Steigende Ansprüche an die Gebäudetechnik
Bei modernen Bauvorhaben, wie etwa hochwertigen Büroimmobilien, entfallen heute bis zu 35% der Baukosten allein auf die technische Gebäudeausrüstung (TGA). Durch innovative Technologien, höhere Ansprüche an die Gebäudetechnik und neue Gesetzgebungen, z. B. zur Energieeffizienz, hat sich die TGA zu einem vielschichtigen und verflochtenen Fachgebiet entwickelt. Ihre wachsende Komplexität und die vielfältigen Schnittstellen machen es für die am Projekt und Bau Beteiligten zunehmend schwieriger, Zeit- und Kostenrahmen bzw. die qualitativen Maßgaben genau abzustecken und auch einzuhalten. Damit zählt die TGA mittlerweile zu einem der größten Risikofaktoren in Bauvorhaben.
Uwe Marquardt, Projektentwickler, Thomas Liebert, TGA-Planer und -berater sowie Marco Witte, Projektsteuerer diskutieren Probleme der TGA sowie neue Ansätze für eine bessere Kommunikation zwischen den Projektbeteiligten und grundlegend neue Herangehensweisen an dieses Thema innerhalb der Projektentwicklung.
Ist die TGA der Kostentreiber in aktuellen Bauvorhaben?
Marquardt: Das hängt davon ab, für wen wir ein Gebäude konzipieren. Plant man ein Objekt beispielsweise ohne konkrete Vorvermietung, muss es flexibel und auch drittverwendungsfähig bleiben. Und das gilt auch für das TGA-Konzept. Wenn Komponenten berücksichtigt werden müssen, die vom späteren Mieter womöglich gar nicht gebraucht werden, kann das zu erhöhten TGA-Kosten führen.
Liebert: Flexibilität muss nicht unbedingt eine Kostensteigerung bedeuten – im Gegenteil. Wenn wir heute flexible Systeme einsetzen, sind diese im Grundausbau erst einmal günstiger und können später erweitert werden. Ein wichtiger Faktor sind eher die Regelungen der neuen EnEV oder des EE-Wärmegesetzes, die die Kosten für die TGA in die Höhe treiben.
Witte: Hohe und steigende Baukosten der TGA sind aber nur die eine Seite der Medaille. Wir denken hier noch zu konservativ, indem wir immer nur Flächen ins Verhältnis setzen, also Kosten pro m2 BGF. Betrachten wir doch bei Büroimmobilien vielmehr deren heutige Verdichtung: Haben wir vor zehn Jahren 20 bis 24 m² pro Arbeitsplatz einkalkuliert, rechnen wir inzwischen oft mit acht bis zwölf m². Das heißt, pro Arbeitsplatz liegen wir heute letztlich nur bei der Hälfte der Fläche. Da relativieren sich die Kosten der TGA je Arbeitsplatz trotz höherer Baukosten. Dafür müssen wir natürlich die höhere Belegung und die vielfältigen Anforderungen an moderne Bürogebäude einkalkulieren.
Flexible Arbeits- und Bürowelten verlangen also nach flexiblen TGA-Konzepten?
Liebert: Richtig, und deshalb müssen wir hier umdenken: Es braucht heute eine sehr hohe Flexibilität bei der TGA, um die Kosten der Investition und die Betriebskosten zu optimieren. Ob Homeoffice oder das zunehmende Arbeiten remote, ein modernes Bürogebäude ist zum Beispiel fast nie zu 100% besetzt. Wenn 20% der Mitarbeiter immer unterwegs sind, können wir die Technik exakt auf diesen Bedarf ausrichten.
Witte: Das erscheint mir riskant: Wenn der Mieter, bezogen auf seine Arbeitsplätze, bereits mit 120% kalkuliert hat, dann ergeben sich – abzüglich 20% – am Ende doch wieder 100% Belegung.
