Stephan Bone-Winkel plädiert für den Erhalt alter Bausubstanz und die Rückkehr der Industrie in die Städte.
The Property Post (TPP) traf Stephan Bone-Winkel, Geschäftsführender Gesellschafter der Ceos Investment GmbH und Mitglied im Aufsichtsrat der Beos AG, am Rande der Handelsblatt-Immobilienkonferenz „Rethinking Real Estate“ in Düsseldorf. Sein Thema: „(Re-)Urbanisierung der Industrie“.
TPP: Herr Bone-Winkel, Sie fordern nicht nur den Erhalt von innerstädtischen Produktionshallen, sondern wollen die Fabriken sogar in die Städte zurückholen. Warum?
Stephan Bone-Winkel: Warum nicht. Alle wollen in die Stadt. Da ist es nur vernünftig, Industrieunternehmen dort anzusiedeln, wo sie Mitarbeiter finden und die Konsumenten leben – in der Stadt. Das verringert die Transportwege für Arbeitnehmer, Material und fertige Produkte und reduziert obendrein das Verkehrsaufkommen und die damit verbundenen Emissionen. Die Zukunft gehört der Mischnutzung von Gewerbe und Wohnen in der Stadt. Wer sich überzeugen will, dass eine solche Mischnutzung problemlos möglich ist, schaue nach Berlin. Dort wurden zu Beginn der Industrialisierung Ende des 19. Jahrhunderts Gewerbehöfe mit Wohnen im Vorderhaus verknüpft. Die stehen heute noch und funktionieren ganz hervorragend.
TPP: Die Konsequenz wäre weniger Umweltbelastung durch Verkehr, dafür mehr durch Produktion. Die meisten Menschen dürften froh sein, dass das Gros der Fabriken inzwischen Lärm, Schmutz und unangenehme Gerüche außerhalb der Innenstädte verbreitet. Sind Sie auf Widerstand vorbereitet?
SBW: Widerstand mag der erste Reflex sein. Wer sich mit der industriellen Produktion heute beschäftigt wird feststellen, dass Fabriken ihr Umfeld nicht mehr automatisch mit Geruch, Krach und Schmutz belasten. Die Kommunen tun gut daran, Industrie nicht zugunsten reiner Wohnsiedlungen ins Umland zu verbannen. Dazu müssen die Bauvorschriften flexibler werden, etwa bezüglich Flächennutzung, Abstandsregeln und Geschosszahlen.
TPP: Doch selbst die sauberste Produktion braucht Platz, der in den Städten fehlt. Woher soll der kommen?
SBW: Wir müssen eine höhere Bebauungsdichte zulassen. In Paris ist sie fünfmal so hoch wie in Berlin. Die Industrie hat es sich in der Vergangenheit zu einfach gemacht, indem sie lediglich eingeschossig gebaut hat. Das hat dazu geführt, dass die Grundflächenausnutzung in Industriegebieten lediglich 50 bis 80 Prozent beträgt. In den Kerngebieten der Städte liegt sie aufgrund der mehrgeschossigen Bebauung bei etwa 450 Prozent. Die Industrie muss umdenken und auf mehreren Ebenen produzieren.
TPP: Zurzeit werden keine neuen innerstädtischen Industriegebiete ausgewiesen, sondern alte aufgegeben. Typisch ist, was im Düsseldorfer Stadtteil Gerresheim geschieht. Dort wurden die Gebäude der Gerresheimer Glas abgerissen und durch Wohnungen ersetzt.
SBW: Es wird gebaut, was der Grundstückspreis hergibt, nicht was der Markt braucht. Aktuell lässt sich mit Wohnen mehr Geld verdienen als mit Gewerbeflächen, selbst wenn man den Abriss der alten Fabrikgebäude einkalkuliert. Nachhaltig ist das nicht. Es geht schließlich auch anders. Das Gelände des ehemaligen Kabelwerkes Felten&
Guilleaume in Köln wurde von Beos zum Quartier Carlswerk weiterentwickelt. Dort haben sich heute unter anderem ein bekannter Buchverlag, Marketing-Agenturen, Labore, IT-Spezialisten, Tesla und die Bühnen des Kölner Schauspielhauses eingemietet.
TPP: Im Carlswerk haben sich Gewerbetreibende eingemietet, aber keine Unternehmen, die Güter produzieren. Ist die Re-Urbanisierung der Industrie doch nur eine Vision?
SBW: Sicherlich ist eine Re-Urbanisierung der Industrie nicht an jedem Standort möglich. In vielen Beos-Transformationsimmobilien werden Waren produziert, so entsteht etwa im Alten Röhrenwerk mitten in Ulm moderne Satellitentechnik. Im Projekt „Berlin Decks“ an der Spree zwischen Wedding und Moabit hingegen reißen wir obsolete Kalthallen von ThyssenKrupp ab und ersetzen sie durch einen modernen Gewerbecampus, in dem auf bis zu sechs Geschossen produziert werden kann.
TPP: Wäre es angesichts der Klimaziele, die sich Deutschland gesetzt hat, nicht vernünftiger, die alten Gebäude durch neue energieeffizientere zu ersetzen?
SBW: Nein. Die Energiebilanz älterer Gebäude ist nicht schlecht, auch wenn die öffentliche Meinung das anders sieht. Selbst wenn wir unabhängig von allen Nutzungsarten nur noch Null-Emissionshäuser bauen, würden wir den Klimazielen nur sehr langsam näherkommen. Schließlich beträgt der jährliche Neubauanteil gemessen am Bestand nur zwei Prozent. Daher muss der Bestand ertüchtigt und sinnvoll nachgenutzt werden.
TPP: Aber, es ist kaum möglich, die Emissionen im Altbau auf ein im Neubau übliches Niveau zu senken. Was spricht also dagegen, alte durch neue Häuser zu ersetzen?
SBW: Dass neue Häuser nicht in jedem Fall energieeffizienter sind. Denn die üblichen Berechnungen vergleichen nur Energieverbrauch und Emissionen während der Nutzung, vernachlässigen aber, dass zur Produktion der Baustoffe für den Neubau ein weiteres Mal Energie benötigt und die Umwelt belastet wird. Nicht einmal die Mieter der neuen Gebäude profitieren uneingeschränkt vom niedrigeren Energieverbrauch. Sie bezahlen die hohen Neubaukosten über die Miete und der gegenüber Altgebäuden wesentlich höhere Wartungsaufwand für die energiesenkende komplizierte Mess- und Regeltechnik wird über die Nebenkosten auf sie abgewälzt. Unter diesen Umständen frage ich mich, warum die Europäische Union kein Verbot erlässt, Häuser zu zerstören.
TPP: Herr Bone-Winkel, vielen Dank für das Interview.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Ceos Investment GmbH
Erstveröffentlichung: The Property Post, Oktober 2020