10.06.2020

„Überdurchschnittliche Rendite“

Terranus-Geschäftsführer Markus Bienentreu über Pflegeimmobilien und warum Corona die Branche kaum tangiert.

Reiner Reichel, Redakteur, The Property Post

Markus Bienentreu ist auf dem Sprung, als „The Property Post“ (TPP) ihn erreicht. Nach dem Telefonat mit TPP wird er ein Pflegeheim besuchen. Als Berater ist er von den Besuchsregeln während der Corona-Pandemie ausgenommen.

TPP: Herr Bienentreu, seit Beginn der Corona-Pandemie wird erstmals regelmäßig über die Pflege von Menschen in den Abendnachrichten berichtet. Wie groß ist der Markt der stationären Pflege, in dem Terranus als Beratungsunternehmen tätig ist?
Markus Bienentreu: Wenn ich die nicht ganz aktuellen Statistiken der Pflegekassen hochrechne, werden aktuell etwa 900.000 Menschen in rund 14.500 Einrichtungen gepflegt. Die Bruttowertschöpfung in der voll- und teilstationären Pflege beträgt über 100 Milliarden Euro. Dabei lebt jedoch nur ein Viertel aller Pflegebedürftigen in Heimen.

TPP: Vermittler preisen Pflegeimmobilien als attraktive Anlagen an, weil der Bedarf zunimmt. Fehlen in Deutschland Pflegeheime?
MB:
Ja, weil der Bedarf tatsächlich wächst. Zurzeit leben schon mehr als fünf Prozent der über 65 Jahre alten Menschen in Heimen. Wir gehen davon aus, dass die Quote künftig eher darüber liegen wird – und das bei einer zunehmenden Zahl der über 65-Jährigen.

TPP: Wie viele zusätzliche Pflegebetten müssen entstehen, um diesen Zusatzbedarf zu decken?
MB:
Bis 2040 benötigen wir bei einer angenommenen konstanten Pflegequote ca. 1,25 Millionen Pflegeplätze. Heute haben wir knapp eine Million. Auch wenn wir einen Teil des Bedarfs über moderne ambulante Settings abdecken können, wird der absolute Bedarf an Pflegeplätzen weiter steigen.

TPP: Vermutlich müssen einige der älteren Häuser ersetzt werden. Wie hoch schätzen sie den Ersatzbedarf?
MB:
Pflegeheime in Deutschland sind zwischen 40 und 60 Jahre alt. Viele ältere Häuser lassen sich nicht mehr effizient betreiben, weil sie zu klein sind und sich nicht erweitern lassen. Dabei spielt auch eine Rolle, dass in mehreren der 16 Landesheimgesetze die Unterbringung in Ein- statt Zweibettzimmern gefordert wird. Es wird auch Einrichtungen geben, deren Umbau technisch nicht möglich und wirtschaftlich nicht sinnvoll ist. Ich schätze den Ersatzbedarf auf über 100.000 Plätze in den nächsten zehn Jahren.

TPP: Wann ist ein Haus zu klein, wann hat es die ideale Größe?
MB:
Von der Kostenseite sehen wir 80 Betten als Mindestgröße an, würden aber neue Häuser idealerweise eher mit 100 bis 120 Betten planen. Ob 80- oder 120-Betten-Haus, der Betreiber muss beispielweise einen Heimleiter, ein Pflegedienstleiter und einen Koch bezahlen, kann die Kosten im größeren Haus aber auf mehr Bewohner umlegen. In wesentlich größeren Häusern drohen sprungfixe Kosten, weil etwa die vorgenannten Stellen zumindest teilweise doppelt besetzt werden müssen.

TPP: Experten sagen vorher, dass sich Pandemien wiederholen werden. Welche Lehren ziehen sie daraus?
MB:
Der Bettenbedarf wird sich dadurch nicht ändern. Besonders kostspielige Baumaßnahmen in bestehenden und geplanten Einrichtungen sind nicht nötig. Man wird durch Glaswände trennbare Besuchsräume schaffen, die den Zugang von Bewohnern von innen auf der einen und Besuchern von außen auf der anderen Seite ermöglichen. Außerdem werden die Planer künftig auf leicht abtrennbare Quarantänestationen achten.

TPP: Immobilienanlagevermittler werben darüber hinaus mit überdurchschnittlichen Renditen für Pflegeimmobilien. Wie hoch muss die Rendite sein?
MB:
Der Investor trägt bei einer solchen Spezialimmobilie wesentlich höhere Risiken als zum Beispiel im klassischen Wohnungsbau. Da ist zum einen das Betreiberrisiko, also die Gefahr, dass der Betreiber in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät und die Miete nicht zahlen kann. Hinzu kommt, dass die Immobilie nicht zweitverwendungsfähig ist, denn sie kommt nur für die Nutzung als Pflegeheim in Betracht. Weitere Risiken erwachsen aus sich verändernden gesetzlichen Anforderungen. Die Rendite muss das widerspiegeln und höher sein als im klassischen Wohnungsbau. Ein guter Richtwert sind mindestens 4,5 bis fünf Prozent auf das Gesamtkapital gerechnet.

