Stadtplanerin Zuschke über alte und neue Herausforderungen
Wohnungsnot, Flüchtlingszuzug und die Lehren aus der Pandemie sind die Themen, mit denen sich Cornelia Zuschke auseinandersetzen muss. Im Interview mit „The Property Post" macht Düsseldorfs oberste Stadtplanerin deutlich, wie sehr die Lösung vieler Probleme vom Umgang mit Grund und Boden abhängt. Und wie schwer es ist, Spekulanten in die Schranken zu weisen, die mit Grundstücken handeln, statt sie zu bebauen und damit Neubauvorhaben über Jahre blockieren.
The Property Post: Frau Zuschke, Sie haben an der Bauhaus-Universität studiert. Hat das Bauhaus noch heute Einfluss auf Ihre Arbeit?
Cornelia Zuschke: Das Bauhaus ist meine Prägung. Es ist ein Qualitätsvermächtnis – der Gedanke, Raum und Kunst miteinander zu verbinden – der meine Arbeit auch heute noch beeinflusst.
TPP: Doch im Alltag geht es um Profanes. Wie bekämpfen Sie die Wohnungsnot?
CZ: Indem wir die Ursachen bekämpfen, Grundlagen schaffen und möglichst viel genehmigen. Die Wohnungsnot ist sehr eng verknüpft mit der Bodenfrage. In den vergangenen Jahren ist viel mit Boden spekuliert worden. Das hat dazu beigetragen, dass vielversprechende Wohnungsbauvorhaben nicht realisiert wurden, weil die Grundstücke vor Baubeginn weiterverkauft wurden. Gleichzeitig muss über die Baudichte in den Städten entschieden werden und darüber, wie Quartiere erreichbar sein sollten. Das hat auch etwas mit Verträglichkeit und den Menschen zu tun.
TPP: Was muss geschehen?
CZ: Es gibt auch beim Grundstückshandel die Möglichkeit mitzubestimmen. In Düsseldorf lassen wir Projektentwickler bei Eintritt in die Planungsphase sogenannte Initiierungserklärungen unterschreiben, in denen sie sich verpflichten auf dem Grundstück zu bauen und es nicht oder nur mit uns im Einvernehmen zu verkaufen. Zusätzlich müssen Städte den Baugenehmigungsprozess beschleunigen. Doch der Einflussnahme sind Grenzen gesetzt. Bauen betrifft aber auch Nachbarschaften. Gute Nachbarschaften setzen voraus, dass wir betroffene Bürger an der Planung beteiligen. Das kostet Zeit, macht den folgenden Planungsprozess aber berechenbar.
TPP: Wird der Zuzug von Flüchtlingen zur zusätzlichen Belastung für die Städte?
CZ: Ja und nein. Auf der einen Seite brauchen wir Zuzug in den Städten, weil wir Fachkräftemangel haben. Es ist also gut, wenn Menschen zu uns kommen, aber selbstverständlich brauchen sie auch menschenwürdige Wohnungen. Das schafft zusätzliche Herausforderungen.
TPP: Die größte Herausforderung dürfte sein, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Wie soll das geschehen?
CZ: Unser im vergangenen Jahr überarbeitetes Handlungskonzept Wohnen schreibt vor, dass Wohnungsbauträger nun 50 statt 40 Prozent ihrer Wohnungen in den Segmenten geförderter und preisgedämpfter Wohnungen errichten müssen. Wenn wir städtische Flächen auf den Markt geben, dann muss dieses Kriterium zu 100 Prozent erfüllt sein. Allerdings haben Bauwillige kreative Möglichkeiten, die Forderungen zu erfüllen, etwa indem sie Baugruppen bilden, Wohnungen für Auszubildende und Studierende bauen oder Pflegeeinrichtungen erstellen. Das Gemeinwohl steht also immer im Vordergrund.
TPP: Bitte erläutern Sie noch einmal genauer, was eine Initiierungserklärung ist.
