14.06.2023

„Köln holt auf“

Colliers-Experte Ergüney weiß, was deutsche Büromärkte bewegt

Reiner Reichel, Redakteur, The Property Post

Betrachtet man die sieben großen deutschen Bürohochburgen, dann haben Düsseldorf und Köln eines gemeinsam: sie stehen – gemessen an der Mietfläche – zusammen mit Stuttgart am unteren Ende der Top Seven. Doch die beiden an der Rheinschiene dominierenden Büromärkte ticken vollkommen unterschiedlich. Cem Ergüney, Geschäftsführer und Bürovermietungschef NRW beim Berater Colliers, kennt die Stärken und Schwächen beider Märkte.

The Property Post: Herr Ergüney, blicken Sie doch bitte zunächst auf den gesamten deutschen Bürovermietungsmarkt. Wie sieht es darauf nach dem ersten Quartal ?
Cem Ergüney:
Im Jahresvergleich steigen die Mieten, obwohl der Leerstand – von wenigen Ausnahmen abgesehen – zunimmt. Nachdem der Bürovermietungsmarkt im Schlussquartal 2022 schon deutlich an Dynamik verloren hatte, blieb das Ergebnis rund 23 Prozent hinter dem letztjährigen Auftaktquartal zurück und rund ein Fünftel unter dem fünfjährigen Durchschnitt.

TPP: Und welche Trends stellen Sie fest?
CE:
Die Nachfrage konzentriert sich auf Innenstadtlagen und Quartiersentwicklungen. Folglich wird die Vermietung von Randlagen problematischer. Nach den Investoren verlangen nun auch die Mieter immer vehementer, dass Gebäude ESG-Kriterien einhalten. Die Botschaft lautet: ESG ist gekommen, um zu bleiben.

TPP: Schauen wir auf Düsseldorf und Köln. Der Büroflächenbestand ist mit rund acht Millionen Quadratmetern in beiden Städten gleich. Wo liegen die Unterschiede?
CE:
In Zahlen? Nun, in Köln leben knapp 1,1 Millionen Menschen, fast doppelt so viele wie in Düsseldorf. Köln war im ersten Quartal im Vorjahresvergleich neben Hamburg die einzige deutsche Top-Sieben-Stadt, in der der Büroleerstand gesunken ist. Mit 2,7 Prozent ist die entsprechende Quote in keiner deutschen Bürometropole geringer als in Köln. In Düsseldorf hingegen stieg der Leerstand auf 7,6 Prozent an. Allerdings muss man beim Leerstand in Düsseldorf berücksichtigen, dass infolge der Pandemie und des Ukrainekonflikts die Untermietfläche rapide zugenommen und den Leerstand um zusätzliche fast 70.000 Quadratmeter erhöht hat. Die Spitzen- und Durchschnittsmieten stiegen in beiden Städten auf Höchststände, was am oberen Ende für Düsseldorf eine Monatsmiete von 38 Euro pro Quadratmeter bedeutet, vier Euro mehr als in Köln. Traditionell sind die Mieten und der Leerstand in Düsseldorf höher als in Köln.

TPP: Welche Konsequenzen hat das für Mieter?
CE:
In Köln müssen Mieter mit deutlich mehr Vorlauf ihre Prozesse starten und schnell sein, wenn geeignete Projekte auf den Markt kommen, um sich frühzeitig Flächen sichern. In Düsseldorf haben Mieter deutlich mehr Auswahl, weil mehrere Objekte mit geringen Mietpreisdifferenzen gleichzeitig um neue Mieter werben.

TPP: Offensichtlich fehlt in Köln Bürofläche. Haben die Projektentwickler in der Domstadt geschlafen?
CE:
Entwickler brauchen Investoren, die ihre Gebäude kaufen. Diese Käufer haben in Köln lange Zeit gefehlt. Anders als Düsseldorf war Köln für internationale Immobilieninverstoren jahrzehntelang nicht sichtbar. Der Markt erschien ihnen intransparent. Wenn sie vor zehn Jahren Research-Berichte über den Kölner Immobilienmarkt haben wollten, haben sie bestenfalls eine Hand voll Analysen gefunden, heute sind es acht bis zehn. Alle großen Maklerhäuser haben inzwischen Büros in der Domstadt eröffnet. Auch die großen deutschen Projektentwickler sind nun dort vertreten und ihre internationalen Wettbewerber steigen ein. Köln war lange ein unterschätzter und intransparenter Immobilienmarkt, hat aber nun deutlich aufgeholt.

