Maßnahmen in der Praxis
Wirtschaftliche Unsicherheiten, steigende Finanzierungskosten, energiepolitische Vorgaben sowie allgemein veränderte Marktumstände: Rahmenbedingungen für Projektentwicklungen und Bestandsimmobilien können sich enorm schnell ändern. Planungsvoraussetzungen, die gestern noch auf einem soliden Fundament fußten, erscheinen aus heutiger Sicht wenig tragfähig – ein Tribut an unsere rasanten und wechselhaften Zeiten. Daher geraten immer mehr Immobilien und Immobilienprojekte in Schwierigkeiten und werden zu „Distressed Assets“.
Wann genau Assets als gefährdet gelten, welche Maßnahmen in solchen Fällen zu ergreifen sind und wie eine erfolgreiche Rettungsstrategie aussehen könnte, haben auf Anregung von Rueckerconsult Sascha Nöske, Vorstandsvorsitzender der Strategis AG, Jens Fieber, Geschäftsführer HIH Projektentwicklung, Torsten Hollstein, Geschäftsführer CR Management, und Ingo Lindner, Geschäftsführer FAY Projects, im Rahmen des Webinars „Rettungsmaßnahmen für Distressed Assets“ diskutiert. Ihre wichtigsten Botschaften: Bei Distressed Assets gibt es nur individuelle Lösungen und kein „one size fits all“. Konsensuale Lösungen sind erstrebenswert, aber nicht immer realisierbar. Eine Sofort-Analyse muss den Status Quo klären: Ist der ursprüngliche Business-Plan noch umsetzbar oder droht sogar eine Rückabwicklung? Da nur der Blick nach vorne hilft, kann der Einsatz von externen Experten hilfreich sein – auch, weil sie emotional unbelastet sind.
Torsten Hollstein, Geschäftsführer CR Management, sagt: „Die Ursachen, warum Immobilien in Not geraten, sind vielfältig, aber meistens hängt es mit der Finanzierung zusammen. Gründe dafür können beispielsweise eine andere als prognostizierte Marktentwicklung sein, oder aber auch ein plötzlicher Ausfall des Hauptmieters, der zu Vertragsbeginn noch solvent war. Das kann z.B. bei stark wachsenden, venture-capital-finanzierten Unternehmen der Fall sein, die im Hinblick auf ihre starke Expansion große Flächen anmieten und bei deren Ausbleiben später die Anschlussfinanzierungen nicht hinbekommen und eine klassische Insolvenz hinlegen.“
Aus Hollsteins Sicht dürfe man in solchen Fällen niemandem einen Vorwurf machen. Vielmehr sei schnelles Handeln erforderlich: „Die Kommunikation funktioniert unter den Beteiligten in solchen Fällen oft je länger es dauert entweder gar nicht mehr oder verläuft zu langsam – so vergeht Zeit und ganz schnell passen die ursprünglichen Pläne nicht mehr mit dem Markt zusammen.“
Externe Berater sind emotional unbeteiligt
Um das zu vermeiden, sollte man schon beim ersten Ruckeln eines Projektes versuchen, konsensual zu einem Ergebnis zu kommen. Eine simple Methode: Sich zusammenzusetzen und gemeinsam herauszufinden, warum der Plan nicht mehr funktioniert – und entsprechend gemeinsam zu handeln: etwa einen neuen Mieter suchen. Oder bei nicht mehr passendem Baurecht, neue Bauanträge stellen. „Findet man keinen Konsens mehr, sollte ein externer Berater hinzugezogen werden, der emotional unbeteiligt ist und die Situation neutral bewerten kann“, so Hollstein.
Bei FAY Projects weiß man, wie das läuft. Seit Oktober 2024 bietet der familiengeführte Projektentwickler auch als Service Developer Dienstleistungen für Dritte an. Geschäftsführer Ingo Lindner beschreibt die klassische Ausgangsbasis eines solchen Mandates: „Das jeweilige Projekt ist zum Stoppen gekommen, das Eigenkapital des Entwicklers aufgebraucht und die Kapitalgeber haben zunächst die Reißleine gezogen. Die Parteien, die noch handlungsfähig sind, haben aber entschieden, das Engagement fortzusetzen, um zu einer wirtschaftlichen Lösung zu kommen.“ Dabei ginge es in erster Linie um die Rückerlangung des eingesetzten Kapitals; idealerweise in Form eines positiven Geschäftsverlaufs.
Service Developer genießen Vertrauen bei Banken und Behörden
Was ein Service Developer im Gegensatz zu einem Projektentwickler besser machen kann? „Er ist der Kapitän und nicht der Steuermann“, erklärt Lindner. „Der Developer genießt Vertrauen bei Behörden und Banken und führt den Gesamtprozess vom Aufgleisen des Projektes, über dessen Planung und die Realisierung bis zum erfolgreichen Abschluss.“ Insofern sei Service Development eine ganzheitliche, kreative, aber strukturierte Managementleistung. „Der Service Developer hat dafür die notwendigen Tools, eine funktionierende Prozessorganisation und auch das dafür notwendige Personal“, so Lindner.
Ein Fallbeispiel von FAY Projects zeigt den Ablauf von Analyse, Prüfung und Auswertung eines Distressed Assets sowie die Antwort auf die Frage: Geht es weiter oder nicht?
