Konsolidierung, Neubau, Politikwechsel – Lars von Lackum bleibt keine Antwort schuldig.
Als „The-Property-Post“-Redakteur Reiner Reichel das Interview mit Lars von Lackum, Vorstandsvorsitzender der LEG Immobilien SE, vorbereitete, ging er noch von einem persönlichen Besuch in der 20 Kilometer entfernten Düsseldorfer LEG-Zentrale aus. Angesichts der zwischenzeitlich steigenden Inzidenzwerte verabredeten sich beide dann vernünftigerweise zur Video-Konferenz. Reichel erlebte einen gut gelaunten, präzise antwortenden LEG-Chef.
The Property Post: Nach der Privatisierung wurde die LEG Immobilien konsequent zum Wohnungsverwalter umgebaut. Nun wird zusätzlich saniert und neu gebaut. Was hat Vorrang?
Lars von Lackum: Wir haben ein Drei-Säulen-Modell. Zuallererst geht es darum, den Bestand zu optimieren. Ohne dies ist alles andere nichts. Das heißt: Leerstand reduzieren, Mieteinnahmen erhöhen und Kundenzufriedenheit steigern. Das ist uns in den vergangenen zweieinhalb Jahren hervorragend gelungen. Mit einer Leerstandsquote auf vergleichbarer Fläche von 2,6 Prozent zum Ende des dritten Quartals 2021 liegen wir unter dem strukturellen Leerstand. Mieterhöhungen um drei Prozent in diesem Jahr, nicht zuletzt aufgrund von Investitionen in die Wohnqualität, gehören zu den besten Werten in der Branche. Die Kundenzufriedenheit ist viel höher als früher. Die zweite Säule ist der Neubau. Wir wollen jedes Jahr rund 500 Wohnungen neu bauen, ab dem Jahr 2026 sogar 1.000. Darüber hinaus weiten wir unser Angebot an Dienstleistungen für Mieter aus, etwa im Bereich der Medien, der Energieversorgung und der Handwerkerleistungen. So nehmen wir Sanierungsarbeiten vor dem Einzug neuer Mieter wieder selbst in die Hand, statt sie fremd zu vergeben. Die dritte Säule sind die Akquisitionen, durch die wir jährlich um 7.000 Einheiten wachsen wollen.
TPP: Ihre Vorgänger beschränkten sich auf Nordrhein-Westfalen, Sie offensichtlich nicht?
LvL: Nein, wir wollen deutschlandweit wachsen – drei Ausrufezeichen! Nach dem Kauf des Adler-Portfolios befinden sich 20 Prozent unserer Wohnungen außerhalb von NRW.
TPP: Nicht nur Portfolios wechseln den Eigentümer, auch ganze Gesellschaften. Die LEG war bereits Ziel eines Übernahmeangebots. Wann kommt das nächste?
LvL: Das weiß ich natürlich nicht. Aber ganz klar: Wir wollen selbst aktiv konsolidieren und nicht konsolidiert werden. Wir haben gerade 15.000 Wohnungen von Adler gekauft und eine Option auf weitere 12.000 über den Anteilserwerb an der Brack Capital.
TPP: Nach der Adler-Transaktion war in einer Regionalzeitung zu lesen: „LEG Immobilien erwirbt Problemhäuser in Bad Oldesloe“. Problemhäuser standen bisher nicht im Fokus der LEG. Riskieren Sie damit, in der Kundenzufriedenheit zurückzufallen?
LvL: Wir kaufen keine Problembestände, sondern immer bezahlbaren Wohnraum zu Monatsmieten zwischen 5,50 und sieben Euro je Quadratmeter. Das sind Wohnungen aus den 50er-, 60er- und 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Darunter sind dann auch manchmal herausfordernde Bestände. Doch wir haben eine große Truppe im Konzern, die das Modernisieren übernimmt – und die ist in den letzten Jahren nochmal deutlich gewachsen. Bestände aus diesen Baujahren insbesondere energetisch zu modernisieren ist für die Wohnungswirtschaft alternativlos, denn zwei Drittel aller Wohnhäuser in Deutschland wurden vor 1979 gebaut. Der Abriss dieser Gebäude ist keine Lösung, weil die zur Herstellung aufgewandte Energie vernichtet würde. Ersatzgebäude müssten etwa 40 Jahre genutzt werden, bis die Energiebilanz wieder ausgeglichen ist.
TPP: Wer bezahlt die energetische Modernisierung?
LvL: Anders als es so mancher Politiker die Menschen im Zuge des Wahlkampfes glauben machen wollte, gibt es Ökologie in der Wohnungswirtschaft nicht zum Nulltarif. Unser Modell folgt der aktuellen Rechtslage. Wir nehmen die Modernisierungsumlage in Anspruch. Allerdings bremst die Bundesförderung für energieeffiziente Gebäude die Modernisierungskosten. Doch man muss wissen, dass im Falle eines Wechsels von KfW 55 auf KfW 40 die Förderung die Mehrkosten nicht deckt. Von unserer neuen Bauministerin Klara Geywitz wünschen wir uns hier eine nachhaltige Lösung.
TPP: Freut es Sie, dass es nun ein Bauministerium gibt?
LvL: Ja, sicher. Unsere Hoffnung ist, dass Frau Geywitz, die ja sehr vertraut ist mit Kanzler Olaf Scholz, der Immobilienwirtschaft unmittelbaren Zugang zu allen Entscheidern in der Regierung ermöglicht. Nun sollten auch die wechselseitigen Schuldzuweisungen zwischen Politik und Immobilienwirtschaft aufhören und die Arbeit an gemeinsamen Lösungen zum Wohle der Mieter beginnen.
TPP: Die neue Regierung verspricht 400.000 Wohnungen im Jahr zu bauen. Kann sie das Versprechen halten?
LvL: Das wird nur gelingen, wenn mehr Bauland ausgewiesen wird, wenn die Genehmigungsprozesse schlanker werden und wir konsequent seriell bauen. Die Erschließung ländlicher Räume ist ein weiterer Schritt zu mehr Neubau.
TPP: Noch einmal zu Ihren Neubauzielen: Wie wollen Sie die erreichen?
LvL: Wir kooperieren mit dem Projektentwickler Goldbeck, der Erfahrung im seriellen Bauen hat, und werden Gebäude errichten, die aus vorgefertigten Teilen bestehen.
TPP: Apropos ländlicher Raum: Flüchten die Deutschen aufs Land?
LvL: Eine Flucht aufs Land kann ich nicht erkennen. Wir merken, dass preissensitive Menschen längere Pendelstrecken auf sich nehmen, wenn sie sich dadurch mehr Wohnfläche leisten können. Für diese Menschen ist es wichtig, dass es ein dichtes Netz von Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel gibt und Busse, U- und S-Bahnen in kurzen Intervallen fahren.
TPP: Es gibt zu wenig Sozialwohnungen. Die neue Regierung plant deshalb die Wiedereinführung der Gemeinnützigkeit. Wie denken Sie darüber?
LvL: Vor diesen Plänen stehe ich ratlos. Als Vorstandschef eines Unternehmens, das große Bestände der Neuen Heimat übernommen hat, sehe ich, was Gemeinnützigkeit auslösen kann. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Wiedereinführung der Gemeinnützigkeit geeignet ist, die großen Herausforderungen der Wohnungswirtschaft zu bewältigen. Ich habe die Sorge, dass man einen neuen Papiertiger erschafft, der viel öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zieht, aber nicht hält, was er verspricht. Ich würde es begrüßen, wenn die Politik stattdessen noch stärker die bestehenden Gesellschaftsformen, selbstverständlich auch kommunale Wohnungsgesellschaften und Genossenschaften, unterstützen würde.
TPP: Die Gemeinnützigkeit kommt vielleicht. Die Vorgabe 30 Prozent der Neubaueinheiten als geförderte oder preisgedämpfte Wohnungen zu errichten, gibt es bereits vielerorts. In Düsseldorf wird sogar über eine Quote von 50 Prozent diskutiert. Wie gefällt Ihnen diese Form preiswerten Wohnraum zu schaffen?
LvL: Wenn diese Regelung kommt, müssen wir sie einhalten. Aber man muss Politikern deutlich sagen, dass dann die Preise für die freifinanzierten Wohnungen steigen. Je kleiner der Anteil freifinanzierter Wohnungen wird, desto teurer werden diese. Denn ein Projekt muss sich für den Entwickler lohnen.
TPP: Gut möglich, dass Sie das den Düsseldorfer Politikern bald am Beispiel des seit Jahren brachliegenden Neubauprojekts Glasmacherviertel erklären müssen.
LvL: Soweit sind wir noch nicht. Wir haben Anteile am Projektentwickler Brack Capital erworben und uns damit indirekt auch eine Kaufoption für das 19.000 Quadratmeter große ehemalige Fabrikgelände der Gerresheimer Glas gesichert. Es ist eines der größten innerstädtischen Wohnentwicklungsgebiete in Deutschland.
TPP: Werden Sie die Kaufoption ausüben?
LvL: Das kann ich Ihnen heute noch nicht sagen. Im Moment haben wir einen Anteil von 31 Prozent, und eine Kaufoption über 63 Prozent, die wir zwischen dem 1. Januar und 30. September 2022 ausüben können. Wenn wir die Kaufoption ausüben, ist es nicht unser Interesse, das Grundstück lange ungenutzt liegen zu lassen.
TPP: Dominierendes Thema in den Nachrichten ist die Pandemie und ihre Folgen. Welche Auswirkungen spüren Sie?
LvL: Wie jedes Unternehmen sind wir von den Hygienemaßnahmen zur Infektionsabwehr betroffen. Die Pandemie hat dazu geführt, dass Menschen mehr in ihre Wohnung investieren. Langjährige Mieter verhalten sich vergleichbar. Das hat dazu geführt, dass wir häufiger gefragt werden, ob wir einen Balkon anbauen oder ein Arbeitszimmer abteilen können.
TPP: Zu Beginn der Pandemie kündigten die LEG und andere Wohnungskonzerne an, in Härtefällen Mieten zu stunden. Die Mietausfälle waren gering. Bleibt das in der vierten Welle so?
LvL: Das kann sich ändern, aber wir sehen im Moment keine steigende Zahl von Bitten um Mietstundungen.
TPP: Verzicht auf Mieterhöhungen, Mietstundungen – das passt zu einem Slogan auf der LEG-Homepage: „Wir sind in besonderer Weise in der Lage, die Interessen unserer Mieter, Mitarbeiter und Aktionäre unter einen Hut zu bringen.“ Was die LEG den Mietern nicht abnimmt, kann sie den Aktionären nicht geben. Ich kann nicht glauben, dass Aktionäre auf Dividende verzichten, weil Sie Möglichkeiten der Mieterhöhung auslassen.
LvL: Das Abwägen der unterschiedlichen Interessen der drei Gruppen funktioniert sehr gut. Wir haben eine sehr hohe Zufriedenheit bei Mietern und Mitarbeitern. Das eine bedingt das andere. Ohne zufriedene und motivierte Mitarbeiter können wir Mieter nicht zufriedenstellen. Ohne den zufriedenen Kunden haben wir keine Chance, eine gute Rendite zu erzielen. Wir könnten sechs Prozent Mietwachstum erreichen, so dass die Rendite kurzfristig steigt. Damit würden wir aber mittelfristig die Bestände ruinieren, weil die Fluktuation und damit die Instandhaltungskosten steigen würden.
TPP: Bedeutet Interessenabwägung auch auf gesetzlich mögliche Mietanhebungen zu verzichten?
LvL: Ja, das heißt es, zum Beispiel nach Modernisierungen. Da arbeiten wir mit einer Mischkalkulation. An Standorten, an denen sich die Mieter das nicht leisten können, gehen wir nicht ans obere Ende der Modernisierungsumlage, dort, wo es möglich ist, schon.
TPP: Das Verhalten gegenüber Mietern spielt auch bei der ESG-Beurteilung eine Rolle. Wie schneidet die LEG dabei ab?
LvL: Wir haben große Fortschritte gemacht. Die soziale Komponente ist nur ein Aspekt. Es geht in hohem Maß um klimafreundliches Verhalten. Die LEG wird bis zum Jahr 2024 rund 500 Millionen Euro ausgeben, um den CO2-Ausstoß um zehn Prozent zu verringern und will bis 2045 Klimaneutralität erreichen.
TPP: Schauen wir auf eine andere Bewertung – die ihrer Wohnungen und Wohnungen generell. Die Bundesbank hat vor ein paar Wochen wieder vor einer Immobilienblase gewarnt. Während Immobilien fast aller anderen Nutzungsarten in der Pandemie an Wert verloren haben, werden Wohnungen immer weiter hochgeschrieben. Ist es nicht inzwischen zu viel des Guten?
LvL: Ich sehe nicht, dass Wohnraum überbewertet ist, insbesondere nicht der bezahlbare Wohnraum. Das liegt an den Neubaukosten. Die inflationieren wegen Materialknappheit und Arbeitskräftemangel sehr schnell. Die niedrigen Zinsen halten die Nachfrage nach Wohnungen hoch. Das wird so bleiben. Die Europäische Zentralbank kann die Zinsen wegen der hohen Verschuldung südlicher EU-Länder nicht nennenswert erhöhen. Darüber hinaus würden steigende Zinsen diesen Ländern die Chance nehmen, den zwingend erforderlichen ökologischen Umbau der Wirtschaft zu finanzieren. Unter diesen Umständen kann ich mir nicht vorstellen, dass die Quadratmeterpreise für Wohnraum sinken. Im Gegenteil: Ich erwarte weiter steigende Preise. 2021 wird es den höchsten Anstieg der Wohnungspreise seit dem Börsengang der LEG im Jahr 2013 geben.
TPP: So dass sich Aktionäre von Wohnungsgesellschaften auf ergebniswirksame Aufwertungen der Bestände freuen dürfen.
LvL: Ja, davon gehe ich aus.
TPP: Herr von Lackum, vielen Dank für das Interview.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von LEG Immobilien SE
Erstveröffentlichung: The Property Post. Januar 2022