Mit Frauenpower gegen Fachkräftemangel
Wie fast alle Branchen sieht sich die Immobilienbranche vom Fachkräftemangel bedroht – und wie viele andere Wirtschaftszweige auch, hat sie in den vergangenen Jahren die Frauenförderung als Lösungsmöglichkeit für sich entdeckt. Wer die Zeichen der Zeit erkannt hat räumt einige Karrierehindernisse aus dem Weg, ermöglicht Homeoffice und Teilzeit, schafft das Gender Pay Gap ab und erleichtert Immobilienfrauen den Aufstieg in Führungspositionen. Dass dies bisher noch nicht gut funktioniert, kann man bei praktisch jeder Immobilienveranstaltung sehen. Männer machen selten weniger als 85 Prozent der Teilnehmer aus. Wohl dem Veranstalter, der es schafft, wenigstens jedes zweite Panel auch mit einer Frau zu besetzen.
Wenn die Herren an den Mikrofonen weiter unter sich sind, bestätigt dies auch die Dringlichkeit weiblicher Netzwerke wie den Immobilienfrauen, die mit ihrem Sprecherpool einen wichtigen Beitrag für mehr Vielfalt in den immobilienwirtschaftlichen Diskursen. Das Problem ist allerdings, dass die Exklusion nicht auf Meinungsbildner und Karrierewege beschränkt, sondern in signifikanten Teilen der Wertschöpfungskette anzutreffen ist. Vor allem in baunahen Berufsbildern sind Frauen oft unterpräsentiert, weshalb der Fachkräftemangel in der Immobilienwirtschaft wesentlich hausgemacht ist. Leitende Mitarbeiterinnen in Bau- und Projektentwicklungsunternehmen beispielsweise sind auch deshalb so selten, weil sie andere Angebote für die Karriereplanung brauchen als Männer: So gibt es auf Baustellen kaum Teilzeit und schon gar keine Betreuungsangebote für Kinder. Weiterhin verharrt die Zahl der weiblichen Studierenden im Bereich Bauingenieurswesen wie in den Ingenieurswissenschaften allgemein seit Jahren bei etwa 30 Prozent. Überzeugungsarbeit bei Schülerinnen, die Priorisierung von Kreativität und Teamarbeit im Berufsbild sowie ein anderer Blick auf den Praxisbezug könnten Frauen den Einstieg in den Beruf deutlich erleichtern. Es nun mal so, dass das zugrundeliegende Handwerk – zum Beispiel als Maurerin oder Zimmerin – Frauen körperlich stärker herausfordert und sich in der Bundesrepublik (anders als in der DDR) nur schwer von der Pike auf lernen lässt.
Gleichwohl sind bereits positive Entwicklungen zu beobachten. Mittels gezielter Förderung und Dank des technischen Fortschritts kommen wir inzwischen dahin, dass Frauen nicht nur eine handwerkliche Ausbildung auf den Bau abschließen, sondern als Polierin auch Führungsverantwortung übernehmen. Darüber hinaus erweisen sich duale Studiengänge als geeignetes Instrument, um beispielsweise Bauingenieurinnen einen frühen Praxisbezug und damit eine hinreichende Expertise und Autorität für Führungsaufgaben zu geben. Betriebe, die frühzeitig und eventuell mit speziellen Ausbildungsbotschaftern tätig sind und Schülerinnen Mut machen für ein duales Studium, können später Absolventinnen im Unternehmen halten und so mit einer gut gemischten Belegschaft besser der demographischen Herausforderung trotzen.
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Erstveröffentlichung: IZ vom 9. Juni 2023