24.04.2018

Bauen alleine reicht nicht

Das muss passieren, damit Investoren billiger bauen

Dieter Becken, Geschäftsführender Gesellschafter, BECKEN Holding GmbH
Dieter Becken

Hamburgs Behörden verteilen immer mehr Baugenehmigungen, der neue Bürgermeister will bezahlbares Wohnen zum Schwerpunkt seiner Arbeit machen – und doch gelingt es nicht, genügend bezahlbare Wohnungen zu bauen. Das muss passieren, damit mehr bezahlbarer Wohnraum gebaut werden kann:

Voller Stolz verkündete Senatorin Dorothee Stapelfeldt zu Beginn des Jahres, dass das vereinbarte Ziel von 10.000 genehmigten Wohnungen 2017 sogar um mehr als 3400 genehmigte Wohnungen übertroffen wurde. Das ist zweifelsohne eine deutliche Steigerung – reicht aber trotzdem nicht.

Denn das Maklerhaus JLL schätzt, dass unter Berücksichtigung des aktuellen Zuzugs 15000 Wohnungen jährlich neu gebaut werden müssten. Selbst wenn aus allen Baugenehmigungen wirklich neue Wohnungen würden (und parallel keine abgerissen würden), fehlten jährlich rund 1600 Einheiten.

Zudem sind die neuen Wohnungen für viele Menschen nicht automatisch bezahlbar. Und das liegt daran, dass der Bau einfach zu teuer ist. Eine Studie der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen mit der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e.V. (ARGE) belegt, dass die Baukosten aktuell im Schnitt rund 20 Prozent über der von der ARGE als bezahlbar markierten Grenze von 1800 Euro pro Quadratmeter je Wohnfläche liegen.

Das wiederum hat mehrere Gründe: 1. Die Grundstückspreise. Die sind in Hamburg im Schnitt 13 Prozent teurer als in anderen Großstädten. 2. Der Baugrund: Die vielen Grundstücke am Wasser erfordern spezielle Baumaßnahmen, die wiederum die Kosten erhöhen. 3. Der hohe Anstieg der Bau- und Baustoffpreise. Betonstahl hat sich zum Beispiel laut Statistischem Bundesamt allein im vergangenen Jahr um rund 20 Prozent verteuert.
4. Die hohen energetischen Auflagen. Von 2006 bis 2016 haben allein höhere Effizienzstandards der Energieeinsparungsverordnung (EnEV) zu zusätzlichen Baukosten von 182 Euro je Quadratmeter geführt, so die Aussage einer weiteren ARGE-Studie. Das bedeutet, dass allein die zuletzt verschärften Energieauflagen den Bau einer 100-Quadratmeter-Wohnung mal eben um 18200 Euro verteuert haben.  

Gewiss: Auch bezahlbares Wohnen braucht Energieeffizienzstandards, diese müssen jedoch auch in der Praxis umsetzbar und wirtschaftlich wie sozial verträglich sein. Ich schlage daher vor, für bestimmte Projekte die Effizienzstandards zu lockern. Wenn ein Bauherr statt 100 Prozent nur noch 80 Prozent der Auflagen erfüllen muss, können Baukosten gesenkt und in der Folge auch günstigere Mieten angeboten werden. Wenn die Politik die Effizienzstandards aus Klimaschutzgründen nicht senken will, könnten Subventionen eine Möglichkeit sein.

Der Hamburger Senat sollte zudem die bisherigen Genehmigungs- und Planungsverfahren kritisch hinterfragen, denn nur bauen löst das Problem der Wohnungsnot und vor allem mangelnder bezahlbarer Wohnungen nicht. Der Senat hat sich bereits auf die Fahne geschrieben, die Kosten des Wohnungsbaus in Hamburg zu reduzieren. Die Abkehr vom Höchstgebotsverfahren bei der Vergabe von Grundstücken und die Beschleunigung der Planverfahren gehören zu den wesentlichen Punkten, die der Senat dabei nennt.

Lieber Senat, die Richtung ist gut, doch wenn ihr es richtig machen wollt, dann bezieht doch bitte alle Akteure am Markt für einen ganzheitlichen Dialog mit ein! Private Hauseigentümer, die derzeit Modernisierungen in nennenswerter Zahl planen, sind dabei sicher eine der ersten Adressen. Denn eventuell können Sanierungen zurückgestellt und so Kosten vermieden werden, die sonst auf die Mieten umgelegt werden.

Dann gibt es eine weitere Sache: Zurzeit werden nicht wenige Sozialwohnungen von Gutverdienern blockiert, die irgendwann mal die Voraussetzungen für eine Sozialwohnung erfüllten, jetzt aber nicht mehr. Diese Fehlbelegungen sollten deutlich reduziert werden.

Zudem könnte eine effektive Tauschbörse richtig Schwung in den Markt bringen. Derzeit ist es doch so: Eine alleinstehende Seniorin, die in einer 4-Zimmer-Wohnung mit altem Mietvertrag lebt, müsste bei einem Umzug in eine 2-Zimmer-Wohnung oft sogar draufzahlen. Also zieht sie nicht um und blockiert wertvollen Wohnraum für Familien. Die Lösung wäre ein Tauschportal, auf dem zumindest die SAGA und die Genossenschaften die Mieter vernetzen, die eine andere Wohnung benötigen. So kann dann die Seniorin die kleinere Wohnung eines Paares erhalten, das inzwischen Kinder bekommen hat.

Fakt ist, das Problem bezahlbares Wohnen zu gewährleisten ist so komplex wie seine Lösung. Der Senat hält die Fäden in der Hand. Jetzt muss er sie auch ziehen.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Becken Holding GmbH
Erstveröffentlichung: Hamburger Morgenpost, April 2018

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