Über Wohninvestments im Umfeld von Metropolen und die Zukunftsfähigkeit von ostdeutschen Regionen
Frage: Frau Hoyer, welches Ergebnis Ihrer aktuellen Studie "Wohnungsmarktbericht Ostdeutschland 2018" hat Sie überrascht?
Claudia Hoyer: Überrascht hat mich die Höhe des Mietanstiegs an manchen Standorten. Zum Beispiel in Schwerin mit einer Steigerung von mehr als 7 % im Vergleich zum letzten Jahr. Aber auch der Anstieg in Nauen, Brandenburg an der Havel und Strausberg im Umfeld von Berlin. Bemerkenswert ist dabei vor allem, dass der Mietanstieg vielerorts nicht zu einer höheren Belastung der Haushaltegeführt hat. In mehr als der Hälfte der untersuchten Städte ist die Wohnkostenbelastungsquote konstant geblieben, obwohl die Mieten zum Teil deutlich gestiegen sind. Beispiele hierfür sind Schwerin oder Brandenburg an der Havel. Diese Standorte haben sich wirtschaftlich so gut entwickelt, dass die Kaufkraft im selben Maße wachsen konnte wie die Miete. Für uns ist es gut zu wissen, dass diese Mietentwicklungen von den Mietern tragbar sind.
Frage: Ihr Geschäftsmodell basiert auf dem Kauf, der Optimierung und der langfristigen Bewirtschaftung von Wohnungsbeständen. Bei Opportunitäten verkaufen Sie aber auch Portfolios. Welche Vorteile bietet Ihnen diese Strategie?
C.H.: Wir nennen das „Kapitalrecycling“. Für uns bedeutet dies, unser Portfolio zwar langfristig, aber flexibel zu entwickeln. Je nach Standort kommt der Zeitpunkt für einen Verkauf früher oder später. In Städten, die eine immense Nachfrage und damit enorme Preissteigerungen erzeugen und in denen wir gleichzeitig unser Portfolio optimal entwickelt haben, erwägen wir auch den Verkauf von Beständen. Wir reinvestieren dieses Geld natürlich wieder - in Regionen und Standorte, wo wir noch viel Potenzial für die Zukunft sehen und wo wir durch unser Asset Management die Objekte weiter entwickeln können. Da wir uns mit dem reinvestierten Geld mehr Miete einkaufen, können wir auch ohne zusätzlichen Eigenkapitaleinsatz unser Portfolio stetig erweitern und unseren FFO erhöhen.
Frage: Wo sehen Sie in Deutschland derzeit das größte Potenzial für den Kauf von Bestandswohnungen?
C.H.: Vor allem im Umfeld von Metropolen gibt es noch gute Perspektiven. In Nauen beispielsweise stieg die Angebotsmiete innerhalb eines Jahres um rund 9 % - bei einer unveränderten Wohnkostenbelastungsquote und einer Bruttorendite von im Schnitt 10 %.
Investitionspotenzial sehen wir überall dort, wo sich die Miete und Wirtschaft parallel positiv entwickeln. Aus unserer Sicht gibt es noch zahlreiche Standorte, auf die das zutrifft. Limitierender Faktor ist derzeit allerdings das zum Teil knappe Angebot.
Frage: Einige Marktexperten sehen den Zenit am Wohnungsmarkt für bestimmte Standorte erreicht. Würden Sie derzeit Bestände veräußern?
C.H.: Bei dieser Frage spielt die Marktlage eine große Rolle. Prinzipiell würden wir an solchen Standorten verkaufen, an denen die Preise ein Niveau erreichen, das eine langfristig orientierte Bewirtschaftung im Verhältnis zu den Eigenkapitalkosten nicht mehr attraktiv macht. Oder anders gesagt: In einigen Regionen wachsen die Kaufpreise für Wohnimmobilien wesentlich schneller als die Mieten; dort ist es für uns schlichtweg nicht mehr sinnvoll, die Bestände zu halten. Wenn wir Objekte veräußern, wollen wir das Geld jedoch reinvestieren. Der momentane Engpass am Markt bedingt nun die Situation, dass wir aktuell nur begrenzt renditestarke Ankaufschancen haben.
