18.05.2022

Daten endlich richtig nutzen

Chancen erkennen und Potenziale erschließen

Heike Gündling, CEO, 21st Real Estate GmbH
Heike Gündling

Alle Welt staunte, als Elon Musk verkündete, die erste Tesla-Gigafabrik in ganz Europa in Grünheide zu bauen. Wo? In einer 9.000-Seelen-Gemeinde, auf einer brandenburgischen grünen Wiese. Was auf den ersten Blick überraschend erscheint, erweist sich auf den zweiten Blick als logisch und durchdacht: Faktoren wie die Anbindung an Schiene, Autobahn, Flughafen und das vorhandene Arbeitskräftepotenzial, sprechen klar für Grünheide.

Tesla zeigt eindrücklich, wie beschränkt und voreingenommen die eigene Wahrnehmung in Bezug auf eine Standortwahl sein kann. Das Bauchgefühl ersetzt nach wie vor häufig den nüchternen Blick auf Daten und Informationen. Die dort aktuell diskutieren möglichen Umweltprobleme hätte man mit der richtigen Datenbasis und -analyse allerdings auch schon antizipieren können.

Daher steckt in diesen Daten und ihrer intelligenten Auswertung die Zukunft der Immobilienbranche. Denn diese steht vor immensen Herausforderungen. Auf der einen Seiten erhöht Regulierung, wie die ESG-Richtlinien, Basel III oder Solvency II, Anforderungen an die Risikobewertung von Investments und an die Reportingpflichten von Asset Managern. Auf der anderen Seite steigt vor dem Hintergrund des anhaltenden Niedrigzinsumfelds und fehlender Anlagealternativen der Wettbewerb um Standorte, Produkte und Projekte.

Alternative Assetklassen und Lagen rücken verstärkt in den Fokus institutioneller Investoren. Anlageentscheidungen erfordern immer komplexere Markt- und Standortanalysen, die nicht nur preisbildende Faktoren beinhalten, sondern auch Daten zu Umwelt- und Klimarisiken sowie zu nachfragerelevanten Aspekten, wie der Anbindung oder der technischen Infrastruktur. Und gleichzeitig werden Schnelligkeit und die richtige Standortwahl zum Schlüssel für ein erfolgreiches Investment.

Diese neuen Herausforderungen können heute und in Zukunft nur mit einer umfassenden Datenaggregation, intelligenten Analysemethoden und weitreichenden Vernetzung bewältigt werden. Die Datenlandschaft in Deutschland gleicht jedoch einem Mosaik. Unzählige Quellen, wie Statistische Landes- und Bundesämter, Gutachterausschüsse, Verkehrsbetriebe, Bundes- und Landesministerien, Banken, Versicherungen, Netzbetreiber, Marktforschungsinstitute, sowie Grundbuch- und Planungsämter etc., müssen einzeln hinzugezogen und deren Datenbasen integriert werden, gleichwohl lassen Datenqualität, -tiefe, -aktualität und -verfügbarkeit in aller Regel zu wünschen übrig – insbesondere für weniger dicht besiedelte Regionen.

Hinzu kommt immer noch eine gewisse Skepsis gegenüber Datenverarbeitungsmethoden wie dem KI-basiertem Machine-Learning. Dabei verbessern sie die Aussagefähigkeit von Marktanalysen und Prognosen erheblich und ermöglichen es überhaupt erst, die Vielzahl unterschiedlicher Variablen in die Modellierung einer zukünftigen Entwicklung verlässlich einzubeziehen und den Umfang dieser Daten mit der notwendigen Geschwindigkeit zu verarbeiten. Die Zuverlässigkeit solcher Prognosen ist bereits heute beachtlich, und steigt wiederum kontinuierlich mit der Qualität und Quantität der eingespeisten Daten – je weiter diese zeitlich zurückreichen und je kleinräumiger sie vorliegen, desto valider das Ergebnis.

Bei allen angebrachten Zweifeln an Künstlicher Intelligenz müssen wir 2022 beginnen, wie Tesla, Daten als Chance und nicht als Bedrohung zu begreifen. Schließlich sollten millionenschwere Investitionsentscheidungen auf den besten zur Verfügung stehenden Informationen fußen. Wir sollten hier endlich im 21. Jahrhundert ankommen!

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von 21st Real Estate
Erstveröffentlichung: Immobilien & Finanzierung, März 2022

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