TPP: Die Risiken für Betreiber und damit auch die Immobilieninvestoren sind offensichtlich jüngst größer geworden. Häuser sind unterbelegt, weil Pflegekräfte fehlen. Die entsprechenden Kosten der Betreiber steigen teils rasant, weil sie teures Leihpersonal beschäftigen müssen. Drohen steigende Personalkosten die Renditemodelle zu kippen?
MB:
Unter Personalmangel leiden die Betreiber von Pflegeimmobilien schon lange. Das Thema Leiharbeit ist für die Branche ein Problem: Es gibt Fälle, in denen Pflegepersonal zum Monatsende beim Betreiber gekündigt hat und am folgenden Monatsanfang seine Arbeit in derselben Einrichtung als Angestellte einer Leiharbeitsfirma zum doppelten Preis fortsetzt. Leiharbeitsfirmen bieten nicht nur höhere Löhne, sondern auch verlässlichere Arbeitszeiten und somit bessere Arbeitsbedingungen. Die Betreiber müssen die Arbeitsabläufe besser organisieren. Aber es stimmt: Die Einrichtungen schaukeln sich bei der Bezahlung gegenseitig hoch.

TPP: Pflege wird folglich teurer werden. Wenn alle anderen Finanzierungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind, dann müssen die Angehörigen zahlen. Sie werden preisgünstigere – auch illegale – Alternativen zur stationären Pflege suchen und teils auch finden. Wird der Markt am Ende weniger stark wachsen als angenommen?
MB:
Das glaube ich nicht. Wir werden die Finanzierung nur langfristig neu verteilen müssen. Dazu wurden in der jüngeren Vergangenheit bereits einige Modelle diskutiert –  ob Sockel-Spitze-Tausch oder die vom Institut der deutschen Wirtschaft vorgeschlagene Eigenanteilsversicherung. Die Frage ist sicherlich, ob die Pflege nur von den Betroffenen zu tragen ist oder gemeinschaftlich finanziert werden soll.

TPP: Wie man mit Pflegeimmobilien Geld verdient, wissen Sie. Sicher wissen Sie auch, woran man eine gute Einrichtung erkennt. Was würden Sie einem Freund auf der Suche nach einem Pflegeplatz raten?
MB:
Er sollte die Einrichtung auf jeden Fall persönlich besuchen und sich die Räumlichkeiten zeigen lassen. Ich würde ihm sagen: Achte darauf, ob Du ohne lange Wartezeit zum Rundgang abgeholt wirst. Geht das Pflegepersonal höflich und freundlich mit den Bewohnern um? Werden die Bewohner mit Namen angesprochen? Schaue Dir das Kultur- und Beschäftigungsprogramm an. Wird auch am Wochenende etwas geboten? Wirf einen Blick auf die Speisekarte. Wie abwechslungsreich sind die Menüs? Betreiber, denen es schlecht geht, sparen zuerst am Essen. Das sind alles Indizien für ein gut geführtes Haus.

TPP: Können Bewertungsportale, wie es sie für Hotels gibt, bei der Auswahl helfen? Können Sie eines empfehlen?
MB:
Die alten Pflegenoten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen waren wenig aussagekräftig. Wenn der Durchschnitt eines Bundeslandes bei 1,1 liegt, hat selbst eine 1,0 kaum noch Aussagekraft. Hoffentlich ändert sich dies mit den neuen Qualitäts-Prüfrichtlinien, in der Branche QPR abgekürzt. Dennoch können diese einen persönlichen Eindruck nicht ersetzen.

TPP: Herr Bienentreu, vielen Dank für das Interview.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Terranus
Erstveröffentlichung: The Property Post, Juni 2020

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Reiner Reichel, Jahrgang 1956, war viele Jahre Immobilienredaktuer des Handelsblatts. Journalismus betreibt er, wie er Fußball spielt: hart aber fair.

Bienentreu_Terranus_TPP.jpgVom Forstwirt zum Geschäftsführer einer auf Sozialimmobilien spezialisierten Beratungsgesellschaft – Markus Bienentreu (52) hat einen in der Immobilienwirtschaft eher ungewöhnlichen Werdegang vorzuweisen. Just als er sein Forst-Studium beendet hatte, wurden in der Forstwirtschaft Stellen wegrationalisiert. Seine Immobilienkarriere begann er in der Abteilung Grundstückshandel einer Lebensversicherungsgesellschaft. Von dort wechselte er vor mehr als 20 Jahren zu Terranus. Dem Wald ist er dabei privat treu geblieben. Nur pflegt er nicht den ganzen Forst, sondern als Jäger den Wildbestand.

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