Probleme ja, Panik nein, sagt Sonja Knorr über Immobilienfonds
Die Renditen Offener Immobilienfonds sinken, sie müssen Gebäude abwerten und wegen Anteilsrückgaben Immobilien zur falschen Zeit verkaufen. „The Property Post“ wollte von Immobilienfondsanalystin Sonja Knorr wissen, ob Anlegern und Branche nun das Gleiche droht wie in der Finanzkrise 2007, die auch die Immobilienfonds erfasste.
The Property Post: Frau Knorr wie geht es den Offenen Immobilienfonds?
Sonja Knorr: Der Branche geht es nicht mehr so gut wie noch vor wenigen Jahren. Gestiegene Zinsen verteuern Finanzierungen und behindern Transaktionen. Die Zinsentwicklung ist auch dafür verantwortlich, dass andere Kapitalanlagen attraktiver geworden sind. Deshalb ziehen Anleger seit etwa Mitte des vergangenen Jahres Gelder aus den Fonds ab.
TPP: Ist nun wieder eine Liquiditätskrise der Fonds wie 2007 zu befürchten?
SK: Die Liquidität der Publikumsfonds ist grundsätzlich ausreichend. Die Fondsmanager geben sukzessive Gebäude in den Verkauf, um Liquidität für Anteilscheinrückgaben beziehungsweise Kündigungen vorhalten zu können. Eine gewisse Unsicherheit besteht bei Fonds, die noch viel Geld von Anleger verwalten, die vor dem 22. Juli 2013 beigetreten sind. Diese Anleger dürfen pro Kalenderhalbjahr ohne Ankündigung bis zu 30.000 Euro abziehen. Für Anleger, die später einstiegen, gilt eine Mindesthaltedauer von 24 Monaten und eine Kündigungsfrist von zwölf Monaten. Die Gesellschaften geben die Kündigungsdaten nicht preis. Wenn die Rückgaben noch weiter voranschreiten, ist nicht ausgeschlossen, dass der eine oder andere Fonds in Liquiditätsnöte gerät und die Rücknahme von Anteilen vorübergehend aussetzen muss.
TPP: Fonds, die jetzt Gebäude verkaufen, verkaufen zum falschen Zeitpunkt.
SK: Ja - wer nicht verkaufen muss, verkauft nicht. Und die, die verkaufen müssen, haben Probleme bei der Preisfindung, weil das geringe Transaktionsvolumen verhindert, dass sich klare Marktpreise bilden. Besonders schwierig zu verkaufen sind Projektentwicklungen.
TPP: Als die Renditen niedrig waren, stiegen die Fonds zu immer früheren Zeitpunkten in Projektentwicklungen ein. Kritiker mutmaßten, den Anlegern werde damit zu viel Risiko zugemutet. Bekommen die Kritiker nun Recht?
SK: Nein, so dramatisch ist es nicht. Die Abwicklung von Projekten zählt nicht zu den großen Herausforderungen der Branche, der überwiegende Teil der angekauften Projekte ist auch mittlerweile fertiggestellt. Über Projektankäufe verjüngten die Fonds den Bestand und konnten schneller ESG-Kriterien erfüllen. Bezahlt wird nach Projektstand. Die prognostizierten Mieten werden nach Fertigstellung überwiegend erreicht, weil die Gebäude den hohen Standard bieten, der zurzeit gefragt ist. Probleme gibt es, wenn der Entwickler ausfällt. Doch die großen Fondsgesellschaften verfügen über Kapazitäten zur Projektsteuerung und sind in der Lage, neue Generalunternehmer zu finden, die die Projekte fertigstellen. Das kostet allerdings Zeit.
TPP: Rücken nun wieder die Immobiliensachverständigen und ihre Bewertungen in den Fokus wie in der Finanz- und Fondskrise 2007?
SK: Ja, zwangsläufig. Die Gutachter stellen den nachhaltigen Verkehrswert einer Immobilie fest. Will der Fondsmanager das Objekt verkaufen und kann dies nicht zum festgestellten Wert, holt er mehrere Angebote für das Objekt ein. Auf deren Basis korrigiert der Gutachter den Wert der Immobilie. Das größte Rückschlagpotenzial besteht bei in der Hochpreisphase zwischen 2018 und 2022 angekauften Gebäuden.
TPP: Wenn die Gutachter sehen, dass die Werte für Verkaufsobjekte zu hoch sind, spricht dies dafür, dass auch die Werte des Restportfolios zu hoch sind. Müssen unter diesen Umständen die Sachverständigen das ganze Portfolio neubewerten?
SK: Gegen pauschale Portfolio-Abwertungen sprechen die gesetzlichen Bewertungsvorgaben. Sie stellen auf den nachhaltigen Wert ab. Mit anderen Worten: Notverkäufe sind keine nachhaltige Bewertungsgrundlage. Die große Frage in diesem Jahr wird aber sein, wo sich das neue Marktniveau einpendeln wird. Dass es zu weiteren Wertanpassungen bei einzelnen Objekten in den Portfolien kommen wird, halte ich für sehr wahrscheinlich. Vor allem Immobilien, die kurzfristig veräußert werden sollen, könnten spürbare Abwertungen erfahren.
TPP: Die Offenen Immobilienfonds sind noch immer zu mehr als 50 Prozent in Büroimmobilien investiert. Wie beurteilen Sie dieses Segment?
