16.07.2024

Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz

Auch viele Immobilienunternehmen sind betroffen

Susanne Franz, Senior Kommunikationsberaterin, RUECKERCONSULT GmbH
Susanne Franz

Seit dem 01.01.2024 gilt das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) für in Deutschland ansässige Unternehmen aller Branchen ab 1.000 Mitarbeitenden. Ziel des Gesetzes ist es, die Menschenrechte und den Umweltschutz zu stärken, indem es Unternehmen dazu verpflichtet, bestimmte Sorgfaltspflichten innerhalb ihrer Lieferkette zu beachten. Auch zahlreiche Unternehmen der Immobilienbranche sind davon betroffen. Doch vor welche Herausforderungen stellt das LkSG Unternehmen der Immobilienbranche? Wozu werden die betreffenden Unternehmen verpflichtet und welche Möglichkeiten gibt es, um den Anforderungen umfassend und kosteneffizient nachzukommen? Darüber diskutierten auf einem von RUECKERCONSULT organisierten Online-Panel vier Experten: Dr. Annette Mutschler-Siebert, Partnerin im Berliner Büro von K&L Gates, Tobias Gries, Partner der Abteilung Real Estate im Berliner Büro von K&L Gates, Dr. Thomas Mielke, Geschäftsführer bei Metroplan, und Hanna Ritter, Senior Director ESG bei REICON Consulting.

#

„Lieferkette” kann jegliche Akteure in der Immobilienbranche umfassen

„Neben der unmittelbaren gibt es auch eine mittelbare Anwendbarkeit des Gesetzes“, betont Dr. Annette Mutschler-Siebert, Partnerin im Berliner Büro der internationalen Wirtschaftskanzlei K&L Gates. „Auch kleine Unternehmen können indirekt von dem LkSG betroffen sein, etwa wenn sie Teil einer Lieferkette eines Unternehmens mit mindestens 1.000 Mitarbeitern sind“, erläutert Mutschler-Siebert. Dieses Unternehmen könne dann verlangen, dass die gesetzlichen Anforderungen auch in den nicht direkt betroffenen Unternehmen erfüllt werden und die Einhaltung dokumentiert wird. Ganz entscheidend sei dabei, dass es keine "one-size fits all" Lösung für alle gebe - das LkSG erkennt an, dass unterschiedliche Unternehmensgrößen, Tätigkeitsbereiche und Organisationsformen unterschiedliche Maßnahmen erfordern - jedes Unternehmen müsse für sich die individuell relevanten Risiken ermitteln und (nur) für diese angemessene Vorkehrungen treffen.

Hinzu kommt: Der Begriff „Lieferkette“ ist sehr weit gefasst. „Der erste Gedanke, von dem man sich verabschieden muss, ist die Idee, dass sich das Gesetz lediglich auf den Handel mit Waren bezieht“, sagt Tobias Gries, Partner in der Abteilung Real Estate im Berliner Büro von K&L Gates. Im Gegenteil: Unter die Lieferkette fallen alle Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens sowie jegliche Aktivitäten, die zu deren Herstellung und Erbringung erforderlich sind. „Als Akteure innerhalb der Lieferkette können also auch Dienstleister wie Makler, Facility Manager, Property Manager und Asset Manager gefasst werden, genauso wie Eigentümer, Projektentwickler, Vermieter und Verkäufer“, so Gries. „Alles, was Sie sich als Rolle in der Immobilienwirtschaft vorstellen können, kann potenziell auch Teil der Lieferkette sein und damit direkt oder indirekt von dem Gesetz betroffen sein.“

Verstöße gegen die Sorgfalts- und Berichtspflichten werden hart sanktioniert – mit Bußgeldern in Höhe von bis zu acht Millionen Euro. Unternehmen mit einem Jahresumsatz von durchschnittlich mehr als 400 Millionen Euro drohen Strafen von bis zu zwei Prozent ihres durchschnittlichen Jahresumsatzes. Außerdem können Unternehmen bis zu drei Jahre von der Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden.

Nicht korrekt durchgeführte Risikoanalyse belastet zahlreiche Nachunternehmer

Viele Immobilienunternehmen stellt das LkSG vor große Herausforderungen, weiß Hanna Ritter, Senior Director ESG bei REICON Consulting: „Betroffene Unternehmen fürchten insbesondere die möglichen Sanktionsmaßnahmen und wollen sich daher um jeden Preis und in jeglicher Hinsicht absichern, was oft zu einer Art Overdoing führt. Die mittelbar und unmittelbar betroffenen Unternehmen wiederum fühlen sich aufgrund fehlenden Know-hows und der Abwälzung auf sie oft überfordert und klagen über zu viel Bürokratie. Das betrifft beispielsweise Nachunternehmergruppen im Bau und der Immobilienbewirtschaftung wie Facility Manager oder kleinere Handwerksbetriebe."