TPP: Wie wird es in diesem Jahr weitergehen?
CE:
In beiden Städten werden qualitativ hochwertige Büros weiter gefragt sein. In Köln lieferte jüngst die Boston Consulting Group mit Ihrer Anmietung im Laurenz Carré den Beleg dafür.

TPP: Wie werden sich Mieten und Flächenumsatz entwickeln?
CE:
In Düsseldorf rechne ich damit, dass die aktuellen Spitzenmieten im Jahresverlauf bestätigt werden. Für Köln bin ich etwas skeptischer, weil die sogenannten Trophy-Entwicklungen in der Breite fehlen. Den Büroflächenumsatz schätzen wir von Colliers im Gesamtjahr 2023 in Düsseldorf auf 270.000 Quadratmeter, in Köln auf 260.000 Quadratmeter. Wenn es so kommt, wird der langjährige Durchschnitt in Düsseldorf wesentlich weiter unterschritten als in Köln.

TPP: Das klingt nach Flaute.
CE:
Von einer Flaute zu sprechen, wäre übertrieben. Richtig ist, dass die Mieter zögerlicher handeln. Aber in beiden Städten sind große Mietgesuche mit langem Vorlauf im Markt. Aufgrund der rückläufigen Inflation, insbesondere der nachgebenden Energiepreise, einer weiteren Entspannung der Lieferketten und einer sich aufhellenden Konsumlaune, blicken viele Unternehmen wieder positiver auf ihre wirtschaftliche Situation. So ist der ifo-Geschäftsklimaindex zuletzt stetig gestiegen, hat sich jedoch im Mai erstmals seit einem halben Jahr wieder eingetrübt. Die Stimmung der deutschen Wirtschaft wirkt sich etwa neun bis zwölf Monate zeitversetzt auf den Bürovermietungsmarkt aus. Entsprechend erwarten wir eine Belebung der Nachfrage frühestens ab der zweiten Jahreshälfte.

TPP: Sie sagen, Mieter suchen ESG-konforme Gebäude, in Köln, Düsseldorf und anderswo. Deckt das Angebot den Bedarf?
CE:
Bei weitem nicht im gewünschtem Umfang. Wir erleben eine exponentielle Steigerung der Nachfrage nach diesen Produkten. Auch die Nachfragemuster verändern sich entsprechend, die Betrachtung der Nachhaltigkeitskriterien bei der Objektauswahl nimmt endlich die erforderliche Stellung ein. Leider haben die Büromärkte noch nicht das passende Angebotsvolumen. Dies führt unter anderem zu den beobachteten Mietpreissteigerungen.

TPP: Was muss geschehen?
CE:
Projektentwickler, die jetzt voll auf nachhaltige, digitalisierte Gebäude setzen, werden zu den Gewinnern zählen, wenn diese Objekte fertiggestellt sind. Außerdem müssen Refurbishments exponentiell zunehmen, um die Nachfrage nach qualitativ hochwertigem Büroraum zu befriedigen. Die Nutzer sind bereit, entsprechende Mieten zu zahlen. Allerdings können viele Entwickler gegenwärtig nicht spekulativ bauen, weil sie für solche Projekte keine Finanzierung bekommen.

TPP: Mir ist der Hype um ESG zu groß. Ich behaupte, dass sich kleine und mittlere Unternehmen nicht für ESG-Kriterien, sondern für günstige Mieten interessieren. Habe ich recht?
CE:
Ihre Einschätzung mag aktuell zu Teilen richtig sein. Aber: Große, bekannte Unternehmen, die Nachhaltigkeitsberichte vorlegen müssen und deshalb ESG-konform mieten, setzen den Trend, der sich allmählich durchsetzen wird und muss. Außerdem: Nachhaltige Gebäude brauchen weniger Energie. Das senkt die Nebenkosten. In den Marktberichten werden nur die Kaltmieten genannt, weil es keine einheitliche Definition gibt, wie eine Warmmiete berechnet werden soll. Die Mieter vergleichen aber sehr wohl bei der Objektauswahl die Mieten inklusive Nebenkosten und dies schon seit langem.

