15.02.2023

Wohnungspolitik: Bilanz des Versagens

Unsinnige Forderungen, statt sinnvolle Förderung

Reiner Reichel, Redakteur, The Property Post

Berlin hat am vergangenen Sonntag neu gewählt. Doch nach dem Schließen der Wahllokale ging der Wahlkampf im Fernsehen weiter. Ein Streitpunkt: die Wohnungspolitik. Dass es in der Hauptstadt zu wenige Wohnungen gibt, sei Schuld der SPD-geführten Koalition mit Grünen und Linken, behauptet die CDU. Wer mit Enteignung drohe, verprelle Investoren und würge den Neubau ab, argumentiert der Wahlgewinner. Die Forderung Vonovia & Co. zu enteignen ist das Ergebnis eines Volksentscheids. Diese Forderung aufzugreifen ist für eine linke Regierungskoalition naheliegend. So zu tun, als wäre die Enteignung ein Mittel gegen stark steigende Mieten und Wohnungsnot, ist populistisch und blendet aus, dass eine Enteignung Verfassungsrechtlich äußerst zweifelhaft ist, den Berliner Mieterinnen und Mietern nichts bringen und den Berliner Haushalt vollends ruinieren würde.

Die Vorwürfe der CDU sind scheinheilig. Im Wahlkampf forderte der Generalsekretär der Berliner CDU, Stefan Evers, Vonovia zum Neubau zu zwingen. Der Wohnungsriese ist einer der größten Vermieter in Berlin und hatte kurz zuvor angekündigt, im laufenden Jahr Neubauprojekte bundesweit zu stoppen. Ermuntert man mit so einer Forderung zum Neubau? Wohl kaum. Es ging um nichts anderes als Stimmenfang. Neue Wohnungen zu bauen  lohnt sich schon angesichts der erhöhten Zinsen schlicht nicht mehr, es sei dann, man rechnet mit utopisch hohen Mieten. Bei diesem Preis sind nach dem Zinsanstieg auf 3,5 Prozent allein die Kapitalkosten je Quadratmeter höher als die von einem Haushalt mit Durchschnittseinkommen bezahlbare Miete. Unter diesen Umständen Neubau zu fordern ist realitätsfern.

Berlin ist überall in Deutschland. In Sachen Wohnungspolitik verkaufen CDU und SPD ihre Wähler seit Jahren für dumm. Die beiden Parteien bestimmen von wenigen Ausnahmen abgesehen seit dem Ende des Zweiten Weltkrieg die Politik in Bund, Ländern und Gemeinden. Sie haben zugelassen, dass weniger Sozialwohnungen entstanden als durch Ablauf der Sozialbindung rausfielen. Sie haben zugelassen, dass mindestens die Hälfte der vorhandenen Sozialwohnungen fehlbelegt sind, also von Haushalten bewohnt werden, die zu viel verdienen. In Berlin hat die Regierung die Fehlbelegungsabgabe sogar abgeschafft. Politiker dieser beiden Parteien haben bundes-, landes- und stadteigene Wohnungsbestände an private Investoren verkauft, statt sie besser zu mangen. Sie haben sich damit die Möglichkeit genommen, mäßigend auf die Mietentwicklung einzuwirken.

Jetzt von Vonovia zu verlangen, geplante Neubauten zu verwirklichen, ist lächerlich. Wer hat es versäumt, Wohnungsbauunternehmen zum Bau genehmigter Projekte zu zwingen?  Diese Politiker. Deshalb fehlen in Deutschland 800.000 Wohnungen, die genehmigt sind, aber nicht gebaut wurden.
Die öffentliche Hand hat Bauland überwiegend meistbietend verkauft und so mit dazu beigetragen, dass die Grundstückspreise hochschossen. Teils unsinnige Bauvorschriften verteuern das Bauen zusätzlich. Das Ergebnis: Dort wo die Wohnungsnot am größten ist, wo Mieten immer häufiger die Hälfte des verfügbaren Einkommens verzehren, in diesen deutschen Großstädten kostet der Neubau eines Quadratmeters Wohnraum 5.000 Euro.
Statt Neubau wirksame zu fördern, lenken Politiker mit populistischen Forderungen von ihren jahrelangen Versäumnissen und Fehlentscheidungen ab.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von The Property Post
Erstveröffentlichung: The Property Post, Februar 2023

Konversation wird geladen
Reiner Reichel, Jahrgang 1956, war viele Jahre Immobilienredaktuer des Handelsblatts. Journalismus betreibt er, wie er Fußball spielt: hart aber fair.

Schriftzug TPP Homepage_Empfehlung der Redaktion.jpg
 


Contentpartner

#