Die Bedeutung der Unternehmens- und Führungskultur
Fachkräftemangel ist weder ein Problem des Marktes, noch Zufall, sondern ein hausgemachtes Problem. Wenn Fachkräfte gehen oder gar nicht erst kommen, ist das meistens das Ergebnis einer verfehlten Unternehmens- und Führungskultur. Um Fachkräfte zu bekommen und zu halten, kommt es darauf an, jeden einzelnen Mitarbeiter als Fürsprecher des Unternehmens zu gewinnen. Und das schaffen Unternehmen und ihre Führungskräfte durch die Art und Weise, wie sie mit ihren Mitarbeitern umgehen. Über Fachkräftemangel – so eine meiner Thesen – beschweren sich vor allem diejenigen Unternehmen, die in diesem Bereich schwerwiegende Fehler machen.
Die anderen haben keinen Fachkräftemangel, weil sie es verstehen, die Begeisterung ihrer Mitarbeiter zu wecken und ihre Motivation, die sie von sich aus schon in das Unternehmen hineintragen, nicht zu sabotieren – etwa durch blumige Versprechen in Stellenanzeigen, die zwar dem Stereotyp eines perfekten Arbeitgebers entsprechen, aber nur wenig mit der Realität zu tun haben. Oder indem man die Mitarbeiter überwacht, ihnen ein Bonus-Malus-System aufnötigt, ihnen also einen Teil der Vergütung aus mangelndem Vertrauen in ihre Leistungsfähigkeit vorenthält, ihnen Unternehmensberater mit einer Stoppuhr in der Hand in den Nacken setzt, um auch den letzten Tropfen Effizienz aus ihnen herauszuquetschen oder ihre Motivation mit gut gemeinten Motivierungsmaßnahmen wegzumotivieren.
Managementberater Reinhard K. Sprenger empfiehlt beispielsweise als bessere Alternativen: Die Förderung von Selbstbestimmung, partnerschaftlichen Verhältnissen, Commitment, zwischenmenschlichem Austausch und vertrauensvollen zwischenmenschlichen Beziehungen.
Fachkräfte zu bekommen und zu halten, hängt also auch davon ab, richtig zu führen – durch Unterlassung kontraproduktiver Maßnahmen, die das was bereits da ist, daran hindern, sich unter den von Sprenger genannten Bedingungen positiv zu entwickeln oder es sogar zerstören.
Die sicherste Zerstörungsmaßnahme ist es, den arbeitenden Menschen in genau die Situation hineinzumanövrieren, die er als besonders schlimm empfindet: Wenn er seine Arbeit als sinn-, grund-, zusammenhang- und bedeutungslos erlebt. Unter diesen Umständen kann das übergeordnete Ganze nicht mehr als sinnstiftend und damit bejahenswert wahrgenommen werden. Es sollte vorrangige Aufgabe des Managements sein, diese Sinnzusammenhänge immer und immer wieder offenzulegen.
Dazu ein recht einfaches Beispiel: Ein Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens hielt eine Betriebsversammlung ab. Das Thema war sein Dienstwagen – eine Mercedes S-Klasse. Er erklärte, welchen Sinn es hat, so ein Fahrzeug zu fahren. Er stellte den Zusammenhang zwischen einem repräsentativen Auftritt bei Geschäftspartnern mit dem Geschäftserfolg dar und legte seinen Mitarbeitern auch eine Beispielrechnung vor.
Anschließend stellte er anonym zur Abstimmung, ob er dieses Auto weiterfahren sollte oder ob er sich einen kleineren Dienstwagen zulegen sollte. Die Zustimmung zur S-Klasse war mit weit über 90 Prozent überragend. Seitdem gab es nie wieder betriebsinterne Diskussionen über den Dienstwagen.
Für die Mitarbeiter war der Sinn hergestellt und der Geschäftsführer schaffte es sogar, seine Mitarbeiter durch die Abstimmung zu Mitverantwortlichen für das Benutzen dieses Fahrzeugs zu machen. Eine sehr intelligente Aktion, die sich in mehrfacher Hinsicht deutlich ertragssteigernd auswirkte: Die Mitarbeiter erkannten den Sinn dahinter, u.a. auch für das Fahrzeug zu arbeiten, sie fühlten sich wertgeschätzt und sie erzählten die Sache auch an Außenstehende weiter, so dass andere – darunter auch potenzielle neue Mitarbeiter – auf dieses Unternehmen positiv aufmerksam wurden.
Eine weitere sehr effektive Motivationszerstörungsmaßnahme ist es, Fehler der Mitarbeiter nicht als Entwicklungschance hin zur Fachkraft zu begreifen, sondern als etwas, was um jeden Preis zu vermeiden ist.
Dazu als Beispiel die Geschichte vom Piloten und seinem Mechaniker: Wie gewohnt, berechnete der Pilot die für den geplanten Flug benötigte Menge Benzin und sein Mechaniker betankte das Flugzeug. Kurz nachdem er abgehoben war, fing der Motor an zu stottern und blieb stehen. Der Pilot musste eine Bruchlandung hinlegen, bei dem das Flugzeug vollständig zerstört wurde. Er selbst kam mit dem Schrecken davon und kehrte zu Fuß zum Hangar zurück.
Der Mechaniker wusste, was zum Absturz geführt hatte: Er hatte das Flugzeug versehentlich mit Kerosin betankt, anstatt mit Motorenbenzin. Der Pilot wusste ebenso um den Fehler des Mechanikers. Der Mechaniker stand kreidebleich da und erwartete, dass ihm der Pilot an den Hals springen würde. Der Pilot aber ging zu ihm und sagte mit ruhiger Stimme: „In Zukunft wird es nur eine einzige Person auf dieser Welt geben, die die Erlaubnis hat, mein Flugzeug zu betanken. Das sind Sie. Einverstanden?“
Das wären für mich einfache, schnell und äußerst günstig umzusetzende Maßnahmen, um gegen Fachkräftemangel vorzubeugen. Diese Geschichten passen nicht exakt zu Ihnen? Verstehen Sie sie einfach als Einladung, Führung einmal anders und kreativ zu denken.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Peter Müller
Erstveröffentlichung: 18.04.16