An regenerativen Energien führt kein Weg mehr vorbei, meint FM-Experte Schwan
Wer die Entstehung der Engie Deutschland GmbH zurückverfolgt, wird auf ein französisches Mutterhaus stoßen, das ursprünglich Compagnie de Suez hieß. Engie hat den Anspruch, Unternehmen auf dem Weg zur Klimaneutralität zu begleiten. Mit knapp 5.000 Beschäftigten setzt die Gesellschaft in Deutschland rund 1,4 Milliarden Euro um. Auf den Bereich Energiedienstleistungen, für den Stefan Schwan mitverantwortlich ist, entfällt ein Drittel.
The Property Post: Herr Schwan, vor sieben Jahren haben Sie gesagt: „Wenn es das Günstigste wäre, Strom in Eimern in einen Keller zu tragen – viele Kunden würden genau das bestellen. Hauptsache, es ist billig, das Licht brennt, und es ist warm. Es ist nicht der moralische Anspruch, möglichst wenig Energie zu verbrauchen, der meiner Branche Auftrieb gibt.“ Ist das noch immer so?
Stefan Schwan: Nein, schon im vergangenen Jahr haben die Forderungen, nachhaltig zu wirtschaften, Widerhall bei deutschen Unternehmen gefunden. Ich persönlich habe noch nie an eine Verbrauchs-, sondern an eine Kreislaufwirtschaft geglaubt. Fossile Energieträger werden sowieso knapper und somit teurer. Wie schnell Energie teurer werden kann, wenn sie knapp wird, haben die gedrosselten Gaslieferungen aus Russland den Menschen bewusst gemacht. Ich habe noch nie so viele Industrie- und Immobilienunternehmen erlebt wie in den vergangenen vier Monaten, die ihre Strategie komplett gedreht haben und nun ihre Versorgung auf regenerative Energien umrüsten wollen.
TPP: Aber spielen nicht doch die Kosten die Hauptrolle?
SS: Selbstverständlich machen um das drei- bis vierfach gestiegene Gaspreise den Einsatz regenerativer Energie nun wirtschaftlicher. Es lohnt sich aber nicht nur finanziell. Die Unternehmen erkennen, dass sie auch in Unabhängigkeit von Lieferanten und Versorgungssicherheit investieren. Zwei Aspekte, die ihnen sehr wichtig geworden sind.
TPP: Das Umschalten auf regernative Energie wird dauern. Zwischenzeitlich hilft nur, den Energieverbrauch zu drosseln. Privatpersonen sollen im Winter weniger stark heizen, die öffentliche Hand verzichtet auf die Beleuchtung öffentlicher Gebäude. Was können Ihre Kunden kurzfristig tun?
SS: Unsere Kunden stellen gerade fest, dass sie Energieerzeugung und -verbrauch zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt haben. Jetzt wird ihnen klar, dass mit wenigen Handgriffen signifikante Verbrauchsreduzierungen möglich sind, ohne dass Produktionsprozesse beeinträchtigt werden. Kürzlich schilderte mir die Geschäftsführung eines Kunststoffproduzenten ihre Überlegungen zur Energieeinsparung, die nur geringe Investitionen voraussetzen. Ich habe ihr auf den Kopf zugesagt, dass sie ihren Energieverbrauch mit den Maßnahmen um 50 Prozent reduzieren werden. Es folgte ungläubiges Staunen. Der Betriebsleiter empfand diese Aussage als Affront, weil er meinte, dass ich ihm unterstelle, dass er seit 20 Jahren seinen Job schlecht gemacht hat. Das war selbstverständlich nicht meine Absicht. Unternehmen in vergleichbarer Situation dürfte es viele geben.
TPP: Privatpersonen bleibt nichts anderes übrig, als sich einzuschränken. Können zumindest am Markt gut positionierte Unternehmen die gestiegenen Energiekosten auf die Verbraucher abwälzen? Dies geschieht auch bereits.
