15.03.2016

Schluss mit dem Egoismus!

Ein Plädoyer für partnerschaftliches Bauen

Thorsten Krauß, CEO, UNDKRAUSS Bauaktiengesellschaft
Thorsten Krauß

Die Bauwirtschaft freut sich über steigende Zustimmungswerte in der Öffentlichkeit. Diese könnten noch wachsen, wenn innerhalb der Branche eine stärkere Verflechtung zwischen allen Beteiligten geschieht. Partnerschaftliches Bauen heißt der Schlüssel zum Zukunftserfolg einer ganzen Branche.

Zuerst die gute Nachricht: Die Baubranche gewinnt in der öffentlichen Wahrnehmung ein immer größeres Ansehen. In ihren regelmäßigen Erhebungen zum Image der Bauwirtschaft hat das Allensbach-Institut 2015 ein klares Meinungsbild in der deutschen Bevölkerung ermittelt. Die betreffenden Unternehmen zeichnen sich nach Ansicht der meisten Befragten durch die Schaffung vieler Arbeitsplätze, eine internationale Wirkkraft und hohe Qualitätsstandards aus. Bemerkenswert sind in diesem Zusammenhang gestiegene Werte gegenüber der letzten Studie von 2007.

Verbesserungsbedarf innerhalb der Branche
Dieses positive Bild in der Außenwahrnehmung entspricht leider noch nicht im selben Maße der Binnensicht. Wenn Bauherren, Architekten, Ingenieure, Bauunternehmen und Zulieferer zu einem Projekt zusammenkommen, können Reibungen, Missverständnisse und Enttäuschungen entstehen. Das ist kein Automatismus, aber in vielen Fällen Realität. Erst kürzlich wurde im Rahmen der großen Berliner Baumesse bautec wieder die „unsägliche Nachtragskultur“ beklagt. In diesem Begriff liegt die Erfahrung, dass Projektplanungen bereits im Ansatz so verfälscht werden, dass sie zum Vorteil einiger weniger Beteiligter ausfallen. Die Folge ist eine gravierende Differenz zwischen den anfangs berechneten Projektkosten und den tatsächlichen Endsummen. Gerade Projekte der Öffentlichen Hand bergen dabei ein hohes Nachtragspotential. Aber es wäre naiv anzunehmen, dass Kleinprojekte wie etwa der Bau eines Kindergartens vor solch einer Unkultur gefeit wären. Es wäre dabei einfach zu behaupten, dass Konflikte bei der Masse der Projektparteien und der Komplexität eines größeren Bauvorhabens in der Natur der Sache liegen. Denn es geht auch anders.

Partnerschaftliches Bauen als Lösungsansatz
Wieder einmal lohnt ein Blick in die angelsächsische Welt. In Großbritannien und den USA hat sich bereits in den späten 1970er Jahren das so genannte Partnering entwickelt. Hierzulande übersetzen wir es gerne mit partnerschaftlichem Bauen – eine häufig genutzte und beliebte Vokabel, deren eigentliche Bedeutung jedoch noch vielen verborgen ist. Grundsätzlich bezweckt partnerschaftliches Bauen eine frühzeitige Einbindung aller Beteiligten, eine regelmäßige Kommunikation und einen transparenten Umgang mit Kosten und Zeiten.
Reine Allgemeinplätze? Tatsächlich, diese Gefahr besteht, wenn keine konkreten Vertragsbestimmungen vorliegen. Und wenn an der strikten Trennung von Planung und Ausführung festgehalten wird. Dabei zeigte uns bereits die Gotik, dass beide Bereiche in derselben Hand liegen können. Die Baumeister der europäischen Kathedralen haben diese architektonischen Meisterwerke geplant und gebaut. Heutzutage greifen Modelle wie das Construction Management diesen alten Gedanken wieder auf: Ein Projektsteuerer zeichnet hier für den gesamten Projektverlauf als Vertreter des Bauherrn und koordinierende Instanz verantwortlich. Ähnliches gilt für Design and Build: Ein Bauunternehmer gestaltet in der Funktion eines Generalübernehmers sowohl Planung als auch Ausführung, einzelne Aufgaben kann er an beliebig viele Subunternehmer delegieren. Für Abweichungen zwischen Anfangsmodell und Endprodukt ist er allein gegenüber dem Bauherrn verantwortlich. Die für den Bauherrn elementare Kostenkontrolle kann durch Vertragsmodelle wie Cost plus Fee, also einer Bonusleistung für den Auftragnehmer bei Einhaltung der ermittelten Selbstkosten, oder dem Garantierten Maximalpreis, dessen eventueller Überschuss paritätisch zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer geteilt wird, sichergestellt werden.

Die Vorteile liegen auf der Hand
Was haben diese Vertragsmodelle nun mit partnerschaftlichem Bauen zu tun? Sowohl Auftraggeber als auch Auftragnehmer werden entlastet und rücken enger zusammen. Anreize für eine effiziente Projektplanung werden geschaffen. Der Bauherr trägt nicht mehr wie bei den traditionellen Vergabemodellen die Hauptverantwortung, sondern kann sie nach entsprechenden vertraglichen Zusagen an seinen Auftragnehmer delegieren. Die Expertise des Bauunternehmens als Auftragnehmer setzt mit der ersten Projektphase ein und kommt nicht erst beim Baubeginn zum Tragen. Damit sind auch die notwendigen Absprachen zwischen allen Parteien von Beginn an gewährleistet. In Deutschland gilt es, diese Grundsätze eines ganzheitlichen Ansatzes von der Grundstückssuche bis zur schlüsselfertigen Übergabe in den Köpfen zu verankern – da sie mit Lean Construction oder Last Planner bezeichnenderweise unter englischen Begriffen ohne Übersetzung firmieren. Es empfiehlt sich sehr, für eine gelungene Kommunikation ein Höchstmaß an Kostentransparenz zu befolgen. Eine geeignete Methode stellt das Open Book-Verfahren dar, bei dem der Auftragnehmer die Kosten der Subunternehmer dem Bauherrn offenlegt. So wird die Projektrealisierung zu einem gemeinsamen Prozess: Im Team wird über die beste Materialwahl, die wettbewerbsstärksten Subunternehmer und effizientere Ausführungsmethoden verhandelt.
Es gibt bereits vielfältige Methoden, die dringend benötigte Kooperation zwischen den Bauparteien zu befördern. Als Ergebnis steht ein allgemeiner Gewinn: mehr Mitsprache, geteilte Verantwortung, geringere Kosten und kürzere Projektzeiten. Doch nicht nur die harten Fakten sprechen für mehr Miteinander beim Bauen. Jedes Projekt hat einen einzigartigen Charakter, dessen Ausprägung von einer starken Gemeinschaft abhängt. Um das gemeinsame Ziel und den geteilten Erfolg zu wissen, schafft Wege persönlichen Vertrauens und tiefer Zusammenarbeit. Packen wir es an – es lohnt sich!

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von UNDKRAUSS
Erstveröffentlichung: The Property Post März 2016

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