Heuschrecke, Geldhai, Abzocker, Spekulanten am Immobilienmarkt. Diese Attribute werden offenbar instinktiv mit ausländischen Immobilieninvestoren verbunden. Berlins Bürgermeister hat sogar öffentlich erwogen, Ausländern Einschränkungen beim Immobilienkauf aufzuerlegen. Anscheinend hat sich in den Köpfen das Bild festgesetzt, dass Ausländer auf dem Wohnimmobilienmarkt per se schlechtere Absichten verfolgen als Einheimische. Dieses Schubladendenken ist falsch und sollte dringend überwunden werden.
In der Realität ist häufig genau das Gegenteil der Fall. Bis vor zehn Jahren erwarben private deutsche Anleger Wohnimmobilien größtenteils als Altersvorsorge oder zur Absicherung. Dementsprechend blieb die Immobilie jahrzehntelang im Besitz und wurde erst im hohen Alter vererbt. Bei den heutigen Erben hat dagegen ein Bewusstseinswandel stattgefunden. Diese Generation sieht Immobilien immer mehr als reines Renditeobjekt, das nach einer Wertsteigerung - etwa durch umlagefähige Modernisierungsmaßnahmen - gerne maximal gewinnbringend veräußert wird.
Beim Gros der ausländischen Käufer beobachte ich dagegen meist genau das Gegenteil. Sie kaufen mit einer langfristigen Anlageperspektive. Unsere Kanzlei betreut hauptsächlich ausländische Mandanten aus aller Welt, darunter kleinere Family-Offices. Fast 90% davon erwerben ihre Wohnobjekte mit einer geplanten Haltedauer von 30 Jahren oder mehr. Ein Beispiel: Ein von uns betreutes Family- Office aus Hongkong hat Wohnimmobilien erworben, um so mehrere Jahrzehnte Kapital sicher anzulegen. Nach dem Ankauf wurden umfassende Instandhaltungsmaßnahmen in Auftrag gegeben, auch wenn davon nichts auf die Mieter umgelegt werden konnte. Der Grund ist, dass das Hauptaugenmerk oft auf dem Thema Sicherheit liegt und nicht auf der reinen Renditemaximierung.
Um eins klarzustellen: Es ist nicht verwerflich, wenn eine ererbte Immobilie als Wirtschaftsgut gesehen wird. Nur kommt es mir so vor, dass in der Debatte von vorneherein ausgeschlossen wird, dass dies bei privaten deutschen Immobilieneigentümern der Fall ist. Nur weil ein Käufer aus Übersee kommt und nicht aus Ingolstadt oder Berlin, ist er noch lang kein gieriger Immobilienhai. Mir ist es ein Anliegen, dass dieses falsche Schubladendenken in der öffentlichen Debatte durchbrochen wird. Meine Berufserfahrung der vergangenen Jahre zeigt sogar, dass man als Mieter bei einem ausländischen Privatinvestor in der Regel beruhigter sein kann als bei einem deutschen Erben als neuen Immobilieneigentümer.
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Erstveröffentlichung: Immobilien Zeitung vom 15.08.2019