16.03.2021

Mehr bauen auf weniger Fläche

Über unpopuläre und unrealistische Forderungen, verfehlte Ziele und den Unwillen zu handeln.

Reiner Reichel, Redakteur, The Property Post

Die Grünen und die Linke bringen Zunder in die Wohnungspolitik. Mitte Februar macht die Runde, Anton Hofreiter, wolle Einfamilienhäuser verbieten. Wenige Tage später fordert Katrin Göring-Eckardt, die zusammen mit Hofreiter die Grünen-Fraktionsdoppelspitze bildet, einen „realen Mietenstopp“. Und zuletzt sprach sich Janine Wissler, die sich seitdem mit Susanne Hennig-Wellsow den Vorsitz der Linken teilt, für die Enteignung großer Wohnungskonzerne aus.

Die eher konservative deutsche Immobilienwirtschaft sieht sich in ihrem Feindbild bestätigt. Dass CDU/CSU- und FDP-Vertreter Grünen-Vertreter Hofreiter entweder nicht zugehört haben oder ihn missverstehen wollten, ist wohl Wahlkampftaktik in einem Jahr, indem vier Landtage und der Bundestag neu gewählt werden.

Schauen wir auf die Fakten. Hofreiter hat nie Einfamilienhäuser verboten oder verbieten wollen. Er hat lediglich festgestellt, dass der Verbrauch an Boden, Material und Energie bezogen auf die Wohnfläche bei einem Einfamilienhaus, erst recht bei einem freistehenden Haus, deutlich höher ist als bei einem Mehrfamilienhaus. Um ein Einfamilienhaus zu bauen, wird nicht nur mehr Energie bei der Baustoffherstellung, sondern auch beim Betrieb verbraucht, was zwangsläufig zu höherem Schadstoffausstoß führt. Das letzte Argument gegen Einfamilienhäuser wäre nur obsolet, wenn ausschließlich Null-Energiehäuser entstünden.

Ausgelöst hat die Diskussion über die Einfamilienhäuser wohl ein Beschluss von SPD und Grünen im Bezirk Hamburg-Nord, in den neuen Bebauungsplänen keine Einfamilien- und Reihenhäuser zu genehmigen. Dass in Ballungsgebieten Grundstücke für freistehende Einfamilienhäuser ausgewiesen werden, kommt schon jetzt praktisch kaum noch vor. Und die für Reihenhäuser ausgewiesenen Parzellen sind inzwischen so klein, dass in den Garten gerade noch ein Kinderplanschbecken passt.

Den Traum vieler Familien vom Eigenheim hat Hofreiter nicht zerstört. Die wissen nämlich, dass die eigenen vier Wände trotz historisch niedriger Zinsen immer ein Traum bleiben werden, weil sie keine Chance haben, das nötige Eigenkapital aufzubauen. Die Wohnraumpreise laufen den Haushaltseinkommen davon. Das Missverhältnis wird noch schlimmer werden. Je rarer Bauplätze für Einfamilienhäuser werden, desto teurer werden sie.
Wer zwar die monatliche Kreditbelastung für Wohneigentum tragen könnte, aber zu wenig Eigenkapital hat, bleibt Mieter. Kein Wunder, dass die Eigentumsquote stagniert und die Konkurrenz um Mietwohnungen hoch bleibt. Zwar sind die Mietpreissprünge bei Neuvermietungen gegenwärtig nicht mehr so hoch wie in den vergangenen Jahren. Aber für viele Menschen wird der Anteil der Miete an den Lebenshaltungskosten selbst dann steigen, wenn sie auf Wohnungswechsel verzichten und deshalb mit weniger stark steigenden Bestandsmieten konfrontiert werden. Die Folgen der Corona-Pandemie – Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit, Insolvenz vieler kleiner Selbstständigen und Freiberufler – lassen sich nicht wegdiskutieren. Dass die Grünen nicht nur für Umweltschutz, sondern auch für Soziales stehen, ist nicht neu. Wie sie den „realen Mietenstopp“ erreichen will, sagt Göring-Eckardt nicht. Die von der SPD favorisierte Mietpreisbremse hat die Mieten kaum gebremst. Der Berliner Mietendeckel hat die Mieten in der Hauptstadt gesenkt, aber mit unerwünschten Nebenwirkungen. Es wurden weniger Wohnungen angeboten und Instandhaltungen ausgesetzt.