SS: Ein solches Verhalten ist langfristig nicht zielführend. Die höheren Preise auf die Kunden abzuwälzen, birgt das Risiko, irgendwann nicht mehr wettbewerbsfähig zu sein. Da ist es vernünftiger, nach Möglichkeiten zu suchen, die die Energiekosten reduzieren. Wechseln wir zur Wohnungswirtschaft. Wenn ein Wohnungseigentümer die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen reduziert, werden die Heizkosten planbarer.
TPP: Wer die Energieeffizienz nennenswert steigern will, wird kräftig investieren müssen.
SS: Ja, sonst geht es nicht.
TPP: „Energieeffizienz ist vor allem staatlich getrieben. Je mehr gefördert wird, desto schneller entwickeln sich Technologien und Markt weiter.“ Auch das haben Sie vor ein paar Jahren gesagt. Die Immobilienbranche klagt, die neue Förderung sei zu gering. Hat die Immobilienwirtschaft nun einen Vorwand, den Weg zur Klimaneutralität weiterhin zögerlich zu gehen?
SS: Keinesfalls! Meiner Meinung nach ist das neue Förderprogramm gut und sehr zielgerichtet. Was der Immobilienbranche zu schaffen macht, sind die ständigen Veränderungen der Förderbedingungen und plötzlich leere Töpfe. Dass Gelder in die Sanierung gelenkt werden, halte ich für eine absolut richtige Entscheidung. Ich weiß andererseits auch nicht, wie lange sich der Staat eine intensive Förderung leisten kann. Ja, die Fördersätze sind niedriger. Aber machen wir uns doch nichts vor: Was Wohnungsentwickler und Investoren in den vergangenen Jahren durch Mieten und Wertsteigerungen an Rendite erwirtschaftet haben, ist mehr als genug. Wenn diese Gruppe nun sagt, es wird zu wenig gefördert, dann ist das nicht richtig. Auch wenn die Risiken durch Materialkostensteigerungen und Kapazitätsengpässe jetzt selbstverständlich größer geworden sind.
TPP: Wie könnte ein Kompromiss aussehen, der nicht zur Investitionsverweigerung führt?
SS: Im Neubau könnte auf Ausgaben für Architektur und Umfeld zugunsten von Investitionen in die Nachhaltigkeit verzichtet werden. Und vielleicht müssen sich Projektentwickler mit geringeren Margen zufriedengeben?
TPP: Besteht nicht sogar das Risiko, dass die Förderung verpufft, weil Materialengpässe und fehlende Kapazitäten bei den Handwerkern die Leistungen verteuern?
SS: Das ist ein Riesenthema. Es ist wichtig, dass man bei der Förderung nicht übertreibt, was man – wie ich bereits zu verstehen gegeben habe – auch nicht tut. Ich halte es in diesem Zusammenhang auch für richtig, dass die Förderung angesichts der steigenden Zinsen von Zuschüssen auf zinsverbilligte Kredite umgestellt wurde.
TPP: Mehr Technik oder mehr Dämmung? Wodurch möchten Sie die Energieeffizienz steigern?
SS: Durch beides. Das ist eine Frage der Kosten-Nutzen-Rechnung. Es macht in Bezug auf die Nachhaltigkeit keinen Sinn, auf ein Haus noch 50 Zentimeter Isolierung draufzuknallen, wenn zur Herstellung des Isoliermaterials viel graue Energie eingesetzt werden muss und die Entsorgung die Umwelt belastet. Auf der anderen Seite werden technische Lösungen, die der regenerativen Energieerzeugung und effizienten Energieverwendung dienen, preisgünstiger. Die Photovoltaik ist ein Beispiel dafür. Vor ein paar Jahren war sie nicht wettbewerbsfähig. Das hat sich trotz steigender Preise für die Anlagen geändert. Es hilft nur, Kosten und Nutzen beider Maßnahmen abzuwägen. Wo das hinführen kann, lässt sich an einem Gebäude in Essen in der Nähe der Zeche Zollverein beobachten. Dieses Gebäude wurde nicht gedämmt, weil es sich über Erdwärme so preisgünstig beheizen lässt, dass der Verbrauch eine untergeordnete Rolle spielt. Wenn Technik im Verhältnis zur Leistung preisgünstiger wird, wie bei Photovoltaikanlagen, verschiebt sich auch das Kosten-Nutzen-Verhältnis von Dämmen zu Technik.