Case Studie Büroentwicklung Berlin: Der Mezzaninkapitalgeber (25-prozentiges Darlehen) möchte die Finanzierung für die Projektentwicklung (75 Mio. Euro/ 10.000 qm) nicht verlängern. Das Projekt befindet sich in einem Mischgebiet knapp außerhalb der Innenstadt und ist zu 30 Prozent vorvermietet. Die Tiefgarage ist fertiggestellt. Der Projektentwickler kann die Summe nicht substituieren; die Bank hat ihren Spielraum ausgeschöpft.
„Wir würden uns zunächst mit dem Mischgebiet kritisch auseinandersetzen und analysieren, ob andere Nutzungen im jetzigen Markt mehr Sinn ergeben und ob darauf aufbauend, neues Baurecht beantragt werden kann“, erklärt Lindner. „Danach würde der Baustand geprüft, was aufgrund der Garagenfertigstellung eine verhältnismäßig gute Ausgangsbasis wäre. Schlimmer ist es, wenn ein Rohbau erst zwischen dem dritten und vierten Stockwerk ins Stocken gerät.“ Nächste Hürde: Bauverträge ansehen, die Finanzierungsstruktur analysieren, klären, ob es mit dem ein oder anderen Baupartner weitergeht oder auch nicht. Alte und neue Banken oder Mezzaninegeber einbeziehen. Eventuell neue Mieter suchen, falls die aktuelle Mieterstruktur nicht mehr gegeben sei. „Am Ende steht ein neu aufgegleistes Projekt, bei dem sich die Kräne wieder drehen“, sagt Lindner.
„Möglichmacher“ mit vielfältiger Kompetenz
Jens Fieber, seit August 2024 Geschäftsführer der HIH-Projektentwicklung, die bereits 7,5 Mrd. Euro an Projekten entwickelt hat, bezeichnet sich und sein Team als „Möglichmacher“. „Mitunter finden wir Projekte vor, die mit reiner Baukompetenz nicht adäquat zu lösen sind“, sagt der erfahrene Projektentwickler. „Da bedarf es eines breit aufgestellten Teams, das sich neben Bau-Experten auch aus Finanzierungs- und Strukturierungsspezialisten zusammensetzt. In der HIH-Gruppe haben wir die Experten unter einem Dach, das ist ein großer Vorteil.“
Sein Fallbeispiel dazu: Eine von der HIH erworbene Büro-Projektentwicklung in München, die im Sommer 2022 zum Stillstand kam. „Zwei Generalunternehmen waren bereits vom Entwickler gekündigt worden, was zu erheblichen Verzögerungen und Unsicherheiten geführt hatte. Es drohte ein enormer Vermögensschaden für die Fondsgesellschaft, weil die Gesamtfertigstellung und der Mietvertrag akut gefährdet waren“, so Fieber.
Die Maßnahmen: Die unmittelbare Ablösung des Projektentwicklers durch die HIH und die Übernahme des Gesamtprojekts durch die Projektentwicklung der HIH. Das Generalunternehmen wurde in den Prozess eingebunden und die Projektentwicklung konnte unter Einhalten der Fristen fertiggestellt werden. „So konnten wir den langfristigen Mietvertrag retten, den Vermögensschaden minimieren und die Immobilie rechtzeitig an Nutzer und Eigentümer übergeben“, sagt Fieber.
Bei guter Datenlage Lösungsansätze binnen vier Wochen
Ob Service Developer mit offenen Armen empfangen werden oder nicht, hängt im Wesentlichen damit zusammen, ob alle Projektbeteiligten rechtzeitig verstanden hätten, dass es ein Problem gibt. Sascha Nöske, Vorstandsvorsitzender der Strategis AG, beobachtet, dass es nach zwei „harten Krisenjahren“ in Berlin eine ganze Reihe unterfinanzierter Projektwicklungen gibt. „Dass wir in diesem schwierigen Umfeld Projektentwicklungen platzieren könnten, ist an sich schon ein positives Signal“, sagt Nöske. „Die Grundstücke, die vor mehr als zwei Jahren gekauft wurden, sind heutzutage erheblich vorbelastet. Wie gestresst sie wirklich sind, hängt vom Finanzkonzept und der Geduld der Eigentümer ab.“
In den meisten Fällen sollte es aber schnell gehen. Da muss binnen weniger Wochen eine Lösung gefunden werden. Eine realistische Einschätzung? „Wir sind schon in der Lage innerhalb von vier Wochen einen Weg aufzuzeigen“, so Nöske. „Dazu evaluieren wir den Miet- und Kaufmarkt und führen eine residuale Kalkulation durch, die den Wert eines Grundstücks im Zuge von Projektentwicklungen und geplanten Umnutzungen ermittelt.“
Ist der Datenraum gut strukturiert, kann man binnen kurzer Zeit eine fundierte Bestandsaufnahme machen, sind sich alle Diskutanten einig gewesen. In der Praxis fände man dagegen häufig vollkommenes Chaos vor, so dass es auch fünf bis sechs Wochen dauern könne, um sich ein Bild zu machen.
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Erstveröffentlichung: The Property Post, Februar 2025