Pandemie überlebt, Mitarbeiter verloren. Martin Schaffer zur Zukunft der Hotelbranche.
Als The Property Post (TPP) mit Martin Schaffer telefonierte, kam der Partner beim Beratungsunternehmen mrp hotels gerade von einem Hotelimmobilienkongress in Berlin zurück. Seine Freude über das „Klassentreffen“ war nicht zu überhören.
TPP: Herr Schaffer, bei einem „Klassentreffen“ hört man nicht nur Erfolgsgeschichten. Welche Eindrücke haben Sie aus Berlin mitgebracht?
Martin Schaffer: Die positiven Eindrücke haben überwogen. Ich habe sehr viele hochmotivierte Branchenteilnehmer getroffen. Selbstverständlich wurde nach zwei Jahren Corona-Pandemie auch Vergangenheitsbewältigung betrieben. Der Tenor, kurz zusammengefasst: Denen, denen es vorher gut gegangen ist, geht es auch jetzt schon wieder gut bzw. weniger schlecht als den anderen; sie werden die Pandemie überleben. Andere, die zuvor zu kämpfen hatten, haben auch weiterhin Probleme.
TPP: Das klingt für mich so, als ob die Stimmung besser sei als die Lage. Schließlich haben überall im Land Hotels, Pensionen und Restaurants in der Pandemie geschlossen und nicht wieder eröffnet. Wissen Sie wie viele Beherbergungsbetriebe inzwischen aufgegeben haben?
MS: Nein, es gibt dazu meines Wissens keine verlässlichen Zahlen. Es dürften vor allem kleine Häuser aufgegeben haben und solche, denen das Kapital fehlte, um ihre veralteten Häuser zu modernisieren. Von den dauerhaften Schließungen ist primär das Segment der inhabergeführten Ein-, Zwei- und Drei-Sterne-Hotels betroffen.
TPP: Die Betriebe, die inzwischen wieder laufen, haben nun zwar weniger Konkurrenz, können aber dennoch nicht wirklich durchstarten. Woran liegt das?
MS: Neben der fehlenden Nachfrage vor allem am Personalmangel. Während der Lockdowns haben Schätzungen zufolge 325.000 Menschen der Branche den Rücken gekehrt. Doch das Pendel könnte auch wieder in die andere Richtung ausschlagen. Die Leute sind ja nicht weg, sie arbeiten nur woanders.
TPP: Doch warum sollten diese Menschen wieder zu Schicht-, Wochenend- und Feiertagsarbeit zurückkehren, für die sie obendrein noch schlecht entlohnt werden?
MS: Damit sie zurückkommen, müssen Hotelbetreiber neue Arbeitszeitmodelle wie etwa die Vier-Tage-Woche einführen, mehr zahlen und weitere Vergünstigungen bieten. Solche Vergünstigungen könnten beispielsweise preiswerte Unterkünfte für Mitarbeiter sein.
TPP: Wenn in einer Branche das Personal knapp und damit teurer wird, löst das Rationalisierungsmaßnahmen aus. Heutzutage heißt das: Es wird digitalisiert. Was macht die Hotellerie?
MS: In der Digitalisierung von Prozessen hat die Branche eindeutig noch Potenzial. Das gilt beispielsweise für die Reservierung von Zimmern und Tischen im Restaurant. Das Ausfüllen von Meldezetteln ließe sich automatisieren. Das Auschecken ließe sich abkürzen, etwa in dem durch die Schlüsselrückgabe automatisch der Ausdruck der Rechnung ausgelöst wird. Es könnten dann weniger Mitarbeiter am Empfang sitzen.
TPP: Hotels, in denen der Gast mit Kreditkarte ein- und auscheckt, gibt es bereits. Die Konsequenz liegt auf der Hand: Wer persönlich betreut werden möchte muss mehr bezahlen.
MS: Ja, davon ist auszugehen. Die Gäste müssen generell damit rechnen, dass die künftig höheren Personalkosten an sie weitergegeben werden.
TPP: Personal ist der eine große Kostenblock, Pachten sind der andere. Inwieweit haben reduzierte Pachten den Fortbestand von Hotels ermöglicht?
MS: Die Frage lässt sich nicht allgemein beantworten. Richtig ist allerdings, dass viele Eigentümer ihren Pächtern entgegengekommen sind – dies überwiegend mit Stundungen –, wohl wissend, dass ein insolventer Pächter ihnen noch größere finanzielle Nachteile bringt, weil sie nicht so schnell einen neuen Pächter finden.