TPP: Die Presse berichtet immer wieder über wahre Wundergebäude wie das Amsterdamer Bürohaus „The Edge“, welches mehr Energie produziert als es verbraucht. Wieviel Energie und Geld lässt sich wirklich sparen?
SS: Darauf kann ich keine allgemeingültige Antwort geben, und „The Edge“ taugt auch nicht als Beispiel, denn es handelt sich um ein Smart-Building-Experiment. Ich kann aber aus Erfahrungen berichten, die Engie als Partner von zwei Entwicklern beim Wohnungsprojekt Berlin Gartenfeld gerade macht. Vor ein paar Jahren lautete eine Faustregel, dass ein Haushalt etwa einen Euro pro Quadratmeter und Monat für die Beheizung einer Wohnung ausgeben muss. Wir sind im vergangenen Jahr, also vor dem Krieg in der Ukraine, bei unserem Berliner Vorhaben auf eine Belastung von 1,20 bis 1,30 Euro im Monat pro Quadratmeter gekommen. Das nach KfW-Standard 55 gebaute Gebäude ist mit einer sehr nachhaltigen Technik versehen. Beheizt wird es mit Biogas. Mittlerweile ist auch Biogas so teuer geworden, dass wir mit 2,70 Euro kalkulieren müssen. Würden wir das Haus so dämmen, dass wir von KfW-Standard 55 auf Standard 40 kommen, würden die Kosten für den Baukörper um etwa 20 Prozent steigen. Wir wollen nun die Wohnungen komplett mit regenerativer Energie versorgen, können damit aber dennoch die Energiekosten nur auf 2,30 oder 2,40 Euro drücken. Sie sind damit doppelt so hoch wie vor zwei Jahren.
TPP: Statt mit mehr Geld KfW 40 zu erreichen, stecken Sie mehr Geld in die Technik. Warum?
SS: Ich halte hohe Investitionen in die Dämmung von Baukörpern für fraglich. Je höher die Ansprüche werden, desto komplexer wird die Dämmung. Es wird ohnehin nie gelingen, ein Gebäude ohne Wärmeverluste zu bauen.
TPP: Betriebswirtschaftler rechnen aus, wie lange es dauert, bis sich eine Investition amortisiert. Welche Amortisationszeiträume erwarten Ihre Kunden?
SS: Die Industrie will Amortisationszeiträume von drei Jahren sehen, ist aber inzwischen bereit, fünf oder sogar zehn Jahre zu akzeptieren. Contracting-Modelle schonen das Investitionsbudget der Unternehmen und sind deshalb ein Anreiz für Investitionen in eine nachhaltige Energieversorgung. Im Bürosektor orientieren sich die Investitionen an den Vermietungszyklen von zehn bis 15 Jahren.
TPP: Wie sieht es in der Wohnungswirtschaft aus?
SS: Die Wohnungswirtschaft tickt anders. Sie schaut in erster Linie auf die Vermietbarkeit. Es ist ein Irrtum zu glauben, wenig energieeffiziente Wohnungen aus den 50er- und 60er-Jahren ließen sich in Zukunft noch vermieten. Denn ihre Warmmieten sind im Vergleich zu energetisch sanierten Wohnungen zu hoch. Institutionelle Wohnungseigentümer werden durch die ESG-Taxonomie zur nachhaltigen Gebäudebewirtschaftung angehalten, weil sie anderenfalls durch Abwertungen ihrer Bestände bestraft werden. Die Eigentümer nachhaltiger Gebäude werden durch Aufschläge belohnt. Deshalb finde ich den Ansatz der Taxonomie Verordung klasse.
TPP: Herr Schwan, vielen Dank für das Interview.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Engie Deutschland GmbH
Erstveröffentlichung: The Property Post, September 2022