Es steht nicht gut um den Wohnungsbau in Berlin. Gestiegene Bau- und Finanzierungskosten bringen Käufer und Mieter, aber auch Investoren und Bauträger zunehmend an die Grenzen ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Gleichwohl werden in Berlin weiterhin Wohnungen gebaut und bezogen.
Bei einer Presseveranstaltung am 24. April 2024, an der Martin Schaefer, Bürgermeister von Lichtenberg; Claus Pretzell, Chefvolkswirt der IBB; Dr. Simon Kempf, Geschäftsführer der DLE Land Development; Dr. Clemens Paschke, Geschäftsführer bei der wvm Gruppe und Pepijn Morshuis, Geschäftsführer von Trei Real Estate teilnahmen ging es um aktuelle Entwicklungen beim Wohnungsneubau und um die Frage wie sich Genehmigungen und Fertigstellungen eventuell noch steigern lassen.
Dr. Simon Kempf, Geschäftsführer der DLE Land Development (DLE) sagte dazu. „Der politische Wille, das für den Wohnungsbau erforderliche Baurecht zu schaffen, ist in den einzelnen Bezirken Berlins ganz unterschiedlich ausgeprägt. In Lichtenberg beispielsweise besteht kein Zweifel, dass der Bezirk neue Wohnungen und die erforderliche Infrastruktur errichten will. Das zeigen die absoluten Genehmigungszahlen ebenso wie der jeweilige Genehmigungsfortschritt. In diesem Sinne sind wir zuversichtlich, bis Mitte nächsten Jahres Baurecht für ein prominentes Grundstück in Lichtenberg schaffen zu können. Zumal durch das geplante Schneller-Bauen-Gesetz mancher Genehmigungsschritt erleichtert werden könnte."
Die DLE plant derzeit auf dem 31.100 Quadratmeter großen Grundstück des ehemaligen Sporthotel Hohenschönhausen an der Konrad-Wolf-Straße ein Quartier mit einer Geschossfläche von 70.200 Quadratmetern, wovon 80 Prozent für Wohnen und 20 Prozent für Gewerbe angedacht sind. Im Augenblick spricht das Unternehmen mit dem Bezirk über die Verteilung der Baukörper, mögliche Hochpunkte, Durchwegungen und die Nutzung der Freiflächen zwischen den einzelnen Gebäuden.
Für Pepijn Morshuis, CEO der Trei Real Estate (Trei), liegen die Hürden für den Berliner Wohnungsbau in erster Linie an den regulatorischen Anforderungen und komplexen B-Planverfahren. „Projektentwickler brauchen gerade im aktuellen Marktumfeld Planungssicherheit. Doch allein das B-Plan-Verfahren ist in Berlin viel zu langwierig und komplex. Die durchschnittliche Bearbeitungszeit liegt mittlerweile bei rund zehn Jahren – das kennen wir weder von unseren Wohnprojekten in anderen deutschen Städten noch aus dem Ausland. Ich wünsche mir, dass die Berliner Landesregierung die im Entwurf zum Schneller-Bauen-Gesetz vorgesehenen Maßnahmen rasch beschließt und zügig umsetzt und darüber hinaus eine flexiblere Auslegung des Paragraphen 34 BauGB ermöglicht.“
Das Schneller-Bauen-Gesetz liegt aktuell als Referentenentwurf vor und umfasst 41 Änderungen in neun Gesetzen und einer Rechtsverordnung sowie 69 sogenannte untergesetzliche Maßnahmen, die überwiegend auf die Verschlankung und Beschleunigung der Entscheidungsprozesse innerhalb der Berliner Verwaltung zielen.
