Warum es falsch wäre Büros billiger, aber weniger nachhaltig zu bauen.
Dr. Bernd Wieberneit, Geschäftsführer der FOM Invest GmbH, ist Verfechter nachhaltigen Wirtschaftens. Die Fondsgesellschaft investiert in erneuerbare Energien und wenn sie Immobilien kauft oder verwaltet, stehen ESG-Kriterien im Fokus. The „Property Post“ fragte Wieberneit, ob die durch hohe Zinsen ausgelöste Krise auf dem Immobilienmarkt ESG-konformes Bauen ausbremst.
The Property Post: Herr Dr. Wieberneit, ein Ergebnis des Forums des Verbands Deutscher Pfandbriefbanken vor wenigen Tagen lautete: Immer mehr Menschen wollen in nachhaltigen Immobilien arbeiten. Sind Sie davon überzeugt?
Bernd Wieberneit: Mein privates und berufliches Umfeld bestätigen diese Aussage eindeutig. Im Zuge dessen sind nicht nur die Ansprüche an die Gebäude gestiegen, sondern auch an deren Erreichbarkeit. Für Arbeitnehmer wird die Anbindung des Arbeitsplatzes an den öffentlichen Nahverkehr immer wichtiger – und damit auch für die Unternehmen, die ihre Mitarbeiter nach der Pandemie zurück an die Büroarbeitsplätze bringen wollen. Folglich wachsen auch die Ansprüche an die Verkehrsinfrastruktur.
TPP: Das spricht für Bürogebäude in teuren, zentralen Lagen, die möglichst auch noch ESG-konform gebaut sind. Sind die Mieter auch bereit Nachhaltigkeit zu honorieren?
B. W.: Die Frage lässt sich nicht allgemeinverbindlich beantworten. Wenn der Standort für den Mieter eine hohe Bedeutung hat, wird er einen Mietaufschlag akzeptieren. Für Vermieter großer Flächen wird langfristig die Einhaltung von ESG-Kriterien Voraussetzung sein, um rentabel vermieten zu können.
TPP: Es gibt Studien, wonach Unternehmen ein Drittel ihrer Büroflächen nicht mehr benötigen. Das spricht für wachsenden Leerstand und Druck auf die Mieten. Als Mieter würde ich unter diesen Umständen die ESG-Konformität als kostenloses Incentive verlangen. Geschieht dies in der Praxis?
B. W.: Aktuell haben wir einen Mietermarkt. Aber die Nachfrage nach attraktiven Innenstadtflächen mit guter Anbindung ans öffentliche Nahverkehrsnetz wird steigen und es den Vermietern ermöglichen plausibel darzulegen, warum für nachhaltige Gebäude höhere Mieten gerechtfertigt sind. Anders ist die Situation der Vermieter in Randlagen. Sie werden Schwierigkeiten haben, ihre Mietforderungen durchzusetzen.
TPP: Heißt das, dass ESG-Kriterien in Randlagen keine Rolle spielen?
B. W.: Das würde ich nicht sagen. Kurzfristig mag das so sein, aber langfristig ist auch dort der Verzicht auf ESG-Konformität keine Lösung. Warum, möchte ich an einem Beispiel erläutern. Wenn beispielsweise ein Großunternehmen, etwa eine Bank oder ein Versicherer, sein Back Office an den Stadtrand verlegt, wird es die gleichen ESG-Standards verlangen wie sie die repräsentativen Hauptverwaltung in der Innenstadt erfüllt.
TPP: Es ist plausibel, dass Unternehmen, die in der Öffentlichkeit stehen und in den Top-Lagen der Bürohochburgen mieten, auf der Einhaltung von ESG-Kriterien bestehen. Doch auch in C-Städte, wie etwa ihrem Wohnort Idstein, werden Büros vermietet. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich Vermieter und Mieter, etwa kleine Dienstleister und Berater mit wenigen Angestellten, in solchen Städten für ESG-Kriterien interessieren. Liege ich falsch?
B. W.: Für Büromärkte in Kleinstädten wie Idstein würde ich ihnen zustimmen. Aber schon in etwas größeren Kommunen wie dem von Idstein nur wenige Kilometer entfernten Limburg ist die Situation typischerweise anders.
TPP: Wird ein Bauherr dort beim Neubau Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigen?
B. W.: Ja, wenn er sein Projekt fremdfinanzieren muss oder es hinterher verkaufen möchte. Die Anforderung nachhaltig zu bauen, wird von kreditgebenden Banken und Käufern kommen. Wer für sich selbst baut, kann womöglich auf Nachhaltigkeit verzichten, wenn diese auch zur Gewinnung oder Bindung von Mitarbeitern nicht relevant ist.
TPP: Wie geht die öffentliche Hand mit ESG-Vorgaben um? Schließlich belegt sie ein Fünftel des deutschen Bürobestandes.
B. W.: Ich greife noch einmal das Kriterium Erreichbarkeit heraus. Es ist bei Behörden mit Publikumsverkehr doppelt wichtig, weil Mitarbeiter und Bürger das Gebäude schnell und einfach erreichen können sollten. Ich beobachte eine große Nachfrage der öffentlichen Hand nach ESG-konformen Gebäuden, schließlich hat der Staat eine Vorbildfunktion.
TPP: Einer Studie des Beratungsunternehmens Colliers zufolge drohen bis zu zwei Drittel der deutschen Büroimmobilien zu veralten. Ein Großteil des Bestandes wird vermutlich nicht modernisiert werden können. Doch die steigenden Zinsen haben bereits eine Reihe von Projektentwicklern in die Pleite getrieben und Projekte wurden gestoppt. Für Privathaushalte gilt: Bio-Lebensmittel muss man sich leisten können. Können sich Projektentwickler nach den gestiegenen Finanzierungskosten bauen nach ESG-Standards leisten? Wäre es nicht vernünftig in dieser Situation die Kosten durch Verzicht auf ESG-Standards zu reduzieren?
B. W.: Die Finanzierung neuer Gebäude ist eine große Herausforderung, die aktuell nicht alle Entwickler meistern werden. Der Verzicht auf ESG-konformes Bauen ist – ich wiederhole mich – keine Lösung. Der Druck nachhaltig zu bauen, kommt von allen Seiten: den Banken, die ihre Kreditzusagen an die Einhaltung entsprechender Kriterien knüpfen; den Investoren, die sich in ihren Anlagerichtlinien auf nachhaltiges Investieren festgelegt haben und den Nutzern, für die nachhaltiges Wirtschaften ein Argument bei der Anwerbung von Mitarbeitern auf einem leergefegten Arbeitsmarkt ist. Es gilt weiter der Satz: ESG ist hier, um zu bleiben. Die Probleme bei der Umsetzung sind bis zu einer Lösung nur geparkt.
TPP: Herr Dr. Wieberneit, vielen Dank für das Interview.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von FOM Invest GmbH
Erstveröffentlichung: The Property Post, September 2023