09.03.2022

Neue Fördermodelle rechnen sich

Arnaud Ahlborn weiß, warum Geld für Sozialwohnungen gut angelegt ist

Reiner Reichel, Redakteur, The Property Post

Als The-Property-Post Redakteur am Nachmittag des 24. Februars 2022 wie geplant mit Arnaud Ahlborn, Geschäftsführer des Immobilienfondsverwalters Industria Wohnen telefonierte, war das kein Tag wie jeder andere – schon gar nicht für den Geschäftsführer der Industria Wohnen. Wenige Stunden zuvor hatte Russland die Ukraine angegriffen. „Ein schlimmer Tag“, sagte der mit einer Russin verheiratete Manager. Er ist überzeugt, dass die Landsleute seiner Frau ebenso denken, bevor er erläuterte, wie und warum Sozialwohnungen zum Investmentprodukt wurden.

The Property Post: Herr Ahlborn, vor zehn Jahren hat sich kein privater Investor für den sozialen Wohnungsbau interessiert. Warum ist das jetzt anders?
Arnaud Ahlborn:
Tatsächlich wäre vor zehn Jahren niemand auf die Idee gekommen, einem Institutionellen Investor Sozialwohnungen auch nur vorzustellen. Dass das heute anders ist, hat aus meiner und meiner Kolleginnen und Kollegen Sicht zwei Gründe. Der erste: Das Image hat sich gewandelt. Früher war Sozialer Wohnungsbau ein Synonym für „sozialer Brennpunkt“. Das ist heute völlig anders, auch wenn es nach wie vor Quartiere mit Sozialwohnungen aus den 70er- und 80er -Jahren gibt, die dem alten Klischee entsprechen. Die Branche spricht heute auch nicht mehr von Sozialwohnungen, sondern von gefördertem Wohnen. Und der zweite Grund ist, dass sich Sozialwohnungen heute in Form, Grundriss und Ausstattung kaum noch von frei finanzierten Wohnungen unterscheiden. Man sieht es heute Wohnungen nicht mehr an, dass sie gefördert sind.

TPP: Wie wird heute gefördert?
AA:
Die Fördermodelle der 1970er- und 80er -Jahre waren überwiegend reine Darlehensmodelle. Seit vier, fünf Jahren sehen wir Förderprogramme, in denen die Darlehenskomponente reduziert, manchmal sogar gestrichen ist zugunsten von Zuschüssen. Die Zuschüsse helfen den Investoren die vorgeschriebenen geringeren Mieten in der Kalkulation zu kompensieren. Die Zuschussmodelle haben dafür gesorgt, dass Sozialwohnungen für Institutionelle Anleger interessant wurden.

TPP: Ist das der einzige Unterschied?
AA:
Nein. Nach den alten Modellen waren die Mieten bis zum Auslaufen der Darlehen eingefroren und konnten danach an die Marktmiete angepasst werden. Die neuen Modelle sehen vor, dass die Mieten während der Laufzeit der Förderung langsam an die Marktmiete angepasst werden, aber zum Schluss doch noch etwas Abstand halten. Die Anpassung erfolgt über Staffelmieten oder die Koppelung an den Verbraucherpreisindex. Damit wird erreicht, dass die Eigentümer zwischenzeitlich anfallende Instandhaltungskosten tragen können. Bei eigefrorenen Mieten ist das nicht möglich. Das führte mit dazu, dass Quartiere abrutschten.
 
TPP: Liegt das steigende Interesse der Institutionellen auch daran, dass die Renditen freifinanzierter Wohnungen sich denen geförderter Wohnungen genähert haben?
AA:
Ja, das sehen wir bei Industria Wohnen auch. So wie sich die Ausstattungen angenähert haben, sind auch die Abstände zwischen Baukosten und Renditen kleiner geworden. In Zahlen ausgedrückt sieht das so aus: Wenn in einem Quartier freifinanzierte Wohnungen für 5.000 Euro pro Quadratmeter erstellt werden, dann kosten geförderte 4.700 bis 4.800 Euro. Das ist auch der Grund dafür, dass die Renditen eng beieinander liegen. Wir sprechen von 25 bis 50 Basispunkten.

TPP: Wieviel Rendite verlangt der Investor?
AA:
Er muss etwa dreieinhalb Prozent Ausschüttungsrendite auf das Eigenkapital erreichen, und zwar nach allen Kosten, aber unter Berücksichtigung des Fremdkapitalhebels. Allerdings ist die Fremdkapitalquote bei den von uns angebotenen Spezialfonds ohnehin limitiert.

TPP: Hilft nicht auch die immerwährende Suche nach Nischen, Sozialwohnungen als Investitionsobjekte attraktiv zu machen?
AA:
Entscheidend ist, dass sich die Investition jetzt rechnet. Dazu haben die neuen Fördermodelle und die Annäherungen der Renditen entscheidend beigetragen. Früher waren geförderte Wohnungen häufig die manchmal sogar aufgezwungene Beimischung einer Investition in Wohnraum, so dass mit den Gewinnen aus der Vermietung der freifinanzierten Wohnungen die Mieten der Sozialwohnungen subventioniert wurden. Es gibt heute Investoren, die ausschließlich gefördert Wohnungen bauen. In diesem Fall gibt es keine Möglichkeit der Quersubventionierung. Das Modell muss sich rechnen.