Für Martin Schaefer, Bezirksbürgermeister von Berlin-Lichtenberg, hat die Beschleunigung von Verwaltungsprozessen die höchste Priorität. „Es ist natürlich eine bittere Pille, dass wir ein solches Gesetz brauchen, um den Wohnungsbau anzukurbeln. Eigentlich benötigen wir in Berlin ein Schneller-Verwalten-Gesetz, denn wir müssen berlinweit die Genehmigungsprozesse beschleunigen und das B-Planverfahren verkürzen. Zehn Jahre sind einfach zu lange – maximal zwei bis drei Jahre sollten für ein B-Planverfahren das Ziel sein. In Lichtenberg haben wir dazu neue Stellen in unserer Bezirksverwaltung geschaffen, um das Baurecht schneller zu schaffen.“
Schaefer ergänzt: „Eine flexiblere Nutzung des Paragraphen 34 BauGB sollte ebenfalls geprüft werden. Allerdings bekommen wir damit die Kita- und Schulplätze nicht abgedeckt, die wir in unserem Bezirk dringend benötigen. Lichtenberg zieht verstärkt Familien an und wir können den Kindern nicht zumuten, täglich mit dem Bus in die Nachbarbezirke zu fahren. Daher nutzen wir bei größeren Bauvorhaben grundsätzlich das B-Planverfahren, um die Schulentwicklungsplanung mit zu berücksichtigen.“
Dass eine Erweiterung des Wohnungsangebotes unbedingt erforderlich ist, unterstreicht auch der Chefvolkswirt der Investitionsbank Berlin (IBB), Claus Pretzell. „Die Berliner Wirtschaft dürfte, nach einem preisbereinigten BIP-Wachstum von 1,6 Prozent in 2023, auch in diesem Jahr mit rund 2 Prozent wieder deutlich oberhalb des Bundesdurchschnitts abschneiden. Zugleich erwarten wir ein weiteres Wachstum der Bevölkerungszahl, bei einem kurzfristig bestenfalls stagnierenden Wohnungsbau. Das übt einen erheblichen Druck auf die Wohnungsmieten aus.“
Während die verfügbaren Einkommen in Berlin in den vergangenen zehn Jahren um immerhin 27 Prozent gestiegen seien, erhöhten sich die Angebotsmieten laut aktuellem Wohnungsmarktbericht der IBB im gleichen Zeitraum um 47 Prozent. Danach mussten Berliner Haushalte 2023 über das gesamte Stadtgebiet gerechnet 13,99 Euro/qm für eine neu anzumietende Wohnung ausgeben, in der Berliner Innenstadt lagen die Angebote sogar mehrheitlich bei 18 Euro/qm. Obwohl die ortsübliche Vergleichsmiete mit 7,16 Euro/qm in Berlin noch am unteren Ende der deutschen Metropolen liegt, ist der Preisunterschied zur Angebotsmiete in Berlin mit 95 Prozent inzwischen deutlich höher als in München (42 Prozent), Hamburg (36 Prozent) oder Leipzig (35 Prozent).
Trotz der insgesamt positiven wirtschaftlichen Perspektive Berlins sieht Pretzell die Hauptstadt vor enormen Herausforderungen. Sollte es nicht gelingen, den Wohnungsbau signifikant zu steigern, könnte auch das Potenzialwachstum Berlins gebremst werden. „Viele der schnell wachsenden Wirtschaftsbereiche wie die Digitalwirtschaft oder die unternehmensnahen Dienstleistungen benötigen händeringend gut ausgebildete Fachkräfte, die am heimischen Arbeitsmarkt nicht in ausreichender Zahl verfügbar sind. Das Gleiche gilt auch für Handwerksbetriebe, Kitas, Verkehrsunternehmen und Gesundheitsdienste. Wenn aber aufgrund von Wohnungsmangel nicht mehr genügend Fachkräfte nach Berlin ziehen können, würden Investitionen und Neuansiedlungen gedrosselt. Der Mangel an verfügbaren Wohnraum hätte dann ganz handfeste wirtschaftliche Auswirkungen“, sagt Pretzell.
Zu den Unternehmen, die in Berlin weiter privaten Wohnungsbau realisieren und zum Abschmelzen des Bauüberhangs beitragen, gehört die wvm Gruppe. Demnächst startet das aus Köln stammende Unternehmen mit einem 321 Wohnungen umfassenden Vorhaben an der Zwieseler Straße im Berlin-Lichtenberger Ortsteil Karlshorst. Das Vorhaben wird auf einem 22.330 Quadratmeter großen Grundstück nach dem Berliner Model der Korporativen Baulandentwicklung errichtet. Das bedeutet: 30 Prozent der Wohnfläche sind für öffentlich geförderten Wohnraum vorgesehen. „Wir werden an der Zwieseler Straße zudem 66 freifinanzierte Mietwohnungen und 147 Eigentumswohnungen sowie eine Kita mit bis zu 45 Betreuungsplätzen und Tiefgarage mit knapp 120 Stellplätzen errichten. Dazu kommen 800 Fahrradstellplätze“, sagt Geschäftsführer Dr. Clemens Paschke. Die Fertigstellung sei – Stand heute – für Ende 2027 vorgesehen. “Wir starten mutig in einer kritischen Marktphase und werden als solide aufgestelltes Unternehmen auch dieses Vorhaben zu Ende bringen.”