In den vergangenen Jahren haben wir regelmäßig kleinere Teile unseres Bestandes verkauft, teilweise zur Portfoliobereinigung, zum Teil im Rahmen der beschriebenen „Kapitalrecyclingstrategie“ – wie z. B. in Berlin. Natürlich gibt es die eine oder andere Metropole wie Rostock, Potsdam, Leipzig oder Dresden, wo die steigende Wohnkostenbelastung Indiz dafür ist, dass hier mittlerweile ein Niveau erreicht ist, an dem es nicht permanent weiter nach oben gehen kann. Bei der überwiegenden Anzahl der von uns untersuchten Standorte zeigt sich jedoch eine gesunde Entwicklung, bei der die Dynamik am Immobilienmarkt an die wirtschaftliche Entwicklung gekoppelt ist. Hier sehen wir auch langfristig noch gutes Potenzial.
Frage: Neben den hochpreisigen Wohnungsmärkten mit Mietpreisbremse gibt es in Deutschland etliche Regionen mit entspannten Wohnungsmärkten. Wie gelingt in solchen Lagen die Investition in Bestände?
C.H.: Für uns ist es wichtig, die Märkte gut zu kennen. Wir sind mit unseren Mitarbeitern direkt vor Ort und können dadurch die Nachfrage nach bestimmten Produkten gut einschätzen. Durch Grundrissveränderungen oder moderne Ausstattungen generieren wir ein Angebot, das am Standort bislang nicht oder nicht ausreichend vorhanden ist. Damit schaffen wir mitunter auch erst eine Nachfrage. Beispielsweise haben wir in Chemnitz Maisonette-Wohnungen in Plattenbauten eingerichtet. Wir passen viele Grundrisse an, weil wir festgestellt haben, dass die Nachfrage nach großen Wohnungen an zahlreichen Standorten gestiegen, das Angebot aber nicht ausreichend ist. Oder wir kombinieren Wohnungen mit bestimmten Zusatzleistungen wie z. B. spezielle Anlaufstellen für ältere Menschen. Für besonderen Mehrwert sind die Menschen bereit, eine entsprechende Miete zu zahlen.
Frage: Ihr Marktbericht zeigt anhand der Risiko-Rendite-Profile, dass viele kleinere Städte eine attraktivere Rendite bei ähnlichen Risiken haben als Metropolen. Welche Schlüsse ziehen Sie daraus für das TAG-Portfolio?
C.H.: Zuallererst sehen wir uns in unserer Portfolio-Strategie bestätigt. Zahlreiche Standorte, die bislang oft infrage gestellt wurden, haben sich zu aussichtsreichen Investitionsstandorten gewandelt. Es lassen sich dort sehr viel höhere Renditen erwirtschaften, als in einer der größeren Metropolen. Ich sehe hier unsere Strategie mit Zahlen untermauert. Konkretes Beispiel ist Halle: Das Risikoprofil der Stadt ist ausgewogen, die Renditechancen attraktiv. Aber auch Standorte wie etwa Magdeburg, Nauen, Freiberg oder Eberswalde sind auf Basis der Risiko-Rendite-Profile aus Investitionssicht vielversprechend.
Frage: In Bezug auf Ostdeutschland war in der Vergangenheit immer die Rede von Nachholbedarf und Strukturschwächen. Heute fokussiert sich die Debatte mehr und mehr auf die Zukunftsfähigkeit von Standorten. Wieviel Zugkraft besitzen in Ihren Augen die ostdeutschen Städte?
C.H.: Zunächst halte ich die Differenzierung entlang des Ost-West-Gegensatzes für überholt. Wir denken in „Regionen“.
Zukunftsfähig sind aus unserer Sicht Regionen, die eine vernünftige wirtschaftliche Entwicklung als Basis haben. Eine gut ausgebaute Infrastruktur, die Anbindung an den Arbeitsplatz, Unternehmensansiedlungen - all das macht eine Stadt zukunftsfähig.
Im Vergleich zu zahlreichen Städten im westlichen Teil Deutschlands wurde in den vergangenen Jahrzehnten sehr viel in die Infrastruktur ostdeutscher Städte investiert. Es ist nun an der Zeit, diese Entwicklung positiv zu nutzen. Ostdeutsche Städte haben mittlerweile eine gute Basis, um eine attraktive Alternative zu sein und damit um mehr Ansiedlungen werben zu können. Im Land Brandenburg passiert dies gerade beispielsweise intensiv. Auch andere ostdeutsche Regionen haben viel anzubieten.
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Erstveröffentlichung: TAG Wohnungsmarktbericht Ostdeutschland 2018