17.12.2021

Aufbruch zu unrealistischen Zielen

Analyst Thomas Beyerle bewertet Regierungspläne und Immobilienmärkte.

Reiner Reichel, Redakteur, The Property Post

Thomas Beyerle, Geschäftsführer der Catella Valuation GmbH und „The-Property-Post“-Redakteur Reiner Reichel kennen sich noch aus der Zeit, als Beyerle als Degi-Researcher und -Pressesprecher die Fehlinvestition der Immobilienfondstocher der Dresdener Bank in den Bremer Space Park rechtfertigen musste. Heute kann sich Beyerle aufs Analysieren konzentrieren. Im Telefonat mit TPP blickt er in die Zukunft des deutschen Immobilienmarktes.

The Property Post: Herr Beyerle, die neue Regierung ist im Amt. Sie hat unter anderem angekündigt 400.000 neue Wohnungen bauen zu lassen. Kann sie dieses Ziel erfüllen?
Thomas Beyerle: Das Ziel wird nicht erreichbar sein. Punkt!

TPP: Warum nicht?
TB: Weil die Genehmigungsverfahren immer noch zu lang dauern. Und wer soll die Gebäude bauen? Die Auftragsbücher der Bauunternehmen sind voll und Material ist knapp und teuer. Diese Bundesregierung unter Beteiligung der Grünen muss auch noch einen Widerspruch auflösen. Sie predigt auf der einen Seite: Weniger Flächenversiegelung! Auf der anderen Seite heißt es: Mehr Wohnraum! Das geht nur, wenn man extrem nachverdichtet, etwa indem mehr als bisher in die Höhe gebaut wird.

TPP: Also ist die Ankündigung eine reine PR-Nummer?
TB: So hart würde ich nicht urteilen. Es wird zumindest Aufbruchstimmung verbreitet und der Druck in den Amtsstuben wächst, doch bitte etwas schneller zu entscheiden.

TPP: Dazu passt, dass die Ampel-Koalition verspricht, Genehmigungsverfahren zu vereinfachen. Zusätzlich soll eine höhere lineare AfA Investitionen stimulieren. Bringen diese Maßnahmen nichts?
TB: Sie sind eine Botschaft - mehr nicht. Über beschleunigte Genehmigungsverfahren sprechen wir schon seit Jahren. Vor Ort werden die guten Vorsätze dann doch durch Widersprüche von Interessengruppen ausgebremst. Und wenn die um einen Prozentpunkt höhere AfA einen unentschlossenen Investor dazu bringt zu bauen, bitte gern. Aber das Problem der Wohnungsknappheit wird dadurch nicht gelöst.

TPP: Die für die Immobilienwirtschaft positiven Ansätze der neuen Regierung werden also wohl nahezu wirkungslos verpuffen. Gleichzeitig verärgert sie die Branche mit Plänen, die Kappungsgrenze für Wohnungsmieten zu verschärfen und die Mietpreisbremse zu verlängern. Die Betroffenen drohen mit Investitionsstopp. Wird der kommen?
TB: Das Problem im Wohnungsbau ist ein anderes. Es wird immer der gleiche Typ Wohnung, immer das gleiche Modell gebaut – ein Porsche. Die Entwickler müssten endlich Wohnungen in unterschiedlichen Qualitätsstufen verkaufen. Dazu gehört es Objekte mit geringerer Qualität zu einem niedrigeren Preis anzubieten. Dann wäre der Staat nicht gezwungen, die Mieten zu regulieren. Geringere Qualität bedeutet nicht, dass Gebäude gebaut werden, die nach fünf Jahren zusammenfallen. Das ist nicht gemeint. Auf der anderen Seite müssen Häuser nicht für 70, 80 Jahre gebaut werden. Wir in Deutschland sehen Wohnungen primär immer als Anlagegut und nicht wie in andren Ländern – etwa Großbritannien – auch als Verzehrgut.

TPP: Aber, noch einmal zurück. Kommt der Investitionsstopp, wenn das Mietrecht verschärft wird?
TB: Nein, selbstverständlich ist das Geschrei erst einmal groß. Aber, es wird weiter investiert. Das Kapital ist da und sucht Anlagemöglichkeiten. Zudem gibt es inzwischen Investmentvehikel, die sogenannten Social Impact Funds, die Sozialwohnungen gerne in den Fonds aufnehmen. Diese Fonds schauen nicht nur auf die Finanzrendite, sondern auch darauf, mit ihrem Engagement eine messbar positive soziale und gesellschaftliche Wirkung zu erzielen.