TPP: Ich bin erstaunt, dass in den aktuellen Büromarktberichten von Colliers und anderen Beratern die Folgen der Pandemie keine Rolle spielen. Woran liegt das?
CE:
Daran, dass die Effekte noch nicht klar erkennbar sind. Lange Mietverträge sorgen dafür, dass der Mietmarkt träge reagiert. Angenommen, ein Unternehmen braucht weniger Fläche, weil mehr Mitarbeiter dauerhaft zwei bis drei Tage in der Woche zu Hause arbeiten wollen. Dann kann es die Fläche erst mit Auslaufen des Mietvertrages reduzieren oder muss zwischenzeitlich untervermieten. Wir erwarten, dass ein Teil der aufgrund von Homeoffice freiwerdenden Flächen als Expansionsreserve dienen oder auch zum Teil durch zusätzlichen Platzbedarf für neue Arbeitsformen absorbiert wird. Die erkennbaren Folgen, die u.a. deutliche Zunahme der Untermietflächen, sind bereits heute spürbar. Insgesamt ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass mittelfristig in Summe weniger Büroflächen belegt werden als derzeit. Diese Büroflächen werden sich voraussichtlich in den zentralen, am besten zu erreichenden Lagen konzentrieren und sehr flexibel sein (müssen).

TPP: Lassen wir den Homeoffice-Effekt außen vor und schauen auf Konjunktureffekte. Die Inflation nimmt nur langsam ab. Die Europäische Zentralbank hat deshalb keinen Grund die Zinsen zu senken und die diversen Konjunkturausblicke der Wirtschaftsinstitute sind auch nicht rosig. Aber Sie wirken – wie ich es von Maklern gewohnt bin – betont optimistisch. Woher nehmen Sie den Optimismus?
CE:
Unser Research-Team ist angesichts des äußerst schwachen bisherigen Jahresverlaufes im Investmentmarkt der Ansicht, dass die bereits konservative Prognose von 42 Milliarden Euro vom Januar kaum zu halten ist und wahrscheinlich höchstens 30 Milliarden erreicht werden. Gleichwohl gehen wir davon aus, dass der Zinserhöhungszyklus der EZB sich verlangsamen und voraussichtlich im zweiten Halbjahr zu Ende gehen wird. Wird dadurch das Klima besser, nimmt drei bis vier Quartale später auch der Büroflächenumsatz wieder zu. Daraus speist sich mein Optimismus.

TPP: Herr Ergüney, vielen Dank für das Interview.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Colliers International Deutschland GmbH
Erstveröffentlichung: The Property Post, Juni 2023

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Reiner Reichel, Jahrgang 1956, war viele Jahre Immobilienredaktuer des Handelsblatts. Journalismus betreibt er, wie er Fußball spielt: hart aber fair.

2.jpgCem Ergüney (40) ist Geschäftsführer und Chef der Bürovermietungsabteilung NRW beim Immobilienberater Colliers International Deutschland GmbH. Der nächste Karriereschritt ist bereits avisiert: Ab 2024 ist er für die Bürovermietung in ganz Deutschland verantwortlich. Ergüney wächst in Duisburg-Ruhrort als Sohn des ersten selbstständigen Binnenschiffers mit türkischen Wurzeln in Deutschland auf. Er lernt Kaufmann in der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft. Nach der Berufsausbildung 2006 bei einem regionalem Projektentwickler, geht es zu Hochtief, anschließend wechselt er 2007 in die Bürovermietung zu Engel & Völkers Commercial Düsseldorf und beginnt 2010 bei Colliers International. Ergüney ist erkennbar stolz auf seine Herkunft aus dem Ruhrgebiet, identifiziert sich nach wie vor mit seiner Heimat Duisburg, die einschließlich Elternhaus und Schiff des Vaters während Kamera-Schwenks in Schimansky-Tatorten durchs Bild huscht. In Duisburg hat er Fußball gespielt und später ehrenamtlich als Trainer gearbeitet. Er geht gerne ins Stadion, nach Dortmund, Duisburg, Düsseldorf ebenso wie nach Köln und Leverkusen und wenn es passt auch in Barcelona, soweit es die Zeit noch erlaubt. Schließlich steht für den Vater von zwei Söhnen im Kindergartenalter inzwischen die Familie an erster Stelle.

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