31.07.2024

Neuer EU-Kommissar für Wohnen

Warum die Idee von Ursula von der Leyen reine Symbolik ist

Dr. Paul Kowitz, Partner, KPC KOWITZ Policy Consultants
Dr. Paul Kowitz

Politischer Erfolg baucht Kompetenz, Kapazität und Geld

Was braucht man eigentlich, um politisch erfolgreich (ergo: durchsetzungsstark) zu sein? Eigentlich ist es – zumindest wenn man sich nur auf die harten Kennzahlen beschränkt – gar nicht so viel. Es braucht (Gesetzgebungs-)Kompetenz, Kapazität und Geld. Mehr ist es gar nicht. Hat man die drei Grundvoraussetzungen hingegen nicht, verschwindet jedes politische Anliegen in der Bedeutungslosigkeit.

Das erinnert an die Einrichtung des Bundesbauministeriums. Was das Haus von Frau Geywitz in dieser Legislaturperiode gesetzgeberisch alleinverantwortlich tun darf, ist das Schreiben der Wohngeldnovelle, des Baugesetzbuches und die Raumordnung. Für den Rest (Mietrecht, Steuern, Klima, Kreislaufwirtschaft, etc.) hat sie keine Zuständigkeit. Für das bisschen Arbeit braucht man dann auch keine Mitarbeiter, weshalb sogar das Bundespresseamt von Olaf Scholz auf mehr Personal zurückgreifen kann als von Frau Geywitz. Und Geld steht ihr auch kaum zu. Der Etat für das Bauministerium ist der mit Abstand kleinste in der gesamten Bundesregierung. Die Gesamtbilanz des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen spricht für sich. Wem ist mit so einem Bauministerium eigentlich geholfen?

Fehler werden auf EU-Ebene jetzt wiederholt

Die alte und neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hält das nicht davon ab, denselben Fehler mit denselben unzureichenden Ausstattungsmerkmalen auf EU-Ebene zu wiederholen. Und das ist geradezu tragisch. Denn sie kündigt für die nächsten fünf Jahren einen eigenständigen, neuen Kommissar für Wohnen an. Was für ein starkes Signal, müsste man denken. Endlich ist sogar in Brüssel angekommen, wie bedeutsam die Wohnungsfrage ist und dringend einer politischen Bearbeitung bedarf - und zwar von ganz oben. In Brüssel. Mit einem eigenen Kommissar! Was muss sich die Wohnungswirtschaft geschmeichelt fühlen, wo das Wohnen doch einen solchen Bedeutungszuwachs erfährt – wohlgemerkt, ohne selbst etwas dafür getan zu haben. Auch die Erkenntnis, dass wir nicht alleine sind, dass auch Paris, Madrid und andere die Sorge für wachsender Wohnungsnot haben, hat ja irgendwie etwas Heilendes.

In der Sache ist das leider ein billiger Coup. Und je länger man darüber nachdenkt, desto absurder wird dieses Symbol eines neuen EU-Kommissars. Mehr noch, die gut gemeinte Sache verkehrt sich sogar ins Gegenteil.

Zunächst hat die EU keinerlei Gesetzgebungskompetenz auf diesem Politikfeld. Der Kommissar darf gar nicht tätig werden, wenn es darum geht, Vorgaben zu machen oder die Mitgliedstaaten zu einer anderen Wohnungspolitik aufzufordern. Wie auch? Soll Brüssel jetzt per Verordnung unser BauGB schreiben? Oder noch besser: Soll der neue Kommissar jetzt die Landesbauordnung von Schleswig-Holstein anpassen, die Milieuschutzsatzung von Norderstedt?

Das europarechtlich verankerte Subsidiaritätsprinzip fragt immer danach: Was kann die EU in ihrer koordinierenden, übergreifenden Rolle besser als wenn es jedes Mitgliedsland für sich selbst täte. Den Beweis muss die EU tagtäglich erbringen. In der Wohnfrage wird ihr das besonders schwerfallen. Denn warum sollte ein Kommissar, der in Brüssel sitzt und von Lissabon bis Riga blickt, den angespannten Wohnungsmarkt in Kiel besser entspannen als Berlin oder die jeweilige Landeshauptstadt Kiel selbst?

Weil Brüssel auch noch nie mit Wohnfragen beschäftigt war, gibt es auch gar keine Erfahrungen, auf die man zurückgreifen könnte. Es fehlt an Instrumenten, auf die man setzen kann. Es gibt auch keine Mitarbeiter. Eine ganze Generaldirektion muss ja erst aufgebaut werden. Mehr als prosaische Aktionspläne können daraus gar nicht erwachsen. Das ist pure Steuergeldverschwendung ohne Aussicht auf Problemlösung.

Woher soll das Geld eigentlich kommen?

Hinzu kommt, die EU-Kommission als solche hat auch gar kein Geld. Wo soll es herkommen? Der EU-Haushalt ist budgetiert, aber nicht für Wohnzwecke. Weder für Verteidigung, noch für Industriepolitik – schon gar nicht für Wohnfragen. Schon jetzt gibt es eine Debatte zwischen den Mitgliedstaaten darüber, wie die großen Zukunftsinvestitionen finanziert werden könnten, etwa wenn die USA aus der NATO ausstiegen und die EU sich um seine Sicherheit selbst kümmern müsste. Drei Möglichkeiten stehen im Raum: Die Mitgliedstaaten zahlen mehr in den EU-Haushalt ein und erhöhen damit die Eigenmittel, was im Grunde alle Hauptstädte ablehnen. Oder die EU erhält das Recht, eine eigene Steuer einzuführen, um so die Eigenmittel zu erhöhen, was ebenfalls kaum Freunde findet und die Sorge auslöst, dass damit die Steuerbüchse der Pandora geöffnet wird. Oder die EU gibt über eine Schuldenvergemeinschaftung EU-Bonds aus, was die deutsche Bundesregierung kategorisch ablehnt. Die Debatte zeigt, dass schon kein Geld für andere Politikfelder mobilisiert werden kann. Dann wird es erst recht kein Geld geben für Politikfelder, für die Brüssel nicht einmal zuständig ist.

Die EU darf keine Kompetenzkrake werden

Warum macht Frau von der Leyen denn überhaupt diesen Vorschlag? In ihrer Bewerbungsrede im EU-Parlament in Straßburg begründete sie den Vorstoß wie folgt: „Wenn es (Anm: die Wohnfrage) für die Europäer wichtig ist, ist es auch für Europa wichtig.“ Diesen Satz muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Dahinter steckt eine Anmaßung. Es ist das Verständnis einer omnipräsenten, supranationalen Organisation, die sich jenseits von Fragen der eigenen rechtlichen Zuständigkeit immer in alle Themengebiete einmischt, wenn ein Thema für vermeintlich wichtig erachtet wird. Das Subsidiaritätsprinzip wird damit vollkommen beiseitegeschoben. An dessen Stelle tritt eine Kompetenzkrake, die alles an sich zieht, was sie selbst für vordringlich hält.

Das Fatale daran ist doch, dass sich mit der Ernennung eines neuen Kommissars, den es so noch nie gab, zahlreiche Erwartungen verbinden, die jedoch nicht einzulösen sind und damit den Frust auf die EU nur noch weiter erhöhen. So stärkt man Ränder. So löst man aber leider keine Probleme – welche die Wohnungsmärkte beileibe haben.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von KPC KOWITZ Policy Consultants
Erstveröffentlichung: Immobilien Zeitung, Juli 2024

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