SK: Das Büroimmobiliensegment leidet aktuell. Während der Pandemie hat sich gezeigt, dass Arbeiten im Homeoffice funktioniert. Nun wollen Büroangestellte nicht mehr täglich an den Arbeitsplatz zurückkehren. Die Auslastung der Büros sinkt, so dass die Unternehmen Büroflächen reduzieren. Sie kündigen Mietverträge, insbesondere die für Backoffice-Arbeitsplätze, so dass das Leerstandsrisiko dort steigt. Das trifft besonders weniger moderne Gebäude in peripheren Lagen. Glücklicherweise sind Offene Immobilienfonds an diesen Standorten nicht so stark engagiert wie andere Investorengruppen. Modern ausgestattete Objekte in den Innenstädten mit guter Verkehrsanbindung und attraktivem Umfeld rücken mehr noch als bisher in den Fokus, erst recht, wenn sie ESG-Kriterien erfüllen. Die Mitarbeiter sollen sich wohlfühlen, wenn sie wieder ins Büro kommen, heißt die Philosophie vieler Unternehmen. Für solche Flächen zahlen sie bereitwillig höhere Mieten pro Quadratmeter.
TPP: Auch wenn das Bürosegment in den Offenen Immobilienfonds die Pandemie-Folgen gut verkraftet hat, so lassen sich trübe Konjunkturaussichten nicht wegdiskutieren. Die belasten dann nicht nur das Bürosegment, sondern das ganze Portfolio. Steuert die Immobilienfondsbranche erneut auf eine Krise zu?
SK: Die Situation ist anders als 2007. Zwar sind als Folge des Ukraine-Krieges die Zinsen so schnell wie nie zuvor gestiegen. Zusammen mit dem veränderten Nutzungsverhalten steht die Branche vor vielen Herausforderungen. Sie zu meistern, wird möglicherweise nicht jedem Fonds gelingen.
TPP: Zu Beginn unseres Gesprächs stellten Sie fest, dass die steigenden Zinsen andere Anlagen attraktiver gemacht haben – sicher auch, weil die Fondsrenditen zurückgegangen sind. Wie hoch sind die Renditen im vergangenen Jahr gewesen und welche Rendite erwarten sie im Gesamtjahr 2024?
SK: Die durchschnittliche Performance der Publikumsfonds betrug im vergangenen Jahr 1,2 Prozent. Die Abwertung eines Kanam-Fonds um elf Prozent im November hat die Gesamtperformance deutlich belastet. Eine exakte Prognose für 2024 abzugeben fällt mir schwer, weil die Rendite stark von der noch unklaren Zins- und Konjunkturentwicklung abhängt. Auch die in diesem Jahr erforderlichen Objektverkäufe einzelner Fonds und die damit zu erzielenden Erlöse stellen einen Unsicherheitsfaktor dar. Ich erwarte, dass noch Abwertungen nötig sind. Wenn es nicht erneut drastische Abwertungen gibt, sollte sich die Durchschnittsrendite Offener Immobilienpublikumsfonds Ende 2024 in einer Spanne zwischen einem und 1,5 Prozent bewegen.
TPP: Wie unterscheidet sich die Situation der institutionellen Fonds von der der Publikumsfonds?
SK: Der entscheidende Punkt ist, dass es bei institutionellen Fonds oft kaum Verkaufsdruck durch Anteilsrückgaben gibt. Die überschaubare Zahl der Anleger berät mit dem Management, welche Konsequenzen aus der Marktsituation gezogen werden soll. Für Einzelinvestoren ist es schwierig auszusteigen. Denn die Mitinvestoren lassen den Ausstieg zu aktuellen Anteilpreisen ungern zu, weil sie damit rechnen müssen, dass die dann notwendigen Immobilienverkäufe mit Abschlägen auf die aktuellen Immobilienwerte erfolgen. Dadurch sinken die Anteilswerte der verbliebenen Investoren. Zudem sind die institutionellen Fondsinvestoren in der Regel ausschüttungsorientiert, weil sie regelmäßig Zahlungen, etwa Renten, an ihre Kunden vornehmen müssen. Aktuell verbessert sich die Ausschüttungsrendite sogar, weil die üblicherweise indexierten Mietverträge den Fonds wegen der hohen Inflation steigende Mieteinnahmen bescheren.
TPP: In Zukunft sollen Immobilienfonds auch in Erneuerbare Energien investieren dürfen. Ist diese Erweiterung des Anlagespektrums sinnvoll?
SK: Ich halte die Ergänzung des Anlagespektrums um Erneuerbare Energien für sinnvoll, zumal es nur um eine Beimischung von maximal 15 Prozent geht. Die Fonds sollen Nachhaltigkeitskriterien erfüllen, werden aber aktuell auf die Errichtung von Solaranlagen auf dem Dach beschränkt. Der auf diese Weise auf Bürohochhäusern produzierbare Strom reicht nicht aus, um die eigenen Mieter zu versorgen. Aber die Bewirtschaftung von Solarfeldern sowohl auf als auch losgelöst von der Fondsimmobilie kann zurzeit als aktive betriebliche Tätigkeit gewertet werden und zum Verlust von Steuervorteilen führen. Immobilienspezialfonds können es sich noch weniger leisten, ihre Steuerbefreiung zu verlieren, weil viele ihrer Anleger steuerbefreit sind. Die Freigabe der Investitionen in Erneuerbare Energien auch losgelöst von Fondsimmobilien würde es erlauben, Mieter und andere mit grünem Strom zu versorgen.
TPP: Geht es nur darum, Solarstrom zu erzeugen?
SK: Nein, Investitionen in alle Formen Erneuerbarer Energien sind möglich, also auch etwa in Windparks und Biogasanlagen. Viele Anbieter Offener Immobilienfonds verfügen bereits über die nötige Erfahrung, weil sie Erneuerbare-Energien-Fonds managen. Darüber hinaus kann das Ziel der Dekarbonisierung des Portfolios mit Energie aus erneuerbaren Quellen somit deutlich besser umgesetzt werden.
TPP: Frau Knorr, vielen Dank für das Interview.
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Erstveröffentlichung: The Property Post, Februar 2024