 

TPP: Bleiben wir bei der Förderung: Es gibt x Fördervarianten. Sortieren Sie doch bitte, aus welchen Töpfen sich ein Investor aktuell bedienen kann?
AA:
Wer geförderte Wohnungen bauen will, muss sich in einen Förderdschungel begeben. Jedes Land, jede Stadt hat ihr eigenes Fördermodell. Hinzu kommen bundesweite Fördermaßnahmen wie die KfW-Programme, die unter anderem energieeffizientes Bauen unterstützen. Wir schauen notgedrungen projektweise, welche Fördertöpfe es gibt. In Hannover waren wir vor zweieinhalb Jahren mit der Situation konfrontiert, dass es drei verschiedene Förderstellen gab, deren Programme nicht aufeinander abgestimmt waren: Stadt Hannover, Region Hannover und Land Niedersachsen. Wir mussten mit allen dreien verhandeln. Das ist sehr aufwändig und widerspricht auch der Idee, in kurzer Zeit preisgünstige Wohnungen zu bauen.

TPP: Und dann kommen die Förderungen, die die Energieeffizienz beeinflussen noch dazu. Ist das nicht sehr komplex, oder?
AA:
Ja! Um den Abstimmungsbedarf einmal plastisch zu beschreiben, folgendes Beispiel aus der Praxis. Zu den zwei oder drei kommunalen, regionalen und landesweiten Förderstellen kommt noch die KfW-Förderung für energieeffizientes Bauen hinzu. Weil die Fördermittel nicht nur aus Zuschüssen bestehen, haben wir es mit mehreren Darlehensgebern zu tun, die jeder als erstes im Grundbuch stehen möchte. Das führt zu zusätzlichen langwierigen Verhandlungen. Das ist nicht effektiv.

TPP: Wie wird sich nach den Plänen von Bauministerin und Wirtschaftsminister die Förderung verändern?
AA:
Die Signale, die in den vergangenen Wochen ausgesandt wurden, bedeuten das Gegenteil von dem, was ich mir unter einer Politik für energieeffizientes Bauen vorstelle. Projektentwickler sehen, dass sie nicht mehr die Planungssicherheit haben, die sie von einer Bundesregierung verlangen dürfen. Ein Entwickler, der sich heute ein Areal kauft, muss wissen, was in einem, in zwei Jahren gilt. Dass es Veränderungen geben kann, ist klar. Die müssen aber schrittweise erfolgen und angekündigt werden. Nachdem die KfW-55-Förderung eine Woche vor Auslaufen gestrichen wurde, wurde noch am gleichen Tag auch das länger laufende KfW-40-Programm ohne Ankündigung gekappt. Und als drittes Programm wurde das KfW-Sanieren-Programm eingestellt worden.

TPP: Wurde nicht nach Protesten nachgebessert?
AA:
Ja, aber nur das KfW-Sanieren-Programm wurde mit gleichen Konditionen wieder aufgelegt. Das KfW-40-Programm soll mit einer Milliarde Euro unterlegt weitergeführt werden. Zum Vergleich: Im KfW-Programm 55 wurden zwischen Ende November und vorgezogenen Laufzeitende im Januar rund 20 Milliarden Euro Beihilfe beantragt. Die eine Milliarde Euro ist ein Tropfen auf einen heißen Stein. Den Projektenwicklern und uns fehlt die KfW-40-Förderung und wir warten auf eine Lösung durch die Politik.

TPP: In welche Richtung wird die künftige Förderpolitik laufen?
AA:
Ich gehe davon aus, dass sie stärker auf Sanierung als auf Neubau ausgerichtet werden wird. Das halte ich grundsätzlich auch für richtig. Aber: 400.000 Wohnungen jährlich bauen zu wollen ist mit den bestehenden Modellen schon sportlich, aber und nach einem Wegfall der alten KfW-Förderung gehen die Kalkulationen der Entwickler nicht mehr auf, so dass es erst einmal zu einer Stagnation im Neubau kommen wird.

TPP: Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine werden die Energiepriese steigen. Das wird Herstellung und Transport von Baumaterial zusätzlich verteuern. Die Personalkosten steigen weiter. Die Förderung fällt aus. Sind 400.000 Neubauwohnungen ein realistisches Ziel?
AA:
Die neue Situation macht es nicht leichter, dieses Ziel zu erreichen.

TPP: Und wie lautet die weniger diplomatische Antwort?
AA:
Zunächst noch einmal einen Schritt zurück: Subventionen sind nicht dazu da, Preissteigerungen auszugleichen. Entwickler, die sich vor drei Jahren eingedeckt haben, konnten noch nicht mit der jetzt ausgelaufenen KfW-Förderungen rechnen und hätten diese mitgenommen. Deshalb sehen wir jetzt trotz Förderauslauf noch Transaktionen. Fördermittel sind nicht zwingend, um Projekte zu verkaufen. Wer sich vor drei Monaten eingedeckt hat, wird Schwierigkeiten haben sein Projekt zu realisieren, weil er mit den Fördermitteln kalkuliert hat. Die Frage in dieser Situation ist: Wer verzichtet auf Marge – der Grundstückseigentümer, der Projektentwickler, der Endinvestor?

TPP: Schauen wir noch einmal auf die Grundstückssituation. Es gibt zig Fälle, in denen Grundstücke binnen weniger Jahre mehrfach mit Aufpreis den Eigentümer gewechselt haben und jedes Mal bestehende Baugenehmigungen verworfen wurden, um noch mehr vermiet- oder veräußerbare Fläche genehmigt zu bekommen, damit sich das Bauen noch lohnt. Ist diese Spekulation mit Grundstücken mitverantwortlich für die Wohnungsknappheit?
AA:
Wir haben bei Industria Wohnen solches Verhalten auch beobachtet. Die Folge ist, dass nun Entwickler auf Grundstücken sitzen, die so teuer sind, dass sie zu den aktuellen Baukosten nicht mehr bauen können. Weil Grundstücke nicht abgeschrieben werden können, können sie auch nicht unter Einstandspreis verkauft werden. Diese Grundstücke sind für den Wohnungsmarkt verloren.

TPP: Ein Viertel des anvisierten Neubauvolumens der Bundesregierung soll geförderter Wohnraum sein. Wie realistisch ist das?
AA:
In den vergangenen zehn Jahren sind eine Million Wohnungen aus der Förderung herausgefallen, aber nur 200.000 neu vermietet worden. Das sind aufs Jahr gerechnet 20.000 zusätzliche Sozialwohnungen. Und jetzt sollen in Deutschland jährlich fünfmal so viele entstehen. Ich weiß nicht, wo die herkommen sollen.

TPP: Ob es 100.000 oder weniger geförderte Wohnungen werden – auf jeden Fall werden Investoren gesucht. Wo finden Sie die?
AA:
Meine Lieblingsinvestoren sind Versorgungswerke und Pensionskassen, weil die einen extrem langen Anlagehorizont haben. Diese Anleger haben überhaupt kein Problem, wenn Objekte 15 oder 20 Jahre gefördert werden. Wir haben Anleger, die sagen: Wir hätten gerne 30 bis 40 Prozent gefördertes Wohnen im Portfolio. Das gab es vor fünf Jahren auch noch nicht. Wir beobachten auch, dass solche Kapitalsammelstellen erkannt haben, dass fehlender preisgünstiger Wohnraum ein gesellschaftliches Problem ist, dass der Staat nicht allein lösen kann.

TPP: Steckt dahinter nicht auch die Jagd nach ESG-Punkten?
AA:
Diese Motivation gibt es tatsächlich. Aber solche Punkte zu sammeln ist gar nicht so einfach. Wenn der Investor Geld für geförderten Wohnungsbau gibt, der ohnehin aufgrund behördlicher Auflagen umgesetzt werden muss, dann hat er davon keinen Vorteil. ESG-Punkte gibt es nur, wenn er über das geförderte Maß hinausgeht. Aber die Nachfrage nach solchen Investmentprodukten ist hoch.

TPP: Sind geförderte Wohnung auch eine Anlage für Kleinanleger?
AA:
Warum nicht. In unserem Offenen Immobilienfonds für Privatanleger haben wir gefördertes Wohnen beigemischt. Ich könnte mir auch vorstellen, dass später einmal ein Themenfonds für Privatanleger aufgelegt wird, der als Investitionsziel ´überwiegend gefördertes Wohnen´ nennt.  

TPP: Herr Ahlborn, vielen Dank für das Interview.

 

 

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von INDUSTRIA WOHNEN GmbH
Erstveröffentlichung: The Property Post, März 2022

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Reiner Reichel, Jahrgang 1956, war viele Jahre Immobilienredaktuer des Handelsblatts. Journalismus betreibt er, wie er Fußball spielt: hart aber fair.

Unbenannt.JPG  Arnaud Ahlborn (44) ist seit Juli
  2019 Geschäftsführer der
  Industria Wohnen. Zuvor
  managte er fast 14 Jahre
  Spezialfonds der Gesellschaft.
  Nach seinem Studium an der TU
  Darmstadt arbeitete er zunächst
  mehrere Jahre als Architekt. Heute entwirft Ahlborn Investitionsstrategien statt Gebäude, doch die Liebe zur Architektur ist geblieben. Die schlägt sich inzwischen in einem großen Archiv eigener Architektur-Fotografien nieder. Als Architekt schätzt er besonders den in der Schweiz lebenden Spanier Santiago Calatrava, der für seine Brückenkonstruktionen berühmt ist. Um vom Tagesgeschäft abzuschalten und körperlich fit zu bleiben, joggt Ahlborn. Die Zufälle des Lebens haben es mit sich gebracht, dass er vier Sprachen fließend spricht, Deutsch und Französisch, die Muttersprachen seiner Eltern, Russisch, die Muttersprache seiner Frau, und das für seine Position unerlässliche Englisch.

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