„Bei den Wohnungsgrundrissen reagieren wir auf die Berliner Besonderheiten“, sagt Dr. Paschke. „Das bedeutet, dass wir mit 40 Prozent Vier-Zimmerwohnungen oder mehr vergleichsweise viel familiengerechten Wohnraum errichten, der insbesondere in Karlshorst dringend gebraucht wird. Darüber hinaus ist Berlin auch die Singlehauptstadt des Landes, weshalb 20 Prozent als Zwei-Zimmerwohnungen geplant sind. Generell richten wir im gegenwärtigen Markt- und Finanzierungsumfeld viel Aufmerksamkeit auf Flächenoptimierung beim Bauen. Wir bauen sehr effiziente Grundrisse und machen so neuen Wohnraum für viele Menschen bezahlbar.“
„Unser Ziel ist, ein gut gemischtes Quartier, das auch bezahlbares Wohnen für mittlere Einkommen ermöglicht“, sagt Dr. Paschke. Für die kommenden Jahre sieht er die wvm Gruppe, die unter anderem auch in Weißensee in der Pistorius- und in der Roelckestraße sowie in der Bürgerstraße in Neukölln baut, gut aufgestellt. „Wir werden in Berlin sowie im berlinnahen Umland weitere Wohnobjekte mit 40 bis ca. 220 Wohnungen errichten und als mittelständisches Unternehmen zum Wachstum von Stadt und Region beitragen.“
Eine Möglichkeit, mehr Wohnungsbau in Berlin zu realisieren, sieht Pepijn Morshuis in einer stärkeren Nachverdichtung. „Grundstücke, die mit eingeschossigen Einzelhandelsimmobilien bebaut sind, bieten großes Potential für den Wohnungsbau.“ Die Trei Real Estate nutzt seit Jahren Grundstücke mit eingeschossigen Supermärkten aus ihrem Bestand, um sie mit Mehrfamilienhäusern zu bebauen und dort Nahversorger zu integrieren.
In der Fürstenberger Straße in Berlin-Mitte wurde beispielsweise eine veraltete eingeschossige Einzelhandelsimmobilie durch einen Neubau mit 117 Mietwohnungen ersetzt. Im Erdgeschoss wurde eine rund 1.800 qm große Handelsfläche geschaffen. Bisher hat die Trei in Berlin drei solcher Projektentwicklungen fertiggestellt, fünf weitere Nachverdichtungen befinden sich aktuell in unterschiedlichen Genehmigungsphasen. Pepijn Morshuis ist überzeugt: „In die Höhe zu bauen sei die naheliegendste Möglichkeit, um Grundstücksflächen besser auszunutzen. Berlin sollte größere Gebäudehöhen ermöglichen und Aufstockungen erleichtern.” Die Trei entwickelt Wohnimmobilien in Deutschland, Polen und den USA. 2024 will das Unternehmen in allen drei Ländern rund 1.000 Wohneinheiten fertigstellen.
Neben der Verdichtung spielt auch die Umnutzung von Gewerbegrundstücken in den Plänen der Unternehmen eine wichtige Rolle. „Für zahlreiche kleinere Gewerbegrundstücke in Wohngegenden in Berlin, drängt sich aufgrund des angespannten Mietmarktes sowie bestehender, angrenzender Wohnbebauung, eine Wohn- statt Gewerbenutzung geradezu auf“, sagt Simon Kempf. „Eine Befreiung vom B-Planverfahren über sogenannte Dispensverträge würde hier dazu beitragen, künftig schnell bezahlbaren Wohnraum zu realisieren. Beispiele im DLE-Portfolio sind die 4.800 beziehungsweise 8.400 Quadratmeter großen Areale in der Rauchstraße in Spandau – ein ehemaliges Supermarktgelände - sowie in direkter Wasserlage in der Tabbertstraße in Oberschöneweide."
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Investitionsbank Berlin, DLE, TREI, wvm-Gruppe
Erstveröffentlichung: Pressemitteilung vom 25.04.2024