Horst Lieder erklärt, wie man einen "Mini-Markt" populär macht.
Audere ist lateinisch und bedeutet, sich etwas trauen. Vor vier Jahren traute sich AUDERE EQUITY in der Nische Sozialimmobilien die nochmals engere Nische Kindertagesstätten zu etablieren – ESG-konform. Das „Social“ im ESG wird besonders groß geschrieben. Investoren wird nicht das große Geld, sondern die Gewissheit versprochen, etwas für die Gesellschaft zu tun. Das heiß nicht, dass der Projektentwickler ein Non-Profit-Unternehmen ist und seine Geldgeber auf die Verzinsung ihres Kapitals verzichten müssen.
The Property Post: Herr Lieder, AUDERE EQUITY ist ein Projektentwickler. Alle Entwickler jammern über die schlechten Rahmenbedingungen - AUDERE nicht. Warum?
Horst Lieder: Die Situation ist nicht so schwarz-weiß, wie Ihre Frage vermuten lässt. Die gesamte Immobilienbranche muss mit deutlich höheren Kapitalkosten und restriktiverer Kreditvergabe fertig werden – auch wir. Diese Phase wird überwunden werden. Die Lieferengpässe bei Baumaterialien sind bereits geringer geworden. Hotels und Einzelhändler werden wieder stärker frequentiert, im Bürosegment beginnen die Akteure zu begreifen, dass Homeoffice ein relevanter Faktor für den Markt wird. Unabhängig von der Nutzungsart spüren alle am Immobilienmarkt den wachsenden politischen Druck, ESG-konform zu bauen. Während sich die Lage auf den Gewerbeimmobilienmärkten entspannt, wird die Situation auf dem Wohnungsmarkt noch dramatischer.
TPP: Wie ließe sich die Misere auf dem Wohnungsmarkt beheben?
HL: Ein wirksames Mittel wären schnellere Genehmigungsprozesse. In den Behörden fehlen nicht nur Mitarbeiter, sondern dem Genehmigungsprozess wohnt eine gewisse Trägheit inne. Diese Trägheit muss nicht sein. Wir haben Sonderregelungen für die Errichtung von Wohnungen für Geflüchtete, die zu wesentlicher schnelleren Baugenehmigungen führen.
TPP: AUDERE kommt wohl kaum leichter an Kredite und Genehmigungen als andere.
HL: Tatsächlich ist beides für uns eher komplizierter. Kitas, Häuser für Betreutes Wohnen und Pflegeeinrichtungen sind Nischenimmobilien, deren Finanzierung nicht zum Tagesgeschäft einer Bank gehören. Wie sie wirtschaftlich betrieben werden, auch im Zusammenspiel mit staatlicher Förderung, müssen wir deutlich erklären. Zumal es unser Ziel ist, die Beiträge der Eltern für die privat betriebenen Kitas auf dem Niveau zu halten, dass die Eltern auch für kommunale Einrichtungen zahlen müssten. Aber für mich ist das nicht neu, denn ich musste den Banken auch erklären, wie das Geschäftsmodell Studentenwohnheim funktioniert, als wir mit International Campus damit in Deutschland auf den Markt kamen. Bei den Genehmigungsverfahren für Kitas haben wir die Herausforderung, dass wir noch vor dem Baugenehmigungsverfahren eine Bedarfsbestätigung der Kommune vorlegen müssen.
TPP: Die Betreiber der Kitas sind in der Regel Mieter. Sind die Mietverträge indexiert?
HL: Ja!
TPP: Betreiber von Alten- und Pflegeheimen sind in jüngster Zeit reihenweise insolvent geworden, unter anderem, weil sie aufgrund der hohen Inflation ihre indexierten Mieten nicht mehr zahlen konnten. Droht Kita-Eigentümern dereinst das gleiche Schicksal?
HL: Nein. Kita-Betreiber müssen ihre Betriebskosten, zu denen auch die Miete gehört, offenlegen. Für den Fall, dass Fördermittel plus Elternbeiträge nicht ausreichen, um die Kosten zu decken, erfolgt ein Ausgleich durch die Kommune. Das ist – so denke ich – ein ziemlicher starker Schutz gegen Mietausfall. Man muss sich vor Augen führen, dass die Kommunen gesetzlich verpflichtet sind, ausreichend Kita-Plätze anzubieten.
TPP: Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung fehlen in Deutschland 385.000 Kita-Plätze. Das sind eigentlich glänzende Voraussetzungen für Ihr Geschäft. Doch wie viele ihrer Projekte sind gescheitert, weil dem potenziellen Betreiber das Personal für den Betrieb fehlt?
HL: Wir haben das Problem noch nicht gehabt. Für unsere Projekte haben wir bisher immer einen Betreiber gefunden, der über die notwendige Personaldecke verfügte. Und wir arbeiten an mehreren Projekten in Deutschland.
TPP: Was nicht ist, kann noch kommen.
HL: Fehlendes Personal ist für die Betreiber in der Tat das größte Problem. Ursache sind weniger die Arbeitsbedingungen, sondern rigide Vorgaben zur Personalausstattung. Ich denke, die Politik muss überdenken, welche Qualifikationen wirklich nötig sind, um Krabbel- und Kleinkinder bei ihren ersten Schritten im Leben zu begleiten. Die Situation wird sich ab dem Jahr 2026 noch einmal verschärfen, weil auch für die Hortbetreuung ein gesetzlicher Anspruch eingeführt wird. Wenn wir als Gesellschaft wollen, dass unsere Kinder über verschiedene Altersstufen hinweg betreut werden und einen gesetzlichen Anspruch dafür schaffen, dann müssen wir auch die personellen und räumlichen Rahmenbedingungen dafür schaffen. Große überregionale Träger, die teils aus Skandinavien kommen, haben den Personalmangel auf dem Radar und schulen teils in eigenen Akademien zur Vorbereitung auf die Öffnung ihrer Einrichtungen.
Wie viele Kitas errichtet AUDERE im Jahr?
HL: Wir haben zurzeit etwa 20 Projekte mit unterschiedlichem Reifegrad in Arbeit. Und wir wachsen weiter. Als wir 2019 begannen, hatten wir fünf Mitarbeiter. Zurzeit sind es 25 und am Jahresende werden es mehr als 30 sein.
TPP: Wer kauft, was AUDERE fertigstellt?
HL: Es gibt Fonds, aber auch Betreiber, die Kitas kaufen. Wir arbeiten derzeit daran, ein eigenes ESG-konformes Bestandsportfolio aufzubauen, indem wir an den erstellten Einrichtungen beteiligt bleiben. Wir haben nicht die Absicht, dieses Portfolio irgendwann zu verkaufen oder an die Börse zu bringen. Ein Volumen von 500 Millionen bis zu einer Milliarde Euro ist für uns nicht aus der Welt. Das werden wir nicht in einem oder zwei Jahren schaffen. Wir sehen eher einen Zeithorizont von fünf bis sechs Jahren.
TPP: Reicht dazu ihre und die Finanzkraft ihres Partners?
HL: Nein. Wir haben bisher mit vier, fünf Gleichgesinnten zusammengearbeitet, die immer wieder mit uns in Neubauprojekte investiert haben. Wir sind jetzt im Gespräch mit Family Offices, bei denen die soziale Ausrichtung einen hohen Stellenwert hat und die nicht exitgetrieben sind. Manche dieser Familien denken in Generationen und nicht in Immobilien- oder Konjunkturzyklen.
TPP: Wie sozial die Ausrichtung auch sein mag, auf Gewinne werden ihre Partner nicht verzichten wollen: Welche laufende Rendite stellen sie in Aussicht?
HL: Wir können dem Endinvestor oder Mitgesellschafter vier bis fünf Prozent Mietrendite bieten.
TPP: Das ist doch gar nicht so wenig.
HL: Heute nicht, aber vor drei oder vier Jahren galt eine solche Rendite im Verhältnis zu anderen Assetklassen als nicht besonders attraktiv.
TPP: Herr Lieder, vielen Dank für das Interview.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von AUDERE
Erstveröffentlichung: The Property Post, Juni 2023