Die Mietpreisbremse soll die Schwachen auf dem Wohnungsmarkt schützen. Doch es droht ein gegenteiliger Effekt.
Die Mietpreisbremse soll die Schwachen auf dem Wohnungsmarkt schützen. Doch es droht ein gegenteiliger Effekt: Die neue Regelung dürfte häufig gut betuchten Menschen zu günstigem Wohnraum verhelfen.
Die Mietpreisbremse ist eines der wenigen Gesetze der Regierung, auf das sich viele Bürger gefreut haben. Etwa 4,2 Millionen der 21,1 Millionen Mietwohnungen in Deutschland liegen in Gebieten, in denen die Vermieter in den vergangenen Jahren kräftig die Miete erhöht haben. Vor allem in Großstädten, ganz besonders in Berlin, Hamburg, Frankfurt und München, stiegen die Neuvertragsmieten seit 2011 zweistellig – ebenso in vielen Universitätsstädten.
Viele Mieter denken gar nicht mehr über einen Umzug nach, weil sie sicher sind, die neue Miete nicht mehr zahlen zu können. Der Preisdeckel, der noch vom Bundestag beschlossen werden und – vermutlich bis Juli – in Kraft treten wird, könnte ihre Situation entschärfen. Möglicherweise.
Dass sich auf der anderen Seite die Vermieter darüber ärgern, ist wenig überraschend. Sie verlieren die Chance auf höhere Renditen, jedenfalls wenn sie das Glück haben, Wohnraum in einer gefragten Lage in einer gefragten Stadt anzubieten.
Wer dagegen investiert oder neu baut, bleibt von der Regulierung verschont und kann auch weiterhin auf höhere Mietrenditen setzen. Einen schlechten Einfluss auf den dringend nötigen Wohnungsneubau und energetische Sanierung dürfte das Gesetz deshalb nicht haben.
Die Entwicklung des Neubauangebots hängt ohnehin eher davon ab, wie zügig die Gemeinden mit viel Zuwanderung ihr Bauland zur Verfügung stellen. Doch es gibt jede Menge andere unerwünschte Effekte, bei denen ausgerechnet jene, die geschützt werden sollten, das Nachsehen haben könnten: finanzschwache Mieterhaushalte.
Das Gesetz zur Begrenzung des Mietanstiegs sieht vor, dass die Bundesländer bestimmte Regionen – zunächst begrenzt bis zum Jahr 2020 – zu angespannten Wohnungsmärkten erklären können. Dort darf dann ein Vermieter die Neuvertragsmiete auf maximal zehn Prozent oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete anheben.
Auf laufende Mietverträge hat die Preisbremse keinen Einfluss. Und wenn die Miete bereits höher liegt, muss der Vermieter sie auch nicht wieder absenken. Neubauten und grundlegend sanierte Wohnungen sind ebenfalls ausgenommen. Grundlegend saniert heißt in diesem Fall: Ein Betrag von mehr als einem Drittel des Wohnungswertes wurde in die Sanierung gesteckt.
Das Problem: Die Wohnungsknappheit in gefragten Regionen wird durch die Preisbremse nicht beseitigt. Dort werden die Bewerber bei der Besichtigung weiterhin Schlange stehen. Und wenn der Vermieter wählen darf, dürfte klar sein: Er entscheidet sich für denjenigen Mieter, der ihm am solventesten erscheint.
Dieser Auswahlmechanismus ist von der Mietpreisbremse vollkommen unberührt und wird auch niemals wirklich per Gesetz regulierbar sein. Solvente Neumieter könnten natürlich freiwillig auch eine höhere Miete zahlen – Preisbremse hin oder her. Oder eine hohe Abstandszahlung für die Einbauküche stemmen.
Im Gesetz ist auch der Ernstfall geregelt: Wenn nämlich der Mieter unterschreibt und hinterher merkt, dass seine Miete mehr als zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt. Theoretisch könnte er in Zukunft, wenn das Gesetz in Kraft getreten ist, seinen Vermieter rügen und ab diesem Zeitpunkt die zu viel gezahlte Miete zurückverlangen.
Doch wird er das wirklich tun? Welche Mieter werden sich ernsthaft mit ihrem Vermieter anlegen und unter Umständen einen langwierigen und teuren juristischen Streit vom Zaun brechen? Wiederum eher jene, die es sich leisten können und die es unbedingt darauf anlegen.