TPP: Wechseln wir die Nutzungsart und schauen auf den Büromarkt. Die gif Gesellschaft für immobilienwirtschaftliche Forschung veröffentlichte kürzlich ein erstaunlich positives Stimmungsbild der Branche. Ist der Optimismus gerechtfertigt?
TB: Vorweg muss man wissen, dass die Umfrage durchgeführt wurde, bevor die Bundesregierung die Maßnahmen gegen die vierten Corona-Welle verkündete. Ein paar Antworten würden heute sicher anders ausfallen.

TPP: Eine dieser Maßnahmen verpflichtet Unternehmen Büroangestellte ins häusliche Arbeitszimmer zu schicken. Was bedeutet das für den Büromarkt?
TB: Entscheidend wird sein, wie sich das Verhältnis von Arbeitstagen zu Hause zu denen im Büro nach den Corona-Maßnahmen einpendelt. Die Unternehmen geben noch keine konkreten Antworten, ob es auf einen oder zwei Arbeitstage in der Woche im Homeoffice hinausläuft, sondern überlassen es weitgehend den Vorgesetzten. Ich prophezeie, dass Büroarbeitskräfte in den nächsten zwei, drei Jahren immer weniger Platz haben werden, immer enger zusammensitzen werden, also der Flächenbedarf zurückgeht. Auf dem Mietmarkt wird das nicht sofort zu sehen sein, weil Mietverträge erst nach und nach auslaufen und den Mietern die Möglichkeit eröffnen, ihre Flächen zu reduzieren. Deshalb werden wir die Bremsspuren auf dem Büromarkt erst ab 2023 sehen.

TPP: Die großen Maklerhäuser erklären, dass der Flächenbedarf nicht abnimmt, weil die Menschen in den Büros mehr Abstand halten müssen und größer Kommunikationsflächen nötig sind.
TB:
Ich halte das für Störfeuer. Der Hinweis auf das Abstandsgebot ist eine taktische Aussage, die die Nachfrage hochhalten soll. Tatsächlich nehmen die Quadratmeter pro Arbeitsplatz seit Jahren ab. Diesen Trend ändert auch Corona nicht. Wir nähern uns langsam Londoner Verhältnissen und kommen auf zehn Quadratmeter pro Person.

TPP: Nehmen wir an, es wollen mehr Menschen als erwartet wieder im Büro arbeiten. Was passiert, wenn dann die Schreibtische in den Firmenbüros abgebaut sind?
TB:
Wir werden erleben, dass Mitarbeitern als Alternative Tickets für Co-Working-Plätze in die Hand gedrückt werden.

TPP: Welches Bild gibt der Büroimmobilieninvestmentmarkt aktuell ab?
TB:
Wir Analysten stellen fest, dass sich der Markt gerade immer weiter aufspaltet. In den Stadtrandlagen wird mit den ersten Abschlägen verkauft, aber immerhin gibt es Transaktionen. Die Unternehmen zentralisieren, legen Büros in den Innenstädten zusammen und eröffnen so den Käufern die Möglichkeit, die häufig in die Jahre gekommenen Objekte in der Peripherie zu sanieren. Dabei spielt die energetische Sanierung eine große Rolle. Gleichzeitig wird die Nutzung der Gebäude verändert. Im Moment scheint in solchen Fällen die Wandlung von Bürogebäuden in Mixed-Use-Objekte zu funktionieren. Wir werden im nächsten Jahr auf jeden Fall noch mehr Besitzwechsel außerhalb der Innenstädte der Metropolen zu niedrigeren Preisen sehen. Das schließt nicht aus, dass die Preise und Mieten für Top-Büroobjekte in den Innenstädten der Metropolen noch einmal anziehen.  

TPP: Wieso sollen die Mieten dort anziehen?
TB:
Weil die Unternehmen Arbeitsplätze an Orten zusammenlegen, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln schnell erreichbar sind, so dass dort die Nachfrage nach Büroraum nicht abnimmt.

TPP: Versuchen Sie doch bitte das Geschehen in Zahlen zu fassen. Wie hoch wird das Transaktionsvolumen auf dem Gewerbeimmobilienmarkt in diesem und dem nächsten Jahr sein?
TB
: In diesem Jahr rechne ich in Deutschland mit einem Gewerbeimmobilienumsatz von 65 bis 70 Milliarden Euro, aktuelle Tendenz zu den 70 Mrd.

TPP: Und im nächsten Jahr?
TB:
Ich erwarten insgesamt ein hohes Transaktionsvolumen, da Bewegung in den Verkäufermarkt kommt. Mag sein, dass das neue Buzz Word der Branche, sogenannte „stranded assets“ hier auch eine Rollen spielen kann.