Ob eine Verstaatlichung von Wohnungskonzernen die Mieten im Zaun halten würde, ist fraglich. Die großen börsennotierten Gesellschaften verwalten überwiegend ehemals kommunale Bestände, nutzen gewiss sich bietende Mieterhöhungsmöglichkeiten, haben aber noch immer einen geringen Marktanteil und vergleichsweise niedrige Mieten. Wenn es um die Vertreibung von Mietern aus ihren Wohnungen durch Luxussanierungen und Umwandlungen in Eigentumswohnungen geht, spielen sie nicht die erste Geige. Dass die Stimmung in der Bevölkerung zumindest in Berlin gegen die Konzerne ist, zeigen die jüngsten Umfrageergebnisse von Infratest. Nur noch 51 Prozent der befragten Berlinerinnen und Berliner lehnen die Enteignung von Wohnungsunterhemen ab. Eine Enteignung zu fordern ist einfach, sie durchzuziehen gegenwärtig unmöglich. Eine entschädigungslose Enteignung ist aus rechtlichen Gründen in Deutschland nicht vorstellbar und die Entschädigungssummen sind kaum finanzierbar, schon gar nicht nachdem sich Bund, Länder und Kommunen durch die Pandemie höher verschulden müssen.

Das wirksamste Mittel gegen steigende Mieten und Wohneigentumspreise kennen alle: mehr bauen!
375.000 Wohnungen sollten jährlich gebaut werden. Im vergangenen Jahr wurden Schätzungen zufolge 300.000 fertiggestellt und der für diese Legislaturperiode versprochene Bau von 1,5 Millionen Wohnungen wird ebenfalls verfehlt werden. Bauminister Horst Seehofer (CSU) versucht dennoch seine Politik als Erfolg zu verkaufen und argumentiert mit genehmigten, aber noch nicht fertiggestellten Wohnungen, Bauüberhang genannt. Wen will er damit für dumm verkaufen? Der Bauüberhang wächst seit Jahren und beträgt mittlerweile mehr als 700.000 Wohnungen. Praktiker wissen, dass ein großer Teil dieser genehmigten Wohnungen vorläufig nicht gebaut werden wird, weil mit den Grundstücken auf höhere Preise spekuliert wird. Auf Städte zu schimpfen, die angeblich zu wenig Bauland ausweisen und Bauanträge zu langsam bearbeiten, beschleunigt die Baufertigstellungen nicht. Dazu gäbe es andere Möglichkeiten. Welche Regierung verpflichtet Grundeigentümer dazu nach erteilter Baugenehmigung unverzüglich zu bauen? Wer erinnert Eigentümer von baureifem aber unbebauten Brachland an Artikel 14 des Grundgesetzes? Darin steht, dass der Gebrauch von Eigentum zugleich dem Gemeinwohl dienen soll. Mehr Wohnungen würden dem Gemeinwohl dienen, baureifes Brachland tut es nicht.

Bleibt noch zu klären, was wir künftig bauen. Die CDU/CSU-SPD-Regierung hat sich klar zum Pariser Klimaabkommen bekannt, was nur durch weniger Schadstoffausstoß zu erreichen ist. Mit der Reduktion der Schadstoffemission hinkt Deutschland zurück. Diese Regierung hatte sich auch vorgenommen, den täglichen Flächenverbrauch von 56 Hektar bis 2030 auf 30 Hektar zu senken. Wenn Deutschland diesen beiden Zielen näherkommen will, ist es richtig vorhandene Bauflächen maximal zu nutzen. Das würde den Verzicht auf Einfamilienhäuser bedeuten, aber nicht auf Wohneigentum. Ein Mehrfamilienhaus muss kein Miethaus sein.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von The Property Post
Erstveröffentlichung: The Property Post, 04.03.2021

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