Eine weitere wichtige Frage wurde im Mietbremsen-Gesetz ausgeklammert. Worauf genau bezieht sich der Begriff "ortsübliche Vergleichsmiete"? Nur wenige Städte haben einen nach wissenschaftlichen Maßstäben aufgestellten Mietpreisspiegel, der als Maßstab herhalten könnte. Und selbst diese Preisspiegel sind oft veraltet.
Außerdem berücksichtigen sie kaum besondere Fälle, etwa wenn eine Wohnung in einer ansonsten günstigen Umgebung besonders teuer ausgestattet ist und deshalb eine deutlich höhere Miete angemessen wäre. In diesem Fall müsste der Vermieter der edlen Bleibe künftig viele Jahre lang warten, bis die Umgebungsmieten auf "sein" Preisniveau nachgerückt sind.
Die Mietspiegel in Deutschland sind nicht qualifiziert, sondern einfach, auf Grundlage grober Schätzungen entstanden. Bevor Vermieter diese Mietspiegel als Begrenzungsmaßstab akzeptieren, wird es viel Streit geben. Bürger, Anwälte und Gerichte werden die Fragen klären müssen, die der Gesetzgeber offengelassen hat.
Wenigstens einen positiven Nebeneffekt könnte die Mietpreisbremse so vielleicht erzwingen: Der extrem intransparente deutsche Wohnungsmarkt wird ein klein wenig transparenter. Mieter werden nämlich künftig fragen dürfen, wie hoch die Miete des Vormieters war. Und Vermieter, Makler, Analysten und Gemeindeverwaltungen werden ein stärkeres Interesse an einem aussagekräftigen Preisspiegel haben.
Die Mietpreisbremse wurde wegen politischer Prinzipienreiterei schlecht ausgeführt. Weil die SPD kaum etwas am alten Gesetzentwurf ändern wollte. Man sollte sie aber nicht per se verteufeln. Viele Vermieter haben in der jüngsten Vergangenheit tatsächlich über die Stränge geschlagen, ihre Wohnungen unangemessen verteuert oder Altmieter hinausgedrängt. Preisregulierung ist nicht unbedingt schädlich für einen Markt.
Im Mobilfunksektor beispielsweise konnten die freien Kräfte des Marktes nicht verhindern, dass beim Datenroaming oder bei SMS aus dem Ausland Preiswucher betrieben wurde. Erst seit dem Einschreiten der Regulierer aus Brüssel gehen hier die Preise zurück. Auch bei Bankgebühren oder Versicherungsprovisionen reichte der freie Wettbewerb nicht aus, um faire Preisstrukturen zu schaffen.
Auch in der Maklerbranche, die nun ebenfalls neu reguliert wird, gibt es kein Gesetz der freien Preisbildung. Vielmehr gilt das Recht des Stärkeren, und in gefragten Wohnungsmärkten müssen diejenigen den Makler zahlen, die gar nicht mit ihm über den Preis verhandeln können und auch keinen alternativen Vermittler wählen können. So etwas gibt es in keiner anderen Dienstleistungsbranche.
Das Bestellerprinzip, nach dem künftig derjenige den Makler zahlen muss, der ihn beauftragt, ist daher überfällig. Bald werden sich die Vermieter, die den Makler mit der Wohnungsvermittlung beauftragen, fragen, welchen Wert die angebotene Dienstleistung tatsächlich hat. Hier wird ein verkrusteter Markt, der mit vielen alten Gewohnheitsrechten gespickt ist, aufgebrochen.
Im nächsten Schritt sollte der Gesetzgeber vielleicht überlegen, ob das Bestellerprinzip nicht nur für die Vermittlung von Mietwohnungen, sondern auch von Wohnungseigentum gelten sollte. Denn auch hier haben sich Preisgewohnheiten gebildet, die nichts mit dem tatsächlichen Wert der Dienstleistung oder den Marktgegebenheiten vor Ort zu tun haben.
Anmerkung der Property-Post-Redaktion: Der Kommentar wurde von Michael Fabricius zum Start von The Property Post am 9. März 2015 zur Verfügung gestellt. Der Artikel erschien im Orginal Ende Februar bei www.welt.de
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von WeltN24/Michael Fabricius
Erstveröffentlichung: www.welt.de / 25.02.2015