09.07.2024

Kinder statt Kröten

Einar Skjerven, Geschäftsführer, Skjerven Group GmbH
Einar Skjerven

Keine Frage: Wer in Deutschland bauen will, muss dafür Sorge tragen, dass der Artenschutz gewahrt und die geltenden Naturschutzgesetze beachtet werden. Allerdings muss es bei Konflikten zwischen den Anforderungen des Naturschutzes und denen des Wohnungsbaus eine vernünftige Abwägung und innerhalb der Baurechtschaffung gegebenenfalls auch eine lösungsorientierten Interessensausgleich geben können.

Dies scheint mir in der jüngeren Vergangenheit immer weniger der Fall und das ist ein Problem, weil fehlender und verzögerter Wohnungsbau auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und die Lebensbedingungen in Deutschland beeinträchtigen: Nicht nur, dass Wohnen in den Ballungsräumen immer teurer wird: Es gibt in Deutschland inzwischen Städte, in denen die Familienplanung maßgeblich durch das knappe Wohnungsangebot limitiert ist.

Kinder statt Kröten – so weit hat sich der Zielkonflikt in Deutschland zwar noch nicht zugespitzt, doch es geht eben auch nicht, dass in angespannten Märkten Wohnungsbau weiter mit der Parole „Grün satt Beton“ torpediert wird, auch weil Anwohner und Naturschutzinitiativen in die Rathäuser hinein bestens vernetzt sind. Denn hinter dem Wohnungsbau stehen eben nicht nur Renditeinteressen, sondern auch menschliche Schicksale: Jeder Mensch hat das Recht auf angemessenen Wohnraum, so steht es im Grundgesetz.

Dem entgegen stehen Baumfällungen, die nicht rechtzeitig genehmigt werden und die akribische Suche nach Fehlern bei der Kartierung bedrohter Arten. Naturschutzämter und -verbände sehen sich in diesen Punkten zu Recht als Korrektiv, der über die Einhaltung von Qualitätsstandards und geltendem Recht wacht und gegebenenfalls auch vor Gericht ziehen muss, wenn Vorschriften nicht eingehalten werden.  

Nur gibt es eben kaum ein aktives Bemühen von Initiativen und Kommunen, um eventuelle Verstöße seitens der Bauträger bereits im Vorfeld einer Entscheidung über das Baurecht einzudämmen, ganz zu schweigen von Handreichungen oder Fördermaßnahmen für die Umsiedlung oder Schaffung von Ersatzlebensraum für bedrohte Arten. In der unterlassenen Hilfeleistung zeigt sich vielmehr:

Der Status quo ist für die Experten nicht nur befriedigend, sondern auch bequem. Denn oft gibt es kaum Ressourcen und Grundstücke, um die Natur an einem anderen Ort heimisch zu machen. Das gilt namentlich in Stadtstaaten, wo alternativer Lebensraum im benachbarten Flächenland zwar verfügbar wäre, die Art aber vorschriftsmäßig prioritär innerhalb der Landesgrenzen umgesiedelt werden müsste.

Hier gilt es Brücken zu bauen und ggf. auch mal länderübergreifende Lösungen zu erarbeiten. Denn schließlich ist es an der Zeit, Bauträger in Bezug auf den Naturschutz nicht mehr nur als Bittsteller, sondern auch als Partner für die Gestaltung des urbanen Lebensraums zu behandeln: so wie Aktivisten und Amtsmitarbeiter nicht nur Naturschutzbegeisterte, sondern auch potenzielle Wohnungssuchende sind.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Skjerven Group
Erstveröffentlichung: Immobilien Zeitung vom 27.06.2024

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