch mit reduzierter Auslastung betreiben. Henric Hahr betont die besondere Verantwortung der Investoren bei der Betreiberauswahl und der Entwicklung passgenauer Nutzungskonzepte. Mit Blick auf die unterschiedlichen Bedürfnisse von Senioren (65+) und Hochbetagten (80+) verfolge Real Blue eine ganzheitliche Portfoliostrategie mit einem hybriden Modellansatz. „Wir investieren bevorzugt in Häuser, die Betreutes Wohnen, Tagespflege und stationäre Pflege unter einem Dach vereinen.“ Darüber hinaus bemühe sich Real Blue ambulante Angebot wie Arztpraxen, Ärztehäuser, medizinische Versorgungszentren oder auch Handelsflächen zum Beispiel für Drogerien und Apotheken in die Projekte zu integrieren.
Der Nutzungsmix werde mit Betreibern und Kommunen eng abgestimmt. Letztere sicherten sich in den künftigen Einrichtungen häufig auch Belegungsrechte für die eigenen Bürger. Hahr sieht private Investitionen in Senioren-, Wohn- und Pflegeeinrichtungen als unverzichtbar für ein weiteres Angebotswachstum. Für institutionelle Investoren sei Senior Living eine Anlageklasse mit attraktivem Risiko-Rendite-Profil, die zudem in der Regel gut vereinbar ist mit energetischen Nachhaltigkeitsstrategien und Investitionszielen mit Social Impact-Komponenten. Dementsprechend investiere Real Blue in Neubauten mit hohem energetischen Standard, einem möglichst minimalen oder nicht existenten Bedarf an fossilen Brennstoffen sowie PV-Anlagen zur Eigenstromversorgung.
Ausschließlich in Bestandsimmobilien investiert die DLE Living. „Im Auftrag unserer Investoren erwerben wir dezentrale Einzelobjekte mit dem Ziel, in Deutschland ein qualitativ hochwertiges Portfolio aus Pflegeeinrichtungen und Objekte des betreuten Wohnens aufzubauen und einen attraktiven globalen Exit zu erreichen", sagt Alexander Fröse. „Dabei streben wir eine CoC-Rendite von 5,5 bis 6,5 Prozent pro Jahr an."
Fröse sieht sich dabei in einer Vorreiterrolle. Der deutsche Pflegemarkt sei stark fragmentiert. Die fünf größten Betreiber vereinten zusammen nicht einmal zehn Prozent der privaten Bettenkapazitäten. Pflege sei trotz wachsenden Bedarfs und guter ökonomischer Rahmendaten aufgrund der geringen Skaleneffekte kein institutionelles Asset. Die Zusammenfassung von Häusern unter dem Dach einer Holding bietet laut Fröse auch enorme Vorteile für die Versorgungssicherheit und Versorgungsqualität der Bewohner.
„Um die Stabilität von Pflegeheimen zu gewährleisten und Insolvenzen zu vermeiden, ist eine enge Zusammenarbeit und gezielte Kommunikation mit den Betreibern unerlässlich. Es besteht enormes Potenzial, die Effizienz zu steigern und den Betrieb nachhaltiger zu gestalten. Dabei sollten wir uns auf die Optimierung von Betriebsabläufen und die Steigerung der Kosteneffizienz konzentrieren, ohne die Qualität der Pflege zu beeinträchtigen. Ein zentraler Ansatz sei die Maximierung der Downside Protection, also der Schutz vor wirtschaftlichen Risiken. Mit durchdachten finanziellen und betrieblichen Strategien können Pflegeheime widerstandsfähiger gemacht werden – zum Vorteil der Betreiber, Bewohner und Investoren.
Die Stabilität von Wohn- und Pflegeangeboten für Senioren zu steigern, verspricht auch Thomas Schulz, Geschäftsführer der CHC Immobilien GmbH. Das Tochterunternehmen der CoRe Solutions GmbH bietet Immobilienleasing für die Betreiber von Pflegeeinrichtungen und Wohnprojekten. Das Angebot greift namentlich bei Neubauvorhaben, bei der Modernisierung und Erweiterung als auch dem Erwerb bestehender Einrichtungen.
Am Beginn stehe die Gründung einer Projektgesellschaft, die als Leasingeber fungiere. Weitere Schritte seien die Strukturierung der Finanzierung und der Abschluss der Finanzierungsverträge sowie eines Immobilen-Leasingvertrages mit einer Laufzeit von 20 bis 30 Jahren. Nach Übergabe zahle der Leasingnehmer dann ein Nutzungsentgelt an die Projektgesellschaft, von der er die Immobilie zum Ende der Vertragslaufzeit erwerben könne. Dies geschehe durch Ausübung der anfangs einzuräumenden Ankaufsrechte. Der Kaufpreis werde bei Vertragsabschluss festgelegt. Damit kann der Leasingnehmer ggf. entstandene stille Reserven für sich gewinnen und den Standort langfristig über die Leasingvertragslaufzeit hinaus sichern.
Voraussetzung sei ein Leasingnehmer/Betreiber mit einem nachhaltigen Konzept und hinreichender finanzieller Absicherung.
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Erstveröffentlichung: The Property Post