Corona könnte Immobilien- und Finanzwirtschaft heftiger bedrohen als die Lehmann-Pleite vor zwölf Jahren.
Die Einschränkungen wegen der Corona-Krise werden gelockert. Auch Torsten Hollstein ist im Umgang mit der Krise lockerer geworden. Anders als viele Gesprächspartner zuvor erreicht „The Property Post“ (TPP) den Geschäftsführer von CR Investment Management nicht im heimischen Arbeitszimmer, sondern am Arbeitsplatz Büroturm „Zoofenster“ in Berlin.
TPP: Herr Hollstein, der Internetauftritt von CR Investment Management gibt wenig Auskunft über das, was Sie tun. Was bieten Sie Ihren Kunden?
Torsten Hollstein: Wenn die Beziehungen zwischen Immobilieneigentümern und Immobilienfinanzierern gestört sind, beraten wir Betroffene. Weniger abstrakt, aber typisch: Wir werden angesprochen, wenn der Eigentümer Zins und Tilgung für einen Kredit nicht mehr leistet. Bei der Lösung des Problems sind alle Akteure betroffene und alle haben im schlechtesten Fall Geld verloren . Deshalb können wir nicht wie andere Berater mit Referenzen auf unseren Internetseiten werben. Wir müssen auch kein großes Publikum informieren, denn schließlich beschäftigen sich in Europa nur etwa 350 Adressen mit diesem Geschäft.
TPP: Eine Komponente ihres Geschäfts ist die Transaktionsberatung. Der Immobiliendienstleister Savills meldete gerade für den April den geringsten Umsatz seit 2012. Schicken Sie ihre Transaktionsberater in Kurzarbeit?
TH: Nein, soweit kommt es bei uns nicht. Unsere Mitarbeiter sind Allrounder, die können Immobilienvermögen genauso gut verwalten wie sie Besitzwechsel anbahnen können. Richtig ist, dass es weniger Transaktionen gibt. Der Markt ist mehrgeteilt. Versicherer und Pensionsfonds mit ihren permanenten Mittelzuflüssen und Auszahlungsverpflichtungen sind als Daueranleger weiterhin aktiv. Dann gibt es die Gruppe der vermögenden Privatanleger, die nicht zusehen wollen, wie ihr Geld zinslos oder von Strafzinsen bedroht bei der Bank liegt. Auch sie investieren weiter. Wer allerdings wie wir keinen Anlagedruck verspürt, kann warten, wie sich der Markt entwickelt.
TPP: Und wie entwickelt sich der Markt?
TH: Die Preise sinken, außer für im heutigen Umfeld sichere Investitionen. Für diese werden die Preise steigen.
TPP: Kein Wunder, wenn der Verkäufer Mieten stunden muss oder auch Zahlungen komplett ausfallen.
TH: Es ist nicht nur das. Das Risiko eines Mietausfalls wird heute höher bewertet als vor der Corona-Krise. Ein Beispiel: Die Investoren lernen gerade, dass x-fach abgeschlossene langlaufende Mietverträge großer Textilketten keine sichere Einnahmequelle sind, weil die Ladenlokale der Filialisten zwangsgeschlossen wurden. Den Mietern fehlen Umsätze, aus denen sie die Mieten bestreiten. Folglich bewerten Investoren die Jahresmieten mit niedrigeren Faktoren. Wir bekommen zurzeit Gebäude zu Preisen angeboten, die zwei Jahresmieten geringer sind als vor der Corona-Krise. Um solche Angebote kümmern wir uns im Moment dennoch nicht, weil wir erwarten, dass die Kaufpreisfaktoren weiter zurückgehen.
TPP: Der Ifo-Geschäftsklimaindex ist auf dem niedrigsten Stand seit er erhoben wird. Der bekannte Insolvenzverwalter Biner Bähr prognostiziert in diesem Jahr 30.000 Insolvenzen und am Jahresende vier bis fünf Millionen Arbeitslose. Ruiniert dies nicht auch den Bürosektor?
TH: Auch für Büros werden die Kaufpreisfaktoren von wenigen Ausnahmen abgesehen zurückgehen. Zu diesen Ausnahmen zählen Objekte, die etwa an staatlichen Stellen oder Körperschaften des öffentlichen Rechts vermietet sind. Denn das Risiko, dass diese Mieter nicht zahlen, ist sehr gering.
TPP: Was bedeutet diese Situation für Immobilienfinanzierer?
TH: Nichts Gutes für alle an der Finanzierung beteiligten, nicht nur für die Banken. Es besteht das Risiko, dass Kreditbedingungen, die sogenannte Covenants, gerissen werden. Typische Bedingungen sind maximaler Beleihungswert und Schuldendienstdeckungsgrad, international als Debt-Service Coverage Ratio bekannt. Sinkt der Immobilienwert kann der Beleihungswert unterschritten werden. Kommt es zu Mietausfällen, besteht die Gefahr, dass das vereinbarte Verhältnis von Mieteinahmen zu Schuldendienst unterschritten wird oder Zins und Tilgung nicht mehr vollständig bedient werden. Der Kredit wird notleidend, was den Finanzierer zur Kündigung berechtigt.
TPP: Droht nun eine Banken- und Finanzkrise wie nach der Lehman-Pleite vor zwölf Jahren?
TH: Die Situation ist potenziell schlimmer als damals. Anders als in der Finanzkrise vor zwölf Jahren fallen nun Mietzahlungen wegen Zwangsschließungen der Ladenlokale aus.
TPP: Lässt sich eine Katastrophe noch verhindern?
TH: Ob es zu einer Katastrophe auf dem Immobilienmarkt kommt, wird davon abhängen, wie schnell die Wirtschaft wieder in Schwung kommt, ob es bei Mietstundungen bleibt oder zu Mietausfällen in großem Ausmaß kommt.
TPP: Die Banken haben nach der Finanzkrise versprochen weniger riskant zu finanzieren. Haben sie zu viel versprochen?
TH: Nein, die Banken waren disziplinierter als vor der Finanzkrise. In Zahlen ausgedrückt: Vor der Lehman-Pleite beliehen sie Immobilien zu 80 bis 85 Prozent, danach zu 70 bis 75 Prozent und aktuell wollen sie nur 50 bis 60 Prozent der Werte finanzieren. Doch andere Finanzierer, etwa Kredit- und Mezzanine-Fonds, haben die Lücke geschlossen und werden nun als erste Geld verlieren.
TPP: Die letzte Finanzkrise ist bei CR Investment Management seit drei Jahren abgearbeitet und hat Ihnen 30 Milliarden Euro Transaktionsvolumen gebracht. Was kann Ihnen Besseres passieren als eine neue Finanzkrise?
TH: Leistungsgestörte Immobilienmärkte sind zwar gut für unser Geschäft. Aber einen Zusammenbruch, der schlimmer als die Finanzkrise vor gut zehn Jahren ist, wünscht sich niemand. Schließlich brauchen auch wir Investoren, die zahlen können.
TPP: Herr Holstein, wir danken Ihnen für das Interview.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von CR Investment Management
Erstveröffentlichung: The Property Post, Mai 2020