Eine digitale Arbeitsgemeinschaft als Konterpart zu den beklagten Insellösungen
Gute Nachrichten für den digitalen Fortschritt in der deutschen Immobilienwirtschaft: Der Markt für digitale Dienstleister konsolidiert sich. Unter den einstigen Startups finden sich nun selbst etablierte Unternehmen mit Millionenumsatz und gewachsenem Produktportfolio. Die Zielgruppe der PropTechs verschiebt sich mehr und mehr in den B2B-Bereich. Und die großen Unternehmen der Branche entwickeln Standards für eine bessere Austauschbarkeit ihrer Daten – ganz im Sinne ihrer digitalen Dienstleister, die ihr Produkt nicht immer wieder neu konfigurieren müssen.
Freilich: Der Markt ist noch nicht so weit, dass er sämtliche Bedürfnisse der Immobilienwirtschaft abdecken könnte. Doch die stetig wachsende Kompetenz und wirtschaftliche Stabilität der PropTechs müssen jetzt genutzt werden. Die Lösung heißt Kooperation. Da der PropTech-Markt noch stark segmentiert ist, empfehlen sich hierbei feste Rechtsformen – unter den PropTechs, aber auch zwischen ihnen und den Immobilienunternehmen. Denn als Bestandshalter beispielsweise nur eine Mieter-App einzukaufen, ist nicht sinnvoll, wenn gleichermaßen auch das Vertrags- und Rechnungsmanagement digital gelöst werden sollen. Umgekehrt gilt für PropTechs: Die Disruption für einzelne Geschäftsprozesse zu wollen, ohne mit Wettbewerbern in den Dialog zu Kombilösungen für die Unternehmen zu treten, ist äußerst kurzsichtig.
Die Arbeitsgemeinschaften (ARGE) der Bauwirtschaft bieten hierbei einen idealen Rahmen. Sie bilden sich in der Regel für komplexe Großprojekte am Bau. Erst eine digitale ARGE (DARGE) ist in der Lage, den vollständigen Prozess der Digitalisierung im Unternehmen abzudecken. Die DARGE ist unter Wahrung der Eigenständigkeit der PropTechs eine befristete „Gelegenheitsgesellschaft“ für ein konkretes Unternehmensbedürfnis - in diesem Fall der Implementierung einer digitalen Plattform für möglichst viele Geschäftsprozesse. Die DARGE ist der Konterpart zu den beklagten Insellösungen und beseitigt das auf beiden Seiten vorhandene Problem personeller Engpässe. Wie ihr Pendant vom Bau kann sie sich nach „digitalen Losen“ aufteilen, also jedem PropTech-Gesellschafter bei gemeinsamer Haftungsverantwortung seine Kernkompetenz zuordnen. Etablierte Immobilienunternehmen können der DARGE beitreten und sie mit ihrer Branchenexpertise bereichern.
Schon im Vorfeld kann sie sich als wettbewerbsfördernde Bietergemeinschaft konstituieren. Der PropTech-Markt könnte erstmalig systematisch wachsen, da unternehmerischer Wagemut durch starke Partner abgesichert ist. Die DARGE kann einen einheitlichen Preis vorlegen und schafft dadurch Kostentransparenz – Digitalisierung verlöre damit ihren vermeintlichen Makel als Kostentreiber. Über Musterverträge, zu erstellen durch die großen Immobilienverbände, ist die Einheitlichkeit der DARGE gesichert. Ähnlich wie beim Generalunternehmer der Bauwirtschaft bietet sich ein DARGE-Gesellschafter als allgemeine Lösungsplattform an, an die wiederum andere Gesellschafter andocken können. Der Kunde nutzt bei einer gemeinsamen Benutzeroberfläche und reduziertem Schulungsaufwand die Leistungen der gesamten DARGE gleichzeitig, sieht aber nur eine einheitliche Plattform. Ein solches Modell wäre nicht nur für Deutschland, sondern für ganz Europa eine echte Chance – um nicht einen weiteren Wirtschaftszweig der Expansion amerikanischer und chinesischer Tech-Konzerne zu überlassen.
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Erstveröffentlichung: Immobilien Zeitung vom 15.8.2019