23.02.2021

Kommissionierung statt Kaufhaus

Last-Mile-Logistik als Chance für Innenstädte

Jan Dietrich Hempel, Geschäftsführer, GARBE Industrial Real Estate
Jan Dietrich Hempel

Obwohl viele Menschen Kaufhäuser gar nicht mehr oder nur selten betreten, sind Kaufhäuser ein hochemotionales Thema. Noch immer argumentieren viele so, als würden sie selbst nur äußerst selten etwas im Netz bestellen. Schon 2017 ergab eine große Umfrage des Beraters Capgemini, dass 40 Prozent der Befragten überhaupt nicht gern im Laden einkaufen und 31 Prozent lieber Geschirr abwaschen als shoppen zu gehen. PwC hat vor kurzem errechnet, dass der Gesamtumsatz von Kaufhäusern zwischen 2003 und 2018 um ganze 46 Prozent gesunken sind. Folgerichtig sollen 46 von 172 Karstadt-Kaufhäusern geschlossen werden – vor allem die Standorte, wo Menschen nicht mehr gern einkaufen und Gebäudestruktur und Angebot schon lange nicht mehr den Ansprüchen entsprechen.

Trotzdem wird zum Teil verzweifelt versucht, Karstadt-Kaufhäuser in bestehendem Format und Volumen am Leben zu halten, wie aktuell in Berlin. Doch statt überlebte Handelsstandorte mit Steuergeldern reanimieren zu wollen, sollten Kaufhäuser weniger emotional und vielmehr als Chance für Innenstädte, Stadtteilzentren und Randlagen gesehen werden. Aus städtebaulichen oder architektonischen Gründen ist ein Abriss oft nicht geboten, eine komplette Nachnutzung durch Handel vor dem Hintergrund des enormen Überangebotes an Handelsflächen in Deutschland selten eine Option. Eine mindestens teilweise Umnutzung jedoch für Last-Mile-Logistik ist möglich und scheint auf den zweiten Blick sogar sinnvoll und charmant.

Große Flächen, gute Innenstadtlagen, vernünftige Traglasten über alle Stockwerke, nutzbare Schächte für Lastenaufzüge, vorhandene Brandschutztechnik und ausreichende Lüftungssysteme sprechen für Last-Mile-Logistik in Kaufhäusern. Anlieferung und vor allem Abfluss der (Elektro-) Auslieferfahrzeuge ließen sich oft über die individuell anzupassenden Parkhäuser realisieren. Laderampen und Lieferzonen sind vorhanden und eine Basis, vor allem aber ist die Umgebung aus der Vergangenheit der Parkhausnutzung schlimmere Belastungen an Lärm und Abgas gewohnt.

Letzteres gilt es auch und vor allem den Verwaltungen klar zu machen, die noch allzu oft Bedenken gegenüber einer logistischen Nutzung haben: Gegenüber der Parkhausnutzung wird es keine Steigerung der Fahrzeugbewegungen geben – aber eine radikale Umstellung auf fast 100 Prozent E-Mobilität für die Auslieferfahrzeuge ist sofort erzielbar. Die Anpassungskosten der meisten gängigen Gebäudetypen und -baujahre sind  nach ersten Plausibilitätsprüfungen mit vermutlich 400 bis 600 Euro pro qm Mietfläche im Vergleich zu vielen anderen potenziellen Nutzungen sehr überschaubar.

Auch ein Blick auf die erzielbaren Flächenmieten spricht für eine ernsthafte Beschäftigung mit einer logistischen Nachnutzung. Außerhalb der Toplagen und oberhalb der Erdgeschosse nähern sich die Mieten für Einzelhandelsflächen und innerstädtische Last-Mile-Logistik seit geraumer Zeit immer mehr an. Zwar werden die Mieten nicht auf logistiktypische 5 bis 7 Euro pro Quadratmeter sinken – aber für anspruchsvolle Lieferservices sind auch höhere Mieten denkbar. Bei 12 bis 15 Euro pro Quadratmeter und dreistelligen Anpassungskosten wird Last-Mile-Logistik eine ernsthafte Option für nicht mehr zukunftsfähige Kaufhäuser, von der zudem die Menschen in den Innenstädten durch schnelle Lieferungen profitieren.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Garbe Industrial Real Estate
Erstveröffentlichung: Immobilien Zeitung, Februar 2021

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