Lehren aus der Corona-Krise
Vor sechs Wochen wurden die Geschäfte geschlossen, eine Woche später ein Kontaktverbot ausgesprochen. Dies alles geschah selbstverständlich zum Schutz der Gesundheit der Menschen. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) fand damals dramatische Worte: „Es geht um Leben und Tod – so einfach ist das. Und so schlimm.“
Seitdem wird gestritten über Lockerungen des Kontaktverbots und darüber, wer wann wieder was verkaufen darf.
Eine Diskussion, die Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) auf die Palme brachte: „Ich wende mich gegen jede dieser zynischen Erwägungen, dass man den Tod von Menschen in Kauf nehmen muss, damit die Wirtschaft läuft", sagte der Minister am 29. März der „Bild am Sonntag“.
Seit Beginn der Krise treffen sich die Ministerpräsidenten regelmäßig mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und regeln, was künftig erlaubt oder verboten ist. Was in diesen Runden besprochen wird, wird an den darauffolgenden Tagen mit schöner Regelmäßigkeit von einem oder mehreren Länderchefs unterlaufen. Nichts anderes ist von der Runde am Donnerstag zu erwarten, in der besprochen werden wird, was nach der am 3. Mai auslaufenden Regelung geschehen soll.
Kanzlerin Merkel hat sich klar positioniert: keine Lockerungen. Das Risiko einer neuen Infektionswelle ist ihr zu groß. Kanzlerkandidat Laschet und seine Landesregierung bringen dagegen eine Lockerung nach der anderen ins Spiel. Laschet möchte im Mai die Gastronomie wieder öffnen und die Bundesliga soll die Saison fortsetzen. Die Vorsichtsmaßnahmen der Deutschen Fußball Liga (DFL) findet er überzeugend. Sein Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) will verkaufsoffene Sonntage noch während der Krise nachholen. Die Regelung, dass nur Geschäfte bis zur Größe von 800 Quadratmeter geöffnet werden dürfen, stellt er ohnehin in Frage.
Dass Merkel solche Pläne für zu forsch hält, ficht Laschet nicht an. Für den NRW-Ministerpräsidenten geht es nicht mehr um Leben oder Tod. Sein Gesundheitsminister Franz-Josef Laumann (CDU) war der erste, die sich verplapperte und das wahre Motiv nannte. Gefragt, warum NRW entgegen der in der Kanzlerin-Runde abgesprochenen 800-Quadratmeter-Regelung die viel größeren Möbelhäuser öffnen lässt, sagte er Mitte April: „Da haben wir ein klares wirtschaftliches Interesse.“ 35.000 Beschäftigte hat die Möbelindustrie des Landes. 60 Prozent aller Küchen werden in NRW gefertigt. Warum will Ministerkollege Pinkwart wieder Kneipenbesuche ermöglichen? In NRW setzen rund 44.000 Gaststätten jährlich 16,5 Milliarden Euro um. NRW repräsentiert damit ein Viertel der Branche. Und was steckt hinter der Fortsetzung der Bundesliga-Saison? Den Profivereinen würden durch Abbruch der Saison rund 750 Millionen Euro entgehen. Ein Drittel der 18 Erstligavereine spielen in NRW, mehr als dem Bevölkerungsanteil des Landes entspricht. Wäre doch zu schön für NRW, wenn Gastronomieöffnung und Bundesliga-Neustart zusammenfallen. Die Fans trinken dann in der Kneipe statt im Stadion. Angenehmer Nebeneffekt: Spiele lenken ab.
Und der Einzelhandel, dem man durch Schließungen so übel mitspielte, darf im bevölkerungsreichsten Bundesland zum Sonntagsausflug in die Innenstadt einladen. Pinkwart regt an, die verkaufsoffenen Sonntage nachzuholen. Wie rechtfertigte Gesundheitsminister Laumann die Öffnung der Möbelhäuser. Die Lägen nicht in den Innenstädten. Schließlich gehe es darum, dass sich die Innenstädte nicht wieder füllen. Ein Wiederspruch – einer von vielen bei der Regelung des Einzelhandels.
Vermieter von Ladenlokalen und Gastronomiebetrieben dürfen sich über jede Lockerung so lange freuen, wie das gesundheitlich gutgeht. Nur wer Umsatz macht, kann Mieten und Pachten zahlen.
Ob es eine weitere Infektionswelle gibt, kann niemand vorhersagen. Wenn sie kommt, zahlen wir alle mit Umsatz-, Gewinn- und Lohneinbußen und manche mit ihrer Gesundheit.
Doch einer Illusion sollten die Deutschen nicht mehr anhängen: Dass es den Politikern zuerst um ihre Gesundheit und dann um die Wirtschaft geht. Doch diese Heuchelei hätten die Bürger schon zu Beginn der Krise entlarven können. Das Kontaktverbot untersagt den Menschen zwar im Privatleben das Risiko einer Ansteckung mit Covid-19 einzugehen. Aber im Arbeitsleben mussten und müssen sie weiterhin das Risiko tragen. Kein Politiker hat die Arbeit in Betrieben untersagt, die nicht lebensnotwendige Güter oder Dienstleistungen in Räumlichkeiten erstellen, in denen der Mindestabstand nicht eingehalten werden kann.
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Erstveröffentlichung: The Property Post, April 2020