CZ: Mit Beginn des Planrechtsverfahren, also noch vor der Erstellung des Bebauungsplans, fordern wir diese Initiierungserklärung, um gemeinsam in Baurechtsverfahren, das ja mit viel Aufwand verbunden ist, einzusteigen. Wir schaffen Planungsrecht nur für Realisierungen, nicht für ein Weiterveräußern mit hochwertigerem Baurecht als vorher. Ist diese Erklärung unterschrieben, folgt mit dem B-Plan ein städtebaulicher Vertrag, in dem dann der Projektentwickler verpflichtet wird, innerhalb einer bestimmten Frist die Wohnungen zu bauen. Weiterhin verpflichtete er sich, die Quoten für geförderten und/oder preisgedämpften Wohnraum einzuhalten, abgesprochene Bauqualitäten zu schaffen und Gemeinwohlaspekte einzupreisen. Tut er es nicht, drohen Vertragsstrafen oder bei vorhabenbezogenen Bebauungsplänen sogar der Verlust des Baurechts.
TPP: Spielen wir das Verfahren mal am Glasmacherviertel durch. 2014 hieß es, auf dem rund 32 Hektar großen ehemaligen Gelände der Glashütte Gerresheimer Glas würden in den nächsten Jahren 1.000 Wohnungen entstehen. Heute ist noch keine Wohnung gebaut. So wie es dort abgelaufen ist, kann es noch keine Initiierungserklärung gegeben haben.
CZ: Das Handlungskonzept Wohnen gibt es seit 2013. Das Glashütten-Areal wurde 2009 erstmals verkauft. Ein städtebaulicher Wettbewerb wurde eingeleitet. Als das Areal 2017 zum dritten Mal weitergegeben wurde und es die Tochter eines börsennotierten Unternehmens bekam, war nach mehreren überarbeitenden Phasen wegen ständiger Überarbeitungen noch immer nicht das Bebauungsplanverfahren eingeleitet. Man muss wissen, dass es sich bei den Veräußerungen manchmal auch um sogenannte Share Deals handelt. Verkauft wird im Falle eines Share Deals nicht das Grundstück, sondern Anteile an der Gesellschaft, die Eigentümerin des Grundstücks ist. Wir, die Stadt Düsseldorf, haben unsere Bestrebungen weiter am Baurecht zu arbeiten, eingestellt, weil wir erst dann konsequent mit Unternehmen weiter zusammenarbeiten, die bauen und somit den Wohnungsnotstand bekämpfen.
TPP: Fälle wie diesen dürfte es in vielen deutschen Städten geben. Lässt sich diese Form der Grundstücksspekulation mit den von Ihnen beschriebenen Mitteln künftig verhindern?
CZ: Nein, denn von Share Deals erfahren wir nur nach Blick ins Handelsregister. Weil keine Grundstücksübertragung stattfindet, können wir nach der bisherigen Rechtsauffassung kein Vorkaufsrecht ausüben. Der Deutsche Städtetag mahnt hier eine Gesetzesänderung an, die es Städten ermöglicht, auch bei Share Deals ihr Vorkaufsrecht auszuüben.
TPP. Für das Glasmacherviertel und vergleichbare Fälle käme eine Gesetzesänderung zu spät. Müssen Düsseldorf und andere Städte solchen Formen der Spekulation hilflos zuschauen?
CZ: Nein, nicht unbedingt. Im Flächennutzungsplan der Stadt Düsseldorf ist das Glasmacherviertel noch als Industriefläche ausgewiesen. Wenn das Areal aktuell oder bei Weiterverkäufen zu bewerten wäre, würden Verkehrswerte für Industrie- und Gewerbeflächen ermittelt, die wesentlich geringer wären als solche für ausgewiesene Wohnbauflächen. Genau das dämpft Spekulation.
TPP: Das bringt die Stadt aber im Bemühen, die Wohnungsnot zu lindern nicht weiter.
CZ: Ja, leider. Sie wollen aber im Grunde genommen wissen, wie wir Bewegung in das Verfahren bringen können, wie wir erzwingen können, dass dort Wohnraum entsteht.
TPP: Genau!
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Cornelia Zuschke
Erstveröffentlichung: The Property Post, Juni 2023