TPP: Was geschieht auf dem Büromietmarkt 2022?
TB:
Die Büromieten werden im Durchschnitt stagnieren, aber sich abhängig von der Lage sehr unterschiedlich entwickeln. In den C-Lagen werden die Mieten stark sinken, dagegen in den CBD-Lagen eher leicht steigen, im Neubausegement am stärksten.

TPP: Gehen wir weitere Nutzungsarten durch. Einzelhandelsinvestor zu sein, macht auf absehbare Zeit keinen Spaß, oder?
TB:
So groß war der Spaß auch in den vergangenen zehn Jahren nicht. Denn abgesehen von einem Zwischenhoch 2013 entziehen die Investoren dem Einzelhandel Kapital, ablesbar an dem seitdem sinkenden Transaktionsvolumen. Die traditionellen Shoppingcenter-Investoren konzentrieren sich schon seit einer ganzen Weile darauf, bestehende Center zu modernisieren oder in Teilen in andere Nutzungsarten zu transformieren. Dagegen werden vom Lebensmitteleinzelhandel gemietete Objekte unglaublich gehypt werden, was meines Erachtens zu ersten Preisübertreibungen führt.

TPP: Aber Probleme haben nicht nur die Eigentümer von Einkaufszentren, sondern auch die von Häusern in den Fußgängerzonen mittelgroßer und kleiner Städte. Werden wir künftig wieder in solchen Straßen wohnen?
TB:
Leben wie in Barcelona, über kleine Lädchen in Einkaufsstraßen wohnen – das würde allen gefallen. Doch für diese Lädchen sind niemals die Mieten zu erreichen, die aktuell noch gezahlt werden. Es wird noch dauern, bis der letzte Eigentümer eines Ladenlokals in 1b-Lage gemerkt hat, dass er seinen Laden nicht mehr substanziell vermieten kann und ihn in Wohnraum umwandelt.

TPP: Wird der Hype um Logistikgebäude weitergehen?
TB:
Bei den Mega-Hallen eher nicht. Aber mittelgroße Hallen mit um die 10.000 Quadratmetern Fläche, an denen die Sattelschlepper an der einen Seite ausladen und die Transporter der Paketdienste auf der anderen Seite einladen und an die Endkunden oder Abholstationen verteilen, werden weiter gefragt sein. Es ist für mich schon etwas Besonderes mitzuerleben, wie für solche Objekte die Preise steigen.

TPP: Was wird aus den Hotels?
TB: 
Ich bin optimistisch. Wenn im Sommer die Impfquote nochmals höher ist, wollen alle nach zwei Jahren wieder raus. Die Kurztrips werden zunehmen, die Übernachtungszahlen steigen.

TPP: Herr Beyerle, vielen Dank für das Interview.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Catella Valuation GmbH
Erstveröffentlichung: The Property Post, Dezember 2021

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Reiner Reichel, Jahrgang 1956, war viele Jahre Immobilienredaktuer des Handelsblatts. Journalismus betreibt er, wie er Fußball spielt: hart aber fair.

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Thomas Beyerle, der Bub aus dem Badischen, heute 54, kam durch Neigung und Zufall zur Immobilienwirtschaft. Den Studiengang Immobilienökonom gab es in seiner Jugend noch nicht, aber mit einem Wirtschafts- und Geographiestudium kam er der Branche näher. Der Einstieg gelang bereits während des Studiums über das Verfassen von Stadtporträts für die Immobilienführer des Ploetz-Verlags. Von dort warb ihn später die Dresdner Bank ab. Fortan analysierte er für unterschiedliche Konzerngesellschaften Standorte im Kleinen und landesweite Immobilienmärkte im Großen. Zwischenzeitlich absolvierte Beyerle noch ein Aufbaustudium zum Immobilien Portfolio Manager an der European Business School in Oestrich-Winkel. Nach Zwischenstationen bei Allianz, Aberdeen und IVG ist er heute Geschäftsführer der Catella Valuation GmbH. Mit der beruflichen ging die wissenschaftliche Karriere einher. Heute ist Beyerle auch Professor für Immobilienwirtschaft an der Hochschule Biberach. Darüber hinaus ist er in mehreren Branchengremien aktiv. Eines, die Gesellschaft für immobilienwirtschaftliche Forschung, wählte ihn jüngst zum Präsidenten. Die Freizeit nutzt er, um mit Frau und Töchtern zu reisen und fremde Kulturen kennenzulernen. „Lappland würde ich Malle immer vorziehen“, sagt er und ergänzt, Länder und Standorte entdecken sei „Teil seiner DNA“.

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