26.04.2023

Runter von meinem Grundstück!

Andreas Preußer, Geschäftsführender Gesellschafter, COMPLEMUS Real Estate
Andreas Preußer

Der Ukraine-Krieg und zahlreiche Lockdowns in China haben nach der Corona-Pandemie erneut gezeigt, dass die multinationalen Lieferketten von verschiedenen Seiten störanfällig sind. Damit einher geht aktuell der Trend zur vermehrten Lagerhaltung, um bei Lieferschwierigkeiten gewappnet zu sein. Das bedeutet: Es braucht Flächen! Doch wenn es an die Identifizierung von Flächen für Neubauprojekte geht, wird gerne das berühmte Kinderspiel „Verstecken“ gespielt.

Die Zahlen für die Logistikimmobilienbranche jagten im Prinzip jedes Jahr aufs Neue ihren Rekord aus dem Vorjahr. Allerdings bildete das letzte Jahr nach Zahlen des Maklerhauses Colliers für die TOP-8-Logistikstandorte eine Ausnahme – hier erzielte die Branche mit 3,6 Mio. Quadratmetern Flächenumsatz ein Minus von fünf Prozent – aber im Fünfjahres-Vergleich lag das Plus doch wieder bei 19 Prozent. Dennoch gilt: Jeder braucht sie, aber keiner will die Logistikansiedlungen in seiner Nachbarschaft. Und das, obwohl sie für die grundlegende Versorgung genauso gebraucht werden wie für E-Commerce, Logistikdienstleister oder das produzierende Gewerbe. Die Nachfrage besteht – aber bei der Frage nach dem „Wo“ wird Neubauprojekten der Logistik oftmals die Tür vor der sprichwörtlichen Nase zugeschlagen.

Daher ist es eine der vielfältigen Aufgaben von Projektentwicklern, die Vorteile des eigenen Produkts aufzuzeigen und die Kommunen damit abzuholen. Zumal Studien zeigen, dass die meisten Kommunen das Potenzial der Logistikansiedlungen durchaus erkennen: Neue Arbeitsplätze und die Aussicht auf Verdienst durch die Gewerbesteuer sind nicht wegzudiskutieren. Dazu wird der ökologische Nachhaltigkeitsaspekt mit großflächigen Solarfeldern auf Dächern und Wänden bedient. Auch Beteiligungsverfahren für die Anwohner vor Ort können eine Maßnahme sein, um die Akzeptanz zu steigern. Vor allem Ansiedlungen für E-Commerce-Unternehmen sind Gegenwind ausgesetzt. Hier könnte es eine Maßnahme sein, diese vermehrt auf Industriebrachen anzusiedeln, da sich der oft befürchtete Negativeffekt von Lärm und mehr Verkehr für Anwohner in Grenzen hält. Auch die eigene Erfahrung zeigt: Die Kommunen können bei Logistikprojekten ein starker Verbündeter sein.
 
Was die Nachfrageseite betrifft: Colliers prognostiziert für die TOP-8-Logistikstandorte Deutschlands auch aufgrund des Trends zur Lagerhaltung einen deutlichen Nachfrageüberhang für Logistikflächen. Dafür spricht auch die äußerst geringe Leerstandsquote von unter 1,5 Prozent an den TOP-8-Standorten. Die Mieten schießen gleichzeitig auf historische Höchststände. Zum einen ist die Mietpreisentwicklung Resultat des ohnehin schon bestehenden Nachfrageüberhangs, zum anderen verschärfen die gestiegenen Bau- und Finanzierungskosten die Mietpreisentwicklung weiter. Selbst wenn die Bautätigkeit Mitte des Jahres deutlich anziehen sollte: Der Nachfrageüberhang wird sich weiter verschärfen.

Für die Entwickler von Logistikimmobilien gilt: Kommunen mit Transparenz überzeugen, Anwohner abholen, Projekte mit möglichst wenig (gefühlter) Mehrbelastung für alle gestalten und vor allem zeigen, welche Vorteile man mitbringt. Dann ließe sich wenigstens an manchen Standorten die Nachfrage bedienen.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von COMPLEMUS Real Estate
Erstveröffentlichung: Immobilien aktuell, März 2023

Konversation wird geladen