Enteignungsdebatte schlägt hohe Wellen
„Die Politik soll teures Großstadtwohnen als Realität akzeptieren.“ Und: „Die deutsche Wohnungspolitik ist eine Farce.“ Das waren jüngst zwei Kernaussagen von Gastbeiträgen in der Immobilien Zeitung. Das polemische Schimpfen und Lamentieren ist meiner Meinung nach schädlich für die Immobilienbranche und verschwendete Zeit. Ich verstehe die Verärgerung, die hinter diesen Aussagen steckt. Auch ich finde die Enteignungsdebatte falsch und nicht zielführend. Genauso falsch ist aber die Reaktion von einem Großteil der Immobilienbranche darauf. Die Enteignungsinitiative hat ihren Ursprung in einer immer drängender werdenden Problematik der Knappheit von bezahlbarem Wohnraum – Wer mit dem Rücken an der Wand steht, radikalisiert sich über kurz oder lang. Doch wie das Problem lösen? Darauf hat bislang die Politik keine Antwort gefunden – und auch die Immobilienwirtschaft ebenso wenig. Jetzt werden viele aufschreien, dass die Immobilienwirtschaft genug Lösungen genannt habe und sie nur umgesetzt werden müssten: Niedrigere Grunderwerbssteuern, reduzierte Vorgaben beim Neubau, schnellere Genehmigungsverfahren, schnelleres Ausweisen von Bauland etc. Das sind alles keine inhaltlich falschen Vorschläge. Nur in der Öffentlichkeit wirken diese häufig gegenteilig: Die Branche achtet auf ihre Rendite, alles andere ist höchstens zweitrangig.
Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer hat es vor kurzem auf einer Veranstaltung der Immobilienbranche in Berlin zugespitzt am Beispiel der Grunderwerbsteuer dargelegt: Sie, die Branche, fordere immer ein Absenken der Grunderwerbsteuer. Von dieser Steuer profitiere aber der Hauskäufer wieder indirekt, weil dadurch beispielsweise benötigte Infrastruktur wie Schulen oder Kitaplätze finanziert werde. Aber Maßnahmen, die Auswirkungen auf die Rendite der Investoren hätten, würden immer sofort bekämpft.
Und noch etwas sehr bedenkenswertes gab es von Palmer auf der Veranstaltung zu hören: Wenn schon er als Ultra-Realo der Grünen ein Einfrieren der Mieten auf dem jetzigen Niveau für fünf Jahre fordere, wolle sich die Branche gar nicht ausmalen, was für Maßnahmen noch kommen könnten. Um dieses Szenario nicht Realität werden zu lassen, sollten wir als Branche trotz aller berechtigten Kritik an Verwaltung und Politik selbstkritischer auftreten. Statt gegeneinander müssen wir miteinander diskutieren. Und eben auch manche staatliche Intervention hinnehmen, anstatt sie zu bekämpfen. Die Politik als Hauptverantwortliche der Misere und teure Mieten als künftigen Normalfall darzustellen, heizt die Debatte nur an und führt zu einem Freund-Feind-Denken in der öffentlichen Diskussion. Die aktuelle Enteignungsdebatte zeigt, wohin das führen kann.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Engel & Völkers Investment Consulting
Erstveröffentlichung: Immobilienzeitung, April 2019