Trotz gegenteiliger Bekundungen sind auch viele Wohnungsmarktexperten durch das Coronavirus verunsichert. Das zeigt sich sowohl in der hohen Zahl als in der Spanne der Prognosen zum künftigen Marktgeschehen. Die Aussagen der Fachleute reichen von, „Corona wird praktisch keine Auswirkungen auf das Kaufverhalten und die Preisentwicklung haben“, bis hin zu, „die Preise werden teilweise um bis zu 25 Prozent zurückgehen.“ Die Vielfalt ist nachvollziehbar: Je stärker die jeweiligen Akteure von zeitnahen Transaktionsumsätzen abhängig sind, umso optimistischer fallen die jeweiligen Einschätzungen aus. Wer dagegen als Bewerter mit Marktanalysen sein Geld verdient, tendiert eher zur Vorsicht, wenn nicht gar zum Pessimismus, sowohl was die Dauer als auch was die immobilienwirtschaftlichen Auswirkungen der Virus-Krise angeht.
Dabei ist die aktuelle Situation ein gutes Beispiel dafür, dass mehr Information nicht automatisch zu mehr Wissen führt. Im Gegenteil: Die Mehrzahl der kurzfristig publizierten Vorhersagen dient offensichtlich dem Zweck, vor allem den Analysten im Gespräch zu halten und dessen Positionen öffentlichkeitswirksam zu bestimmen. Der Nutzwert der Prognosen für die Akteure auf den Immobilienmärkten bleibt dagegen überschaubar und wird umso geringer, je langfristiger der Marktteilnehmer orientiert ist. Projektentwickler beispielsweise, die ihr Projekt seit fünf Jahren planen und ihre Wohnungen in zwei bis drei Jahren verkauft wissen wollen, würden natürlich gern glauben, dass sich an dem antizipierten Marktverlauf nichts geändert hat. Ob derartige Annahmen stimmen, hängt allerdings von den Eigenschaften eines Erregers ab, der die Virologen weltweit in den vergangenen sechs Monaten mehr als einmal überrascht hat.
So gesehen ist es für die Anbieter bis auf Weiteres ratsam, dem Rezept von Angela Merkel zu folgen und vorsichtig auf Sicht zu fahren. Das heißt: Wer heute größere Wohnungsbestände im Einzelverkauf anbietet, sollte sich kontinuierlich versichern, ob seine Maßnahmen Wirkung zeigen, die Zielgruppe noch interessiert ist und eventuell neue Käufergruppen unterwegs sind. Denn inzwischen plagen sich sogar Berufsgruppen – wie beispielsweise Piloten – mit Existenzsorgen, denen früher noch jedes Darlehen hinterhergetragen wurde, während andere die wirtschaftliche Unsicherheit geradezu als Aufforderung sehen, um ihr lang erspartes Geld in einer Immobilieninvestition zu parken. Im Ergebnis müssen aktuell Vermarktungskonzept sowie Produkt- und Preisgestaltung oftmals schneller und häufiger angepasst werden, als sich das die Planer und Initiatoren eines Vorhabens haben träumen lassen. Das heißt: Wichtiger als jede Prognose ist momentan die Fähigkeit zur raschen Datenanalyse und die Möglichkeit, auf Veränderungen der Nachfragesituation flexibel und schnell reagieren zu können.
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Erstveröffentlichung: TPP, Juni 2020