Ein Hauptproblem sei, dass in der Anwendung des Gesetzes die Risikoanalyse der betroffenen Unternehmen nicht sinngemäß durchgeführt werde. „Es wird vorab nicht immer genau geprüft, ob in diesem Teil der Lieferkette überhaupt Risiken bestehen. Das betrifft unter anderem die sehr umfangreichen Fragebögen, die viele kleine und mittlere Unternehmen streuartig erhalten, die jedoch für das Unternehmen keinerlei Relevanz haben, da sie nicht auf die Leistungen des jeweiligen Lieferanten zugeschnitten sind." Für nachgelagerte Unternehmen entstehe ein immenser Aufwand, der „im schlimmsten Fall dazu führen kann, dass Dienstleister keine Zusammenarbeit mehr eingehen wollen", so Ritter.

Für eine angemessene Anwendung des Gesetzes sei es zwingend notwendig, die Bürokratie für Nachunternehmergruppen so gering wie möglich zu halten: „Betroffenen Kunden empfehlen wir, Risiken detaillierter zu definieren, die Fragebögen dahingehend anzupassen und weniger umfangreich zu halten, sodass Unternehmen ihre Nachunternehmer nicht überfordern."
Ritter plädiert deshalb für eine ordentlich durchgeführte Risikoanalyse. Zudem rät sie Immobilienunternehmen dazu, einen Code of Conduct zu erstellen, der das gewünschte Verhalten der Lieferanten mit Blick auf Themen wie Nachhaltigkeitsziele und -werte, Compliance sowie Prävention von Korruption und Bestechung beinhaltet.

Eine effiziente und verhältnismäßige Umsetzung ist anhand einfacher digitaler Lösungen möglich

Auch Dr. Thomas Mielke, Geschäftsführer bei Metroplan, einem der führenden technischen Beratungs- und Planungsunternehmen, rät zu einer effizienten und maßvollen Umsetzung der vom LkSG geforderten Maßnahmen. „Es wird nicht erwartet, dass extra neue Mitarbeiter eingestellt werden, die sich ausschließlich um die Einhaltung des Gesetzes kümmern. Vielmehr geht es darum, die Sorgfaltspflichten in die bestehenden Geschäftsprozesse zu integrieren – und zwar in einem verhältnismäßigen und zumutbaren Rahmen.“ Am einfachsten sei es, die erforderlichen Maßnahmen in ein bestehendes digitales Lieferantenmanagementsystem einzupflegen – oder diese direkt im Rahmen der Digitalisierungsstrategie zu implementieren.
Um den Arbeitsaufwand zu reduzieren, bietet Metroplan beispielsweise ein Filterprogramm an, das anhand verschiedener Selektionskriterien wie Standort, Warengruppe, Größe oder auch Presseberichterstattung diejenigen Lieferanten mit dem größten Risikopotenzial und dem höchsten Handlungsbedarf herausfiltere. „Diesen Unternehmen können im Rahmen eines Lieferantenmanagementsystems dann spezifische, aus dem Gesetz abgeleitete Fragen gestellt werden, etwa zu Umweltschutz, Arbeitssicherheit, Menschen- und Arbeitsrechten oder Anti-Korruption und Anti-Bestechung. „Wenn diese Fragen zufriedenstellend von den Lieferanten beantwortet werden, sind die Sorgfaltspflichten bereits erfüllt“, erklärt Mielke. Und auch bei der Dokumentation und der jährlichen Berichterstattung sei entscheidend nachzuweisen, dass man einen Prozess habe, mit dem man systematisch nach Verstößen suchen könne. „Die Unternehmen müssen zeigen, dass sie die Lieferanten im Blick haben und die kritischen Lieferanten eng beobachten oder Verbesserungsmaßnahmen mit ihnen abstimmen“, so Mielke.
Vermietung als Teil der Lieferkette? Perspektive entscheidend

Auch wenn sich viele Aspekte rund um das LkSG mithilfe von Risikoanalysen, digitalen Tools und der Hilfe von Experten einfach lösen lassen, so bleiben dennoch Fragen offen. Eine Frage, die laut Hanna Ritter sowohl viele Vermieter als auch Mieter beschäftigt, ist diejenige, ob die Vermietung von Büro- oder Produktionsflächen Teil der Lieferkette sei. „Per deutschem Gesetz ist die Beziehung zum Endkunden eines Unternehmens nicht Teil der Lieferkette, weil der Kunde für den Herstellungsprozess nicht erforderlich ist”, sagt Ritter. „Aus Sicht des Vermieters ist die Vermietung also nicht Teil von dessen Lieferkette, weil die Vermietung unmittelbar die Leistung des Vermieters an seinen Endkunden darstellt. Aus Sicht des Mieters ist der Mietvertrag hingegen meist Teil von dessen Lieferkette, sodass der Vermieter doch von dem Lieferkettengesetz betroffen ist und teils sehr umfangreiche Fragebögen ausfüllen muss.” Rechtsanwalt Tobias Gries pflichtet Ritter bei: „Wenn ein Mieter etwa ein Werk auf einem Grundstück betreibt, so ist dieses Grundstück Teil der Lieferkette.” Man werde sich also mit dem Gedanken anfreunden müssen, auch als Eigentümer Teil einer Lieferkette zu sein. Letztlich komme es aber auf den Einzelfall an.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von K&L Gates, Metroplan, REICON Consulting
Erstveröffentlichung: Pressemitteilung vom 11. Juli 2024

Konversation wird geladen