Liebert: Aber das ist die Schnittstelle, an der man moderne Gebäude diskutieren muss! Hier sparen wir vom Technikanteil erheblich Geld, das ist eine große Stellschraube. Wenn z. B. der Besprechungsraum nur etwa 40 oder 50% des Tages genutzt wird, kann man die Luftmenge von den Büros in diesen umleiten. Es gibt vielfältige Möglichkeiten, Energie- und Investitionskosten einzusparen. Aber dazu muss das ganze Gebäude dynamisch und von der Nutzung her als Ganzes betrachtet werden.
Sollten deshalb die Vorstellungen zum künftigen Nutzer der Immobilie und dessen Nutzungsanforderungen möglichst zu Beginn präziser formuliert werden?
Marquardt: Ich denke, dass für uns als Entwickler die Zielgruppenanalyse künftig noch mehr an Bedeutung gewinnen wird: Für wen baue ich eigentlich? Welche Bürowelten können und sollen umgesetzt werden? Man sollte hier verstärkt versuchen, den jeweiligen Projekten ein Leitbild zu geben. Das Produkt muss zum späteren Mieter passen. Muss man später erst einmal nachrüsten, kann das unter Umständen mietvertraglich schwierig werden.
Liebert: Das sehe ich nicht ganz so kritisch, denn wir reden hier von Millionenbeträgen, die man zu Beginn sparen, aber dennoch problemlos nachrüsten kann. Mit einem flexiblen System bei der Hydraulik, Kühlung oder Beheizung können Sie im Grunde auf 95% der Mieter reagieren.
Sollten deshalb die Prozesse im Planungs- und Bauablauf überdacht und verbessert werden?
Marquardt: Der Entwickler sollte den TGA-Planer so früh wie möglich mit an den Tisch holen. Denn er benötigt nicht nur die Planungsleistung per se, sondern zuallererst einen versierten Berater mit den entsprechenden Erfahrungswerten auf der TGA-Seite.
Liebert: Und genau darauf, Herr Marquardt, legen wir als TGA-Büro großen Wert: dass wir am Anfang des Projektes umfassend beraten und grundlegende Aspekte mit allen Beteiligten diskutieren. Hier sehe ich das eigentliche Problem, weshalb viele Projekte schief laufen: dass die TGA meist nicht von Anfang dabei ist, nicht rechtzeitig mitreden und vernünftig beraten kann.
Witte: Stimmt. Wenn z. B. die Lüftung pfeift, erinnert sich meist keiner mehr daran, dass diese irgendwann einmal vom Architekten auf 20 Zentimeter eingezwängt wurde. Dann heißt es, der TGA-Planer habe die Lüftung nicht richtig geplant. Wir müssen den Haustechniker punktgleich mit dem Architekten einschalten und die Konzeptdiskussion an den Beginn stellen. Wenn wir mit dieser Herangehensweise die Planung definieren, können wir, höchst wirtschaftliche Ergebnisse erzielen.
Marquardt: Es liegt letztlich auch an der HOAI, dass der Architekt der Vorreiter ist und die TGA viel später erst auf die Pläne der Architektur aufsatteln muss.
Witte: Da sprechen Sie einen wichtigen Punkt an: Das TGA-Thema verstärkt nämlich nur ein tiefer liegendes Problem: Wir können uns bei den immer kürzer werdenden Entwicklungszeiten letztlich das Abhängigkeitsverhältnis der HOAI, die lineare Abfolge der Leistungsphasen, nicht mehr leisten. Daraus folgen zwei Konfliktpunkte. Erstens: die mangelnde Konkretisierung in den frühen Projektphasen. Und zweitens: die Kommunikationsschwäche der meisten TGA-Planer. Mangelnde Kommunikation, Transparenz und Dokumentation sind an der Tagesordnung. Wenn das in diesem Zusammenspiel entstandene Problem schließlich nicht mehr zu übersehen ist, wird die Änderung natürlich teuer.
