Statements zum zehnten Jahrestag der Insolvenz von Lehman Brothers
Zunächst muss man dem deutschen und dem europäischen Gesetzgeber bescheinigen, dass in Sachen Finanzmarktregulierung in den vergangenen zehn Jahren sehr viel getan wurde. Handlungsbedarf in Bezug auf Deutschland sehe ich insbesondere noch im Bereich Immobilienfinanzierung. Man darf nicht vergessen, dass die Finanzkrise im Kern eine Krise der Immobilienfinanzierung war. Auch Leman Brothers ist insolvent geworden aufgrund von verfehlten Immobilienfinanzierungen.
Nun hat der deutsche Gesetzgeber so genannte makroprudentielle Instrumente eingeführt, mit denen Gefahren für die Stabilität des Finanzsystems abgewendet werden sollen. Die Aufgabe, zu prüfen, wann und ob diese Instrumente zum Einsatz kommen, wurde der Bundesbank auferlegt. Allerdings hat weder die Bundesbank noch die die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die notwendigen Informationen, um eine korrekte Diagnose zu stellen. Es fehlen detaillierte Daten insbesondere über die private Immobilienfinanzierung. Der BaFin wird also das Recht und damit auch die Pflicht gegeben, in den Markt einzugreifen, ohne dass sie genaue Kenntnis über den Zustand des Marktes hat. Dies erhöht zwangsläufig das Risiko, dass ein Eingriff der BaFin zur Unzeit kommt – entweder zu früh und damit unnötig oder zu spät. Wie überall sonst gilt daher auch hier: Therapie ohne Diagnose ist wenig sinnvoll.
Insofern können die eingeführten Instrumente ohne ein wirkliches Kreditregister nicht sinnvoll angewendet werden. Ein solches Kreditregister sollte beispielsweise Daten wie Loan-to-Value (Darlehen in Relation zum Immobilienwert), Entwicklung des Beleihungswertes und Debt-Service-to-Income (Schuldendienst in Relation zum Einkommen) enthalten.
Gerade in Zeiten eines starken Immobilienpreisanstiegs, wie wir ihn in den vergangenen Jahren erlebt haben, wären lückenlose Daten über die Immobilienfinanzierung von großer Bedeutung, um eventuelle Krisen frühzeitig zu erkennen und damit abzuwenden.
Prof. Dr. Steffen Sebastian, Inhaber des Lehrstuhls für Immobilienfinanzierung an der IREBS, Universität Regensburg
Die Finanzkrise hat eine riesige Regulierungswelle ausgelöst. Vor allem das deutsche Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) – die nationale Umsetzung der europäischen AIFM-Richtlinie – ist ohne Finanzkrise undenkbar. Viele Dinge wurden über einen Kamm geschoren und ohne Berücksichtigung von Größe und Komplexität zu einheitlich reguliert. Daher traf es auch viele Bereiche, die mit den Ursachen der Krise nichts zu tun hatten. Mit der AIFM-Richtlinie sollten beispielsweise u.a. Hedgefonds strenger reguliert werden. Getroffen wurden dann aber auch Immobilien- und andere Fonds, die in alternative Anlagen investieren.
Meiner Meinung nach ist die Regulierung oft zu undifferenziert. Sie trifft die Tochter einer Großbank genauso wie einen kleinen Finanzdienstleister mit fünf Mitarbeitern. Das gilt insbesondere für die Anwendung der Vorgaben durch die Behörden.
Zu den Bereichen, die mir immer noch zu wenig reguliert sind, gehören Nachrangdarlehen, Genussscheine und stille Beteiligungen – kurz alles, was nicht unter das Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) fällt. Wäre dies anders, wären die Pleiten von P&R oder Prokon, bei denen viele Privatanleger große Summen verloren haben, vielleicht vermeidbar gewesen. Prokon ist ein typisches Beispiel. Es handelte sich bei den vertriebenen Produkten um Genussscheine, die nicht unter das KAGB fallen.
Martina Hertwig, Partnerin und Wirtschaftsprüferin bei Baker Tilly und Mitglied des ZIA-Vorstands
Die Schockwellen, die nach der Lehman-Pleite vor zehn Jahren durch die Finanzwelt liefen, trafen auch die deutschen offenen Immobilien-Publikumsfonds mit voller Wucht und legten deren Schwachstellen schonungslos offen. In der Folge mussten zahlreiche Fonds mit einem Immobilienvermögen von über 20 Mrd. Euro geschlossen und abgewickelt werden.
Zehn Jahre nach Lehman sind die offenen Immobilien-Publikumsfonds deutlich robuster aufgestellt. Dies ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass der Gesetzgeber die Fristentransformation der Fonds – zwischen täglich verfügbaren Anlegergeldern und langfristigen Investitionen in Immobilien – mit einer strengeren Regulierung entschärft hat. Hinzu kommt ein aktives Portfoliomanagement, das die früher vorherrschende „Buy-and Hold“ Strategie abgelöst hat und so zu optimierten, risikodiversifizierten Immobilienbeständen beiträgt. Beides zusammen führt unterm Strich dazu, dass die Fonds besser für externe Schocks gewappnet sind.
Das zurückgekehrte Vertrauen der Anleger zeigt sich nicht nur in den hohen Mittelzuflüssen in die bestehenden Fonds, sondern auch in der Neuauflage von mehreren neuen Fonds für Privatanleger in den vergangenen Jahren. Diese positive Entwicklung hätte in den Jahren direkt nach der Krise kaum jemand vorhergesehen.
Michael Schneider, Geschäftsführer der IntReal International Real Estate Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH
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Erstveröffentlichung: September 2018 über RUECKERCONSULT