28.09.2022

Den Aktivisten aktiv Paroli bieten

Für selbstbewusste und konstruktive Antworten

Uwe Bottermann, Rechtsanwalt und Partner, Bottermann Khorrami
Uwe Bottermann

Zivilgesellschaftliches Engagement ist ein tragendes Element der liberalen Demokratie. Denn der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nur bedingt schaffen und letztlich auch nicht garantieren kann. Daher ist aktives gesellschaftliche Engagement seit Ernst-Wolfgang Böckenfördes Diktum anerkanntermaßen ein Beitrag zur Stärkung des Gemeinwesens – bis es als Aktivismus ein zuweilen problematisches Eigenleben zu führen beginnt. Gruppen, die sich basisdemokratisch geben und deren hoher moralischer Anspruch aus vermeintlicher Alternativlosigkeit und einer rituellen Transparenz resultiert, stehen seit dem Siegeszug der sozialen Medien im offenen Wettbewerb mit dem Verbandslobbyismus und anderen Interessenvertretern, deren Handeln in der Regel erkennbar wirtschaftlich motiviert ist.

Demgegenüber ist die Motivationslage bei aktivistischem Handeln nicht immer klar. Denn entscheidend ist dabei die Überhöhung partikularer Forderungen mit gesamtgesellschaftlichen Anliegen – beispielsweise dem Kampf gegen Verdrängung oder dem Klimaschutz. Damit lassen sich Einzelinteressen zu Problemen mit vermeintlich gesamtgesellschaftlicher Bedeutung aufblähen. Und die neuen Meinungsbildner werden auch im Bereich Immobilien immer aktiver: sie verteidigen niedrige Mieten unsanierter Wohnungen ebenso wie den großen Innenhof mit Verdichtungsmöglichkeit. Aus einer lieb gewordenen Freifläche wird so zunächst eine grüne Oase, dann eine wichtige Frischluftschneise und zuletzt, wegen der Bäume, die darauf wachsen, ein unentbehrlicher Schutz gegen die Erderwärmung.

Engagierte Anwohner, die sich so auf ein übergeordnetes Interesse berufen, sind in der Regel unversöhnliche Gegner mit einer großen öffentlichen Präsenz. Soziale Medien sorgen in jüngerer Zeit für einen maximalen Verbreitungsfaktor, der auch vor Mandatsträgern nicht Halt macht. Die vermeintlich gesamtgesellschaftliche Tragweite von deren Entscheidungen erschwert einen tatsachenbasierten Dialog ebenso wie die Kompromissbildung in den Entscheidungsgremien. Es entstehen asymmetrische Konfliktsituationen mit einem erheblichen lokalpolitischen Druckpotenzial, die sich auch gegen demokratisch gebildete Mehrheiten wenden können.

Für die Branche heißt das, sie sollte die Anliegen aktivistischen Handelns mit Weitsicht und faktenbasierter, klarer Sprache annehmen, statt sie pauschal abzutun. Unternehmen sollten die positiven Effekte ihres Handels in der Kommune öffentlich zeigen, statt sich wie häufig in Hinterzimmer zurückzuziehen oder mit den Entscheidungsträgern nicht öffentlich zu tagen. Denn mangelnde Transparenz und ein alleiniges Beharren auf abstrakte Bedarfe bedienen die Lager-Rhetorik der vermeintlichen Aufklärer, die oft ihre eigenen Interessen verunklären. Dagegen lässt sich oftmals konkret projektbezogen nachweisen, dass von einem Vorhaben keine Gefährdungen ausgehen, sondern es vielmehr dem Wohl der Bevölkerung und nicht allein dem Profitinteresse dient. Damit dürfte sich regelmäßig auch zeigen lassen, dass die Immobilienwirtschaft ihrerseits erheblich zur Stärkung des Gemeinwesens beiträgt.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Rechtsanwaltskanzlei Bottermann Khorrami
Erstveröffentlichung: Immobilien Zeitung, September 2022

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