Viele teils herausragende Einzellösungen, aber kein Durchbruch: Die Digitalisierung der deutschen Immobilienwirtschaft kommt nur sehr gemächlich voran. Nicht nur die Immobilienunternehmen selbst, sondern auch die Technologieführer müssen den Weg bahnen. Das geht nur mit vereinten Kräften.
Aus Sicht des privaten Verbrauchers hat die Digitalisierung längst stattgefunden und ist mit Namen wie Google, Facebook oder Apple verbunden. Diese Branchenriesen bahnen Datenstandards und ihrer Verbreitung gleichermaßen den Weg. Aber was im Silicon Valley, dem „Tal der Einhörner“, längst Realität ist, lässt sich für den deutschen Immobilienmarkt nicht einfach kopieren.
Im Slang der Startup-Szene sind Einhörner Unternehmen, deren Wert die Milliarden Dollar-Grenze überschritten haben. In Deutschland findet man abgesehen von Scout24 und Hypoport keine immobiliennahen, technologiebasierten Unternehmen dieser Größenordnung. Das vorhandene Revier ist einfach zu klein für solche Fabelwesen, das zur Verfügung stehende Venture Capital zudem sehr überschaubar. Nicht umsonst bewegen sich die beiden genannten Ausnahmen im B-to-C-Bereich. Das Gros der professionellen Branche beschäftigt sich mit B-to-B: Technologieunternehmen bieten ihre Leistungen und Produkte nicht Endnutzern, sondern Immobilienunternehmen an.
Deren Zahl ist begrenzt, und die gehören fast ausschließlich zum Mittelstand. Das Forschungsinstitut Prognos hat im Auftrag des Bundesverbandes Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) die Branche untersucht. Das Ergebnis: Zur Immobilienwirtschaft im engeren Sinn zählen rund 135.000 Unternehmen. Nur 16 davon haben mehr als 1.000 Mitarbeiter. Die Geschäftsmodelle und damit die Bedürfnisse unterscheiden sich zudem oft deutlich voneinander.
Deshalb wird kein einzelnes Immobilienunternehmen in der Lage sein, im digitalen Bereich mehr als nur Teillösungen und Stückwerk auf den Weg zu bringen oder zu unterstützen. Die in diesem Jahr erschienene „Vierte Digitalisierungsstudie“ des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA) und des Beratungsunternehmens EY Real Estate fördert zutage, woran es vor allem fehlt: 80 Prozent der antwortenden Unternehmen geben als Haupthemmnis für digitale Innovationen mangelnde personelle Ressourcen an, 68 Prozent zudem fehlendes Fachwissen im eigenen Haus. Mit anderen Worten: Die Bereitschaft zum Aufbruch ist vorhanden und führt zu steigenden Budgets im Digitalisierungsbereich. Aber für eigene Abteilungen mit ausreichender Kompetenz und Manpower als Treiber der Entwicklung sind diese Unternehmen in der Regel zu klein.
In der Folge bleiben sie nolens volens herkömmlichen Herangehensweisen verhaftet. Eine aktuelle, global angelegte Studie zu Innovationsmöglichkeiten im Gewerbeimmobilienbereich stellt fest, dass Immobilienunternehmen nach wie vor vorwiegend Tabellenlösungen wie Excel einsetzen. Das ist nicht nur ineffizient. Es schafft auch Datensilos, aus denen heraus sich die eigentlich ja vorhandenen Datenschätze nicht für weitere Nutzungen heben lassen.
Wenn aber die Immobilienwirtschaft den gordischen Knoten selbst nicht durchschlagen kann – wer kann es dann? Dafür kommen nur die Technologie-Unternehmen infrage, die sich dieser Branche widmen. Aber auch sie sind – jedes für sich – zumeist zu klein und zu spezialisiert für Alleingänge in großem Stil. Also raus aus dem Kämmerlein! Entweder wir rocken den Markt gemeinsam oder gar nicht. Die Branche benötigt keine Unzahl von nicht miteinander verbundenen Teilleistungen. Sie benötigt offene Ökosysteme und vernetzte Prozesse, in denen alle systemunabhängig miteinander kommunizieren können.
Als ersten Schritt sollten wir „Tekkis“ für einen Überblick sorgen: Welches Unternehmen, welches Proptech bietet welche Lösungen an? Denn bislang finden sich ihre Kunden in der Immobilienwirtschaft nur sehr mühsam im Dschungel der Möglichkeiten zurecht. Vieles bleibt deshalb auf der Strecke oder wird gar nicht erst entdeckt.
Als nächstes steht die Diskussion mit den Anbietern der führenden ERP-Systeme an. Sie verhalten sich tendenziell protektionistisch und setzen oft hohe Hürden für Schnittstellen zu anderen Systemen. Das muss sich ändern. Das Grundprinzip offener Ökosysteme ist das Teilen. Dieser Logik müssen wir konsequent folgen.
Schließlich müssen wir die Entwicklung von Normen und Standards für Daten mit unserem Knowhow unterstützen. Das klingt vielen Immobilienmenschen wie ferne Zukunftsmusik, aber Einhörner gab es früher auch nur im Märchen. Und erst wenn wir Daten rasch und unabhängig von Systemen und Formaten untereinander austauschen können, werden wir den Unternehmen der Immobilienwirtschaft zu einer wirklichen Digitalisierung verhelfen können.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Eucon Digital
Erstveröffentlichung: Immobilienwirtschaft 3/2020