Höhere Mieten kompensieren Zinsanstieg nicht
Die Preise für Wohnungen und Häuser in Deutschland stiegen im dritten Quartal 2022 um knapp fünf Prozent gegenüber dem gleichen Vorjahresquartal und damit nur noch etwa halb so stark wie in den Vergleichsperioden 2021/2020, meldet das Statistische Bundesamt vor wenigen Tagen. Das klingt noch nicht dramatisch, bedeutet es doch nur, dass die Wachstumsraten geringer werden. Doch die Wirklichkeit hat die amtlichen Daten aus dem dritten Quartal 2022 überholt. Denn inzwischen fallen die Preise. Das hat der Blick von „The Property Post“ (TPP) auf Wohnungs- und Häuserpreise und Wohnungsmieten in 40 ausgewählten Städten, darunter die sieben Metropolen Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt, Stuttgart und Düsseldorf sowie deren Umlandgemeinden ergeben. Die Untersuchung hat auch ergeben, dass sich die Entwicklung in den Umlandgemeinden nicht signifikant von der in den Metropolen unterscheidet. Das spricht gegen die These, dass das Umland profitiert, wenn die Metropolen wegen horrender Mieten und Kaufpreise Bewohner an angrenzende Kleinstädte und Landkreise verlieren. Auch wenn dort die Nachfrage überdurchschnittlicher gestiegen ist, so hat sich das dennoch bei Mieten und Preisen nicht erkennbar niedergeschlagen.
Die von TPP getroffene Auswahl erhebt nicht den Anspruch repräsentativ zu sein. Die auf der Internetseite von Immobilienscout24 jedem zugänglichen Daten sind aufgrund der in kleinen und mittelgroßen Städten geringen Angebote nicht von gleicher Qualität wie die des Statistischen Bundesamtes für Deutschland insgesamt. Auffällig ist, dass unter den Metropolen nur noch in Berlin die Wohnungspreise im vierten Quartal 2022 gegenüber dem dritten Quartal 2022 gestiegen sind, was jenseits der Top-7-Städte nur noch für vier weitere Großstädte des TPP-Pools gilt. Die Hauspreise weisen in die gleiche Richtung.
Dass der Abwärtstrend sich im Laufe des Jahres umkehren wird, ist sehr unwahrscheinlich. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) schätzt die Preisrückgänge für Häuser und Wohnungen in diesem Jahr auf bis zu zehn Prozent. Die Volkswirte der DZ Bank gehen von sechs Prozent Minus aus.
Die Theorie sagt, was knapp ist, ist teuer und was knapper wird, wird noch teurer. In Deutschland ist Wohnraum knapp und wird noch knapper, weil auf der einen Seite die Bevölkerung und damit die Nachfrage wächst und auf der anderen Seite Neubauprojekte gestrichen werden, obwohl gemessen am Bedarf bereits zu wenig gebaut wurde. Also müsste sich die Nachfrage der Investoren auf den Wohnungsbestand konzentrieren und die Preise für Bestandswohnungen hochtreiben. Doch die Immobilienscout24-Daten zeigen, dass dies nicht der Fall ist, denn Angebote für noch nicht fertiggestellte Objekte sind die Ausnahme auf Portalen wie diesem.
Nun stellt die zum Jahreswechsel 2021 auf 2022 noch vom Boom der vergangenen Jahre euphorisierte Branche erschrocken fest, dass der damals prognostizierte Aufwärtstrend sich in einen Abwärtstrend verkehrt hat. Schuld am Prognoseirrtum ist ein exogener Schock: Der Überfall Russlands auf die Ukraine und die in der Folgen steigenden Energiepreise haben eine hohe Inflation ausgelöst und dadurch die Zinsen hochgetrieben. Sie sind die Erklärung für die Zurückhaltung der Investoren. Dabei gaben vor zwei, drei Jahren noch eine Reihe von Branchenvertretern die Parole aus, wenn der unwahrscheinliche Fall eintrete, dass die Zinsen um ein oder zwei Prozentpunkte stiegen, vertrage die Branche das durchaus. Ein Irrtum, zeigt sich nun.
Warum zögern Investoren trotz steigender Wohnungsmieten, die TPP in 35 der betrachteten 40 Städte feststellte, Wohnungen zu kaufen? Eine Erklärung: Die Zinsen sind schneller gestiegen als die Mieten. Deshalb dürften die Nettomietrenditen jetzt überwiegend niedriger sein als die Fremdkapitalzinsen. Außerdem suggerieren die meisten Mietstatistiken Möglichkeiten zur Mieterhöhung, die in der Praxis nicht bestehen. Denn die dort genannten Mietsteigerungsraten – so auch die von Immobilienscout24 – basieren auf angebotenen Neuvertragsmieten. Doch Bestandsmieten steigen weniger schnell als Neuvertragsmieten. Phasen in denen dies anders war, hat es in Deutschland nach dem Krieg nur sehr kurzzeitig gegeben. Mieterwechsel sind für Vermieter die ideale Gelegenheit Mieten deutlich zu erhöhen. Doch diese Chance hat der Käufer eines Wohnungsportfolios im ersten Jahr bestenfalls für ein Zehntel des Portfolios. Mietrenditen und Kreditzinsen müssen sich so lange aufeinander zubewegen, bis die Mietrendite deutlich über den Kreditzinsen liegen. Nicht zu vergessen: Institutionelle Investoren sorgten seit Jahren für hohe Transaktionsvolumina. Für sie verlieren Wohnungen nun im Vergleich zu anderen Vermögensklassen an Attraktivität. Das verstärkt den Abwärtstrend. Die Wohnungspreise werden weiter fallen.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Reiner Reichel
Erstveröffentlichung: The Property Post, Januar 2023