Liebert: Aus diesem Grund ist uns wichtig, bereits vor der Grundlagenermittlung mit allen Beteiligten ins Gespräch zu kommen und das Bauvorhaben von allen Seiten zu betrachten: Betriebs- und Investitionskosten, Nutzungsanforderungen usw., was wir dem HOAI-Leistungsbild voransetzen und als Programming bezeichnen.
Marquardt: Das sehe ich auch so: Wir müssen mehr und früher miteinander wirklich kommunizieren. Manchmal schleichen sich Fehler ein, die durch bessere Kommunikation leicht hätten vermieden werden könnten…
Es liegt also an der mangelnden Kommunikation?
Liebert: Knackpunkt ist aus meiner Sicht eher, dass der TGA-Planer oft keine Möglichkeit hat, frühzeitig über Alternativen bei der Umsetzung zu sprechen.
Marquardt: Das Denken in Alternativen muss meiner Erfahrung nach noch stärker verankert werden. Es wäre wünschenswert, ab und an mehr nach rechts und links zu schauen.
Witte: Wenn man Alternativen einfordert, ist das Projekt oft schon viel zu weit fortgeschritten, sodass die Bearbeitung äußerst aufwendig ist.
Liebert: Das stimmt. Wir verstehen Alternativvorschläge als integrierte Beratungsleistung für den Bauherrn, ohne gesonderte Honorierung. Das bedeutet zwar zunächst einen größeren Aufwand, aber letztlich kostet es deutlich mehr Geld, wenn ein Entwurf immer wieder geändert wird.
Also sollte man nicht mit dem Bauen beginnen, bevor nicht alle wesentlichen Parameter festgelegt und allgemeine Zustimmung gefunden haben?
Witte: Ich halte es wirklich für sinnvoll, die Eckpfeiler von Anfang an sorgfältig zu zementieren. Eigentlich müsste man das Team immer so schnell wie möglich zusam-menstellen, alles Punkt für Punkt durchdeklinieren und die wesentlichen Planungspa-rameter klären – das sind nämlich oft die gleichen. Wenn allerdings am Ende des Entwurfs immer noch über grundlegende Themen diskutiert wird, wenn wir als Projektsteuerer zum Beispiel feststellen, dass – trotz gegenteiliger Behauptung – eine detaillierte Abstimmung zwischen dem Architekten und dem Haustechniker niemals stattgefunden hat, dann bleiben nur noch zwei Möglichkeiten übrig: Man muss entweder mit den so geschaffenen Fakten „leben“. Oder es beginnt die krampfhafte und teure Suche nach einer Lösung. Ein wesentlicher Teil dieser Probleme ließe sich durch eine frühzeitige Definition des Gebäudes und Kommunikation auf allen Ebenen der Planung vermeiden.
Marquardt: Der Idealfall ist, wenn das Team in einem frühen Stadium bereits fixiert ist und die genannten Punkte diskutiert. Dabei sollte der Fokus nicht allein auf der reinen Architektur liegen, sondern auch auf der technischen Umsetzbarkeit.
Liebert: Ja, wir müssen als TGA-Planer die Chance bekommen, mit den Architekten auf „Augenhöhe“ zu sprechen – und das geht nur, wenn wir zeitgleich mit diesen ins Team geholt werden.
Marquardt: Das heißt, wir müssen tatsächlich stärker darauf achten, von Anfang an mit kleinen interdisziplinären Teams zu arbeiten und darüber hinaus den Mieter direkt einzubinden.
Witte: Es muss aber auch eine Bereitschaft aller Bau- und Planungsbeteiligten geben, die vielen Problempunkte in einer sehr frühen Phase anzugehen. Das ist eine Entwicklung, die wir gehen müssen und sollten, um auch in Zukunft anspruchsvolle und wirtschaftliche Projekte zu realisieren.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von WITTE Projektmanagement GmbH
Erstveröffentlichung: WP Magazin 2015/2016