TPP: Sie stellten kürzlich fest, „die fixe Pacht ist noch nicht tot“. Doch wären nicht Verträge, die vom Umsatz abhängige variable Pachtzahlungen festschreiben, das Gebot der Stunde?
MS: Die Pandemie hat nichts daran geändert, dass Hoteleigentümer, vor allem in Deutschland, Österreich und der Schweiz, feste Pachten bevorzugen. Die Betreiber tendieren dagegen klar zu hybriden Modellen, bei denen sich die Pacht aus fixen und variablen Anteilen zusammensetzt. Ich erwarte, dass die Einnahmen der Hotels in Zukunft stärker schwanken werden als heute, was für hybride Verträge spricht – was aber für viele deutsche Vermieter aufgrund regulatorischer Vorgaben und der Erwartungshaltung der Banken nicht umsetzbar ist.
TPP: Von der Entwicklung der Pachten wird auch das Interesse der Investoren abhängen. Wie groß ist es im Moment?
MS: Eine Umfrage von Cushman & Wakefield unter Immobilieninvestoren hat ergeben, dass ein Drittel in Zukunft mehr Hotels kaufen möchte.
TPP: Signalisiert das großes oder weniger großes Interesse?
MS: Ich glaube, dass der Hotelmarkt ein attraktiver, weil wieder wachsender Markt ist. Allerdings ist der Wert von einem Drittel ausbaufähig.
TPP: JLL hat die Transaktionszahlen auf dem deutschen Hotelinvestmentmarkt analysiert. Das Ergebnis: Nach den ersten drei Quartalen 2021 liegt das Volumen 15 Prozent unter dem des schwachen Vorjahres und weit niedriger als das Durchschnittsvolumen der vergangenen fünf Jahre. Offensichtlich fehlen große Institutionelle als Käufer. Kommen die nun zurück?
MS: Nein, die stehen noch auf der Bremse. Das liegt manchmal auch daran, dass sie keine Bank finden, die ihre geplante Transaktion finanziert. Ich wiederhole gerne, dass ich davon überzeugt bin, dass die Hotellerie eine globale Wachstumsbranche ist. Wenn das Hotelgeschäft wieder so funktioniert wie vor der Pandemie, dann werden diese Investoren an den Investmentmarkt zurückkehren.
TPP: Die Frage ist, welche Segmente des Marktes wieder funktionieren werden. Mein Eindruck ist, dass es vor allem den Business-Hotels in den Großstädten schlecht geht?
MS: Auch deren Situation sollte man nicht verallgemeinern. So werden etwa Kongresshotels in Berlin, Frankfurt, Hamburg und München längere Zeit zurück zur Normalität benötigen als weniger von Tagungen abhängige Hotels in sogenannten B-Städten. Wir glauben, dass die Übernachtungen von Geschäftsreisenden wieder zunehmen werden, fragen uns bei mrp aber, ob dieses Marktsegment jemals wieder auf das Niveau kommt, auf dem es einmal war.
TPP: In der Beherbergungsbranche gibt es wie in der Politik über die Corona-Pandemie hinaus zwei große Themen – Digitalisierung und Klimawandel. Über die Digitalisierung haben wir gesprochen. Das Thema Klimawandel schlägt sich in den Anforderungen von Investoren an die Einhaltung von ESG-Kriterien nieder. Welche Rolle spielt ESG für die Eigentümer und Betreiber von Hotelimmobilien?
MS: In der Hotellerie ist ESG noch nicht ganz angekommen. Nachhaltiges Wirtschaften wird praktiziert, wenn dadurch Kosten reduziert werden können, etwa indem Handtücher nicht mehr täglich gewechselt werden, wenn der Kunde dies nicht ausdrücklich verlangt. Man beschäftigt sich damit, Energie selbst zu produzieren, etwa durch Solaranlagen auf dem Dach. Bislang haben nur wenige Investoren die Einhaltung von ESG-Standards eingefordert. Doch das kommt jetzt und die Hotelbranche wird sich anpassen müssen.
TPP: Herr Schaffer, vielen Dank für das Interview.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von mrp hotels
Erstveröffentlichung: The Property Post, November 2021