Welche Prioritäten sehen die Parteien für die Immobilienwirtschaft?
In den – teilweise recht umfangreichen – Wahlprogrammen der einzelnen Parteien zur Bundestagswahl 2017 finden sich zahlreiche Aussagen, die direkt oder indirekt einen Bezug zur Immobilienwirtschaft haben. Doch wo sehen die einzelnen Parteien die Prioritäten mit Blick auf unsere Branche? The Property Post hat dazu einen virtuellen Round Table veranstaltet und die Pressestellen der im Bundestag vertretenen Parteien sowie derjenigen mit den größten Chancen auf einen Einzug ins Parlament angeschrieben. Wir baten jeweils um ein Statement zu folgenden Fragen:
Was sind aus Ihrer Sicht die dringlichsten Aufgaben der Politik mit Blick auf die Immobilienwirtschaft? Wo sehen Sie die größten Risiken und Gefahren? Welche Veränderungen der für die Immobilienwirtschaft relevanten Rahmenbedingungen sollten in der bevorstehenden Legislaturperiode umgesetzt werden?
Bündnis 90/Die Grünen, CDU, Die Linke, FDP und SPD (in alphabetischer Reihenfolge der offiziellen Parteinamen) haben uns geantwortet; die AfD hat nicht auf die Anfrage reagiert. Im Folgenden finden Sie die Statements der einzelnen Parteien.
Bündnis 90/Die Grünen antworteten wie folgt:
„Vielerorts muss der Mietanstieg gedämpft werden, um den sozialen Zusammenhalt zu stärken, der Verdrängung von Familien und Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen und dem Entstehen neuer sozialer Brennpunkte vorzubeugen. Der Neubau hinkt vor allem bei günstigen Mietwohnungen stark hinter der Nachfrage her. Wir wollen daher mit attraktiven Zuschüssen und Steuerbefreiung diejenigen Eigentümer finanziell fördern, die dauerhaft günstige Wohnungen in den Städten und Ballungsräumen schaffen und sichern.
In strukturschwachen Regionen wollen wir die Entwertung bestehender Wohnhäuser durch Leerstand und unbelebte Ortskerne bekämpfen. Daher wollen wir hier Renovierungen bestehender Gebäude erleichtern, die Innenentwicklung stärken und Ortszentren beleben.
Der Klimaschutz im Gebäudebereich kommt nicht voran. Wir wollen die staatliche Förderung fossiler Heizungen beenden, faire Wärme in ganzen Stadtvierteln mit 2 Milliarden Euro im Jahr fördern und Mieterstrom erleichtern, das Energieeinsparrecht vereinfachen und stärker als heute am CO2-Ausstoß ausrichten.“
Für die Christlich-Demokratische Union Deutschlands und die Christlich-Soziale Union in Bayern antwortete Marie-Luise Dött, Bau- und wohnungspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag:
„Ausreichender und bezahlbarer Wohnraum in guter Qualität ist eine wichtige Voraussetzung für gutes Leben in Deutschland. Vor diesem Hintergrund werden die Beschleunigung des Wohnungsbaus und die energetische Sanierung des Gebäudebestandes die wesentlichen wohnungspolitischen Herausforderungen der kommenden vier Jahre sein. Wir wollen, dass in der nächsten Wahlperiode 1,5 Millionen Wohnungen von 2017 – 2021 in Deutschland neu gebaut werden. Aufgabe der nächsten Bundesregierung wird es sein, die richtigen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. CDU und CSU haben dafür ein klares Konzept. Wir werden noch im 1. Halbjahr 2018 auf einem „Wohnungsgipfel“ von Bund, Ländern, Gemeinden, Bau- und Immobilienwirtschaft verbindliche Festlegungen aller Beteiligten herbeiführen. Dabei setzen wir uns für folgende Maßnahmen ein:
- Steuerliche Förderung des Neubaus von Mietwohnungen durch Wiedereinführung der degressiven AfA für einen begrenzten Zeitraum.
- Zahlung eines Baukindergeldes in Höhe von 1.200 Euro jährlich für jedes Kind auf zehn Jahre bei Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum.
- Einführung von Freibeträgen bei der Grunderwerbsteuer für Erwachsene und Kinder Dies soll für den erstmaligen Erwerb selbstgenutzten Wohneigentums gelten.
- Grundbesitzer, die landwirtschaftliche Flächen für Bauland zur Verfügung stellen, sollen die dabei erzielten Einnahmen steuerbegünstigt in den Mietwohnungsbau reinvestieren können.
- Weitere Erleichterung des verbilligten Verkaufs von Grundstücken des Bundes an Städte und Gemeinden.
- Verzicht auf Maßnahmen, die die Schaffung von Wohnraum zusätzlich verteuern. Wir werden prüfen, inwieweit durch die Abschaffung überflüssiger Vorschriften Kostensenkungspotenziale erschlossen werden können.
- Steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung
- Reform des Systems des Wohngeldes, um den individuellen Lebenssituationen besser gerecht zu werden.“
Für Die Linke antwortete Caren Lay, stellvertretende Vorsitzende der Fraktion Die Linke im Deutschen Bundestag:
„Die größte Herausforderung der nächsten Jahre in der Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik ist der eklatante Mangel an bezahlbarem Wohnraum. In unseren Städten findet eine gefährliche soziale Spaltung in reiche und arme Quartiere statt, die sich immer mehr verschärft. Bundesweit fehlen 5 Millionen Sozialwohnungen. Durch steigende Mieten und den anhaltenden Niedergang des sozialen Wohnungsbaus geht weiterhin bezahlbarer Wohnraum verloren, wo er am dringendsten gebraucht wird: in den Großstädten, Ballungszentren und Universitätsstädten. Dort finden Durchschnittsverdiener und Menschen mit niedrigen Einkommen kaum noch Wohnungen. Die zweite große Herausforderung ist die energetische Sanierung von Gebäuden. Dieser unverzichtbare Beitrag zum Klimaschutz darf aber nicht dazu führen, dass Wohnraum für Menschen mit geringen Einkommen unbezahlbar wird oder Eigentümerinnen und Eigentümer über Gebühr belastet werden.
Obwohl so viel gebaut wird, wie seit vielen Jahren nicht mehr, entsteht die überwiegende Mehrzahl von neugebauten Wohnungen im hochpreisigen Segment. Wir wollen deshalb den Neustart eines sozialen, gemeinnützigen Wohnungsbaus. Dafür soll die Wohnraumförderung des Bundes auf jährlich 5 Milliarden Euro erhöht, über das Jahr 2019 hinaus sichergestellt und vorrangig an kommunale und gemeinnützige Träger vergeben werden. So sollen 250.000 Wohnungen jährlich mit dauerhaften Sozialbindungen entstehen. Die größte Hürde für einen bezahlbaren Neubau sind derzeit die hohen Grundstückspreise. Wir wollen Gewinne aus Grundstücksgeschäften effektiv besteuern, Share-Deals unterbinden sowie öffentliche Grundstücke vorrangig und deutlich verbilligt für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stellen. Dafür müssen Bund, Länder und Kommunen ihre Liegenschaftspolitik ändern. Statt zu Höchstpreisen zu verkaufen müssen soziale Konzepte Vorrang haben. Um den Verlust weiteren bezahlbaren Wohnraums zu verhindern, wollen wir eine Mietpreisbremse, die flächendeckend, ausnahmslos und unbefristet gilt. Statt Vermieter durch die Umlage zu möglichst teuren Modernisierungen einzuladen, wollen wir gezielte Sanierungen fördern. DIE LINKE will die KfW-Fördermittel für energetische Sanierungen auf mindestens 5 Milliarden Euro pro Jahr erhöhen und die Förderung entbürokratisieren. Zusätzlich sollen steuerliche Anreize geschaffen werden.“
Für die Freie Demokratische Partei antwortete Dr. Hermann Otto Solms, Mitglied des Präsidiums und Bundesschatzmeister der FDP:
„Eine der dringlichsten Aufgaben ist es, die Wohnungsnot in den Ballungszenten zu bekämpfen und den Neubau und Eigentumserwerb wieder attraktiver zu machen. Die Politik hat hier konkrete Handlungsmöglichkeiten beispielsweise bei der Grundsteuer, der Grunderwerbsteuer, der schnelleren Ausweisung von Bauland und der Straffung von Prozessen und Vorschriften im Baurecht. Auch die Herausforderungen des demografischen Wandels, der Digitalisierung, des Klimaschutzes sowie der Integration und Inklusion erfordern eine innovative Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik. Eine Konzentration der Zuständigkeiten kann hier Verfahren beschleunigen und Abstimmungsprobleme verringern.
Wir wollen die vielen Bremsen beim Wohnungsbau lösen und Investitionsanreize schaffen. Konkret möchten wir zum Beispiel die jährliche Abschreibungsrate für Gebäude von zwei auf drei Prozent erhöhen, die Mietpreisbremse abschaffen und die EU-Wohnimmobilienkreditrichtlinie 1:1 umzusetzen. Um es auch Familien mit kleinen und mittleren Einkommen zu erleichtern, Wohneigentum zu bilden, wollen wir einen Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer von bis zu 500.000 Euro für natürliche Personen beim Erwerb von Wohnimmobilien einführen.“
Für die Sozialdemokratische Partei Deutschlands antwortete der Parteivorstand:
„Die dringlichste Aufgabe aus Sicht der SPD für die Wohnungs- und Baupolitik ist der Bau von bezahlbarem Wohnraum. Die eigenen vier Wände sind entscheidend für ein gutes Leben. Deshalb müssen die Mieten auch in den Metropolen bezahlbar bleiben. Viele haben auch den Traum von einer eigenen Wohnung oder einem eigenen Haus. Wir wollen dabei helfen, diesen Traum zu verwirklichen und werden den Erwerb von Wohneigentum in der Stadt und auf dem Land stärker fördern. Im ländlichen Raum sorgen wir für eine starke öffentliche Infrastruktur, damit keine Region abgehängt wird. Wir wollen, dass Wohnen bezahlbar bleibt, gerade auch mit mittlerem und niedrigem Einkommen. Wenn Menschen mehr als ein Drittel ihres Einkommens für Wohnen ausgeben müssen, dann ist das zu viel.
Wohnraum darf kein reines Spekulationsobjekt sein, sondern muss nachhaltig und sozial in einem gesunden Stadt- und Wohnumfeld verfügbar sein. Hierfür haben wir bereits in der vergangenen Legislatur wichtige Schritte unternommen, die es in den kommenden Jahren fortzuführen gilt. Die soziale Wohnraumförderung wurde verdreifacht auf 1,5 Mrd. Euro und sollte auch in dieser Höhe fortgeführt werden, auch nach 2019 und dem Auslaufen der Kompensationszahlungen des Bundes. Hierzu gehört ebenso eine gemeinsame Verantwortung des Bundes, der Länder und Kommunen über 2019 hinaus. Die Städtebauförderung sollte zumindest in gleicher Höhe fortgeführt werden bzw. bei Mehrbedarf angepasst werden. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BIMA) sollte Vergabe von Immobilien und Grundstücken nach Konzept und nicht nach Höchstpreis im Sinne einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung zum Grundsatz haben. Hierfür ist eine Anpassung im BIMA-Gesetz notwendig.
Das von Bundesbauministerin ins Leben gerufene Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen – als intensiven Austausch aller Akteure am Markt gilt es ebenso fortzuführen. Um Familien mit Kindern zu fördern setzen wir uns für ein Familienbaugeld ein. Ebenso darf mit dem einhergehenden demographischen Wandel der Fokus des altersgerechten Umbaus nicht vernachlässigt werden. Die KfW-Zuschüsse und Kredite für den altersgerechten Umbau müssen aus unserer Sicht weiter ausgebaut werden. Außerdem werden wir aus Sicht der Wohnungsbaupolitiker der SPD-Bundestagsfraktion ein besonderes Augenmerk auf das Thema Smart Home – und Smart City legen, um die Chancen gerade auch für SeniorenInnen für ein langes und selbstbestimmtes Leben in den eigenen vier Wänden zu erhöhen. Energetische Sanierungen dürfen nicht zur Verdrängung oder auch zur Energiearmut führen. Hierfür sollten die Fördermöglichkeiten beibehalten, aber die Förderansätze auf ihre zielführende Wirkung und Sozialverträglichkeit dringend überprüft und angepasst werden. Quartierslösungen sind stärker in den Vordergrund zu rücken. Insgesamt setzen wir uns als SPD für lebenswerte Städte und lebenswerte Quartiere ein!“
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von den Verantwortlichen der Parteien
Erstveröffentlichung